Ich habe Ihnen dießmal soviel mitzutheilen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen und wo ich endi¬ gen soll.
Eure Excellenz haben oft im Scherz gesagt, daß das Fortreisen eine recht gute Sache sey, wenn nur das Wiederkommen nicht wäre. Ich finde dieß nun zu mei¬ ner Qual bestätigt, indem ich mich an einer Art von Scheideweg befinde, und nicht weiß welchen ich einschla¬ gen soll.
Mein Aufenthalt in Italien, so kurz er auch war, ist doch wie billig nicht ohne große Wirkung für mich gewesen. Eine reiche Natur hat mit ihren Wundern zu mir gesprochen und mich gefragt, wie weit ich denn ge¬ kommen, um solche Sprache zu vernehmen. Große Werke der Menschen, große Thätigkeiten, haben mich angeregt und mich auf meine eigenen Hände blicken lassen, um zu sehen was denn ich selbst vermöge. Existenzen tausendfacher Art haben mich berührt und mich gefragt, wie denn die meinige beschaffen. Und so sind drey große Bedürfnisse in mir lebendig: Mein Wissen zu vermehren, meine Existenz zu verbessern, und, daß beydes möglich sey, vor allen Dingen etwas zu thun.
Was nun dieses letztere betrifft, so bin ich über das, was zu thun sey, keineswegs in Zweifel. Es liegt mir
Genf, Sonntag den 12. September 1830.
Ich habe Ihnen dießmal ſoviel mitzutheilen, daß ich nicht weiß, wo ich anfangen und wo ich endi¬ gen ſoll.
Eure Excellenz haben oft im Scherz geſagt, daß das Fortreiſen eine recht gute Sache ſey, wenn nur das Wiederkommen nicht waͤre. Ich finde dieß nun zu mei¬ ner Qual beſtaͤtigt, indem ich mich an einer Art von Scheideweg befinde, und nicht weiß welchen ich einſchla¬ gen ſoll.
Mein Aufenthalt in Italien, ſo kurz er auch war, iſt doch wie billig nicht ohne große Wirkung fuͤr mich geweſen. Eine reiche Natur hat mit ihren Wundern zu mir geſprochen und mich gefragt, wie weit ich denn ge¬ kommen, um ſolche Sprache zu vernehmen. Große Werke der Menſchen, große Thaͤtigkeiten, haben mich angeregt und mich auf meine eigenen Haͤnde blicken laſſen, um zu ſehen was denn ich ſelbſt vermoͤge. Exiſtenzen tauſendfacher Art haben mich beruͤhrt und mich gefragt, wie denn die meinige beſchaffen. Und ſo ſind drey große Beduͤrfniſſe in mir lebendig: Mein Wiſſen zu vermehren, meine Exiſtenz zu verbeſſern, und, daß beydes moͤglich ſey, vor allen Dingen etwas zu thun.
Was nun dieſes letztere betrifft, ſo bin ich uͤber das, was zu thun ſey, keineswegs in Zweifel. Es liegt mir
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Genf, Sonntag den 12. September 1830.
Ich habe Ihnen dießmal ſoviel mitzutheilen, daß
ich nicht weiß, wo ich anfangen und wo ich endi¬
gen ſoll.
Eure Excellenz haben oft im Scherz geſagt, daß das
Fortreiſen eine recht gute Sache ſey, wenn nur das
Wiederkommen nicht waͤre. Ich finde dieß nun zu mei¬
ner Qual beſtaͤtigt, indem ich mich an einer Art von
Scheideweg befinde, und nicht weiß welchen ich einſchla¬
gen ſoll.
Mein Aufenthalt in Italien, ſo kurz er auch war,
iſt doch wie billig nicht ohne große Wirkung fuͤr mich
geweſen. Eine reiche Natur hat mit ihren Wundern zu
mir geſprochen und mich gefragt, wie weit ich denn ge¬
kommen, um ſolche Sprache zu vernehmen. Große
Werke der Menſchen, große Thaͤtigkeiten, haben mich
angeregt und mich auf meine eigenen Haͤnde blicken
laſſen, um zu ſehen was denn ich ſelbſt vermoͤge.
Exiſtenzen tauſendfacher Art haben mich beruͤhrt und
mich gefragt, wie denn die meinige beſchaffen. Und ſo
ſind drey große Beduͤrfniſſe in mir lebendig: Mein
Wiſſen zu vermehren, meine Exiſtenz zu verbeſſern,
und, daß beydes moͤglich ſey, vor allen Dingen etwas
zu thun.
Was nun dieſes letztere betrifft, ſo bin ich uͤber das,
was zu thun ſey, keineswegs in Zweifel. Es liegt mir
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/229>, abgerufen am 22.12.2024.
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