welches Halbdunkel den Menschen auch so wohl thun mag. Im zweyten Theile aber ist fast gar nichts Sub¬ jectives, es erscheint hier eine höhere, breitere, hellere, leidenschaftslosere Welt, und wer sich nicht etwas um¬ gethan und Einiges erlebt hat, wird nichts damit an¬ zufangen wissen."
Es sind darin einige Denkübungen, sagte ich, und es möchte auch mitunter einige Gelehrsamkeit erfordert werden. Es ist mir nur lieb, daß ich Schellings Büchlein über die Kabiren gelesen, und daß ich nun weiß, wohin Sie in jener famösen Stelle der classischen Walpurgisnacht deuten.
"Ich habe immer gefunden, sagte Goethe lachend, daß es gut sey etwas zu wissen."
Freytag, den 18. Februar 1831.
Mit Goethe zu Tisch. Wir reden über verschiedene Regierungsformen, und es kommt zur Sprache, welche Schwierigkeiten ein zu großer Liberalismus habe, indem er die Anforderungen der Einzelnen hervorrufe, und man vor lauter Wünschen zuletzt nicht mehr wisse, welche man befriedigen solle. Man werde finden, daß man von oben herab mit zu großer Güte, Milde und mora¬ lischer Delicatesse auf die Länge nicht durchkomme, in¬
welches Halbdunkel den Menſchen auch ſo wohl thun mag. Im zweyten Theile aber iſt faſt gar nichts Sub¬ jectives, es erſcheint hier eine hoͤhere, breitere, hellere, leidenſchaftsloſere Welt, und wer ſich nicht etwas um¬ gethan und Einiges erlebt hat, wird nichts damit an¬ zufangen wiſſen.“
Es ſind darin einige Denkuͤbungen, ſagte ich, und es moͤchte auch mitunter einige Gelehrſamkeit erfordert werden. Es iſt mir nur lieb, daß ich Schellings Buͤchlein uͤber die Kabiren geleſen, und daß ich nun weiß, wohin Sie in jener famoͤſen Stelle der claſſiſchen Walpurgisnacht deuten.
„Ich habe immer gefunden, ſagte Goethe lachend, daß es gut ſey etwas zu wiſſen.“
Freytag, den 18. Februar 1831.
Mit Goethe zu Tiſch. Wir reden uͤber verſchiedene Regierungsformen, und es kommt zur Sprache, welche Schwierigkeiten ein zu großer Liberalismus habe, indem er die Anforderungen der Einzelnen hervorrufe, und man vor lauter Wuͤnſchen zuletzt nicht mehr wiſſe, welche man befriedigen ſolle. Man werde finden, daß man von oben herab mit zu großer Guͤte, Milde und mora¬ liſcher Delicateſſe auf die Laͤnge nicht durchkomme, in¬
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mag. Im zweyten Theile aber iſt faſt gar nichts Sub¬
jectives, es erſcheint hier eine hoͤhere, breitere, hellere,
leidenſchaftsloſere Welt, und wer ſich nicht etwas um¬
gethan und Einiges erlebt hat, wird nichts damit an¬
zufangen wiſſen.“
Es ſind darin einige Denkuͤbungen, ſagte ich, und
es moͤchte auch mitunter einige Gelehrſamkeit erfordert
werden. Es iſt mir nur lieb, daß ich Schellings
Buͤchlein uͤber die Kabiren geleſen, und daß ich nun
weiß, wohin Sie in jener famoͤſen Stelle der claſſiſchen
Walpurgisnacht deuten.
„Ich habe immer gefunden, ſagte Goethe lachend,
daß es gut ſey etwas zu wiſſen.“
Freytag, den 18. Februar 1831.
Mit Goethe zu Tiſch. Wir reden uͤber verſchiedene
Regierungsformen, und es kommt zur Sprache, welche
Schwierigkeiten ein zu großer Liberalismus habe, indem
er die Anforderungen der Einzelnen hervorrufe, und man
vor lauter Wuͤnſchen zuletzt nicht mehr wiſſe, welche
man befriedigen ſolle. Man werde finden, daß man
von oben herab mit zu großer Guͤte, Milde und mora¬
liſcher Delicateſſe auf die Laͤnge nicht durchkomme, in¬
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/286>, abgerufen am 21.11.2024.
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