Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

zusammenstehenden drey Planeten zu weiden und an dem
wachsenden Glanz der Morgenröthe zu erquicken. Fast
den ganzen Tag bin ich sodann im Freyen, und halte
geistige Zwiesprache mit den Ranken der Weinrebe, die
mir gute Gedanken sagen und wovon ich Euch wunder¬
liche Dinge mittheilen könnte. Auch mache ich wieder
Gedichte, die nicht schlecht sind, und möchte überall,
daß es mir vergönnt wäre, in diesem Zustande so fort¬
zuleben."


Heute zwey Uhr, bey dem herrlichsten Wetter, kam
Goethe von Dornburg zurück. Er war rüstig und ganz
braun von der Sonne. Wir setzten uns bald zu Tisch,
und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den
Garten stößt, und dessen Thüren offen standen. Er er¬
zählte von mancherley gehabten Besuchen und erhaltenen
Geschenken, und schien sich überall in zwischen gestreu¬
ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber
tiefer, so konnte man eine gewisse Befangenheit nicht
verkennen, wie sie derjenige empfindet, der in einen
alten Zustand zurückkehrt, der durch mancherley Verhält¬
nisse, Rücksichten und Anforderungen bedingt ist.

Wir waren noch bey den ersten Gerichten, als eine
Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude
über Goethe's Zurückkunft zu erkennen gab, mit der

zuſammenſtehenden drey Planeten zu weiden und an dem
wachſenden Glanz der Morgenroͤthe zu erquicken. Faſt
den ganzen Tag bin ich ſodann im Freyen, und halte
geiſtige Zwieſprache mit den Ranken der Weinrebe, die
mir gute Gedanken ſagen und wovon ich Euch wunder¬
liche Dinge mittheilen koͤnnte. Auch mache ich wieder
Gedichte, die nicht ſchlecht ſind, und moͤchte uͤberall,
daß es mir vergoͤnnt waͤre, in dieſem Zuſtande ſo fort¬
zuleben.“


Heute zwey Uhr, bey dem herrlichſten Wetter, kam
Goethe von Dornburg zuruͤck. Er war ruͤſtig und ganz
braun von der Sonne. Wir ſetzten uns bald zu Tiſch,
und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den
Garten ſtoͤßt, und deſſen Thuͤren offen ſtanden. Er er¬
zaͤhlte von mancherley gehabten Beſuchen und erhaltenen
Geſchenken, und ſchien ſich uͤberall in zwiſchen geſtreu¬
ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber
tiefer, ſo konnte man eine gewiſſe Befangenheit nicht
verkennen, wie ſie derjenige empfindet, der in einen
alten Zuſtand zuruͤckkehrt, der durch mancherley Verhaͤlt¬
niſſe, Ruͤckſichten und Anforderungen bedingt iſt.

Wir waren noch bey den erſten Gerichten, als eine
Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude
uͤber Goethe's Zuruͤckkunft zu erkennen gab, mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0017" n="7"/>
zu&#x017F;ammen&#x017F;tehenden drey Planeten zu weiden und an dem<lb/>
wach&#x017F;enden Glanz der Morgenro&#x0364;the zu erquicken. Fa&#x017F;t<lb/>
den ganzen Tag bin ich &#x017F;odann im Freyen, und halte<lb/>
gei&#x017F;tige Zwie&#x017F;prache mit den Ranken der Weinrebe, die<lb/>
mir gute Gedanken &#x017F;agen und wovon ich Euch wunder¬<lb/>
liche Dinge mittheilen ko&#x0364;nnte. Auch mache ich wieder<lb/>
Gedichte, die nicht &#x017F;chlecht &#x017F;ind, und mo&#x0364;chte u&#x0364;berall,<lb/>
daß es mir vergo&#x0364;nnt wa&#x0364;re, in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande &#x017F;o fort¬<lb/>
zuleben.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="4">
          <dateline rendition="#right">Donnerstag, den 11. September 1828.<lb/></dateline>
          <p>Heute zwey Uhr, bey dem herrlich&#x017F;ten Wetter, kam<lb/>
Goethe von Dornburg zuru&#x0364;ck. Er war ru&#x0364;&#x017F;tig und ganz<lb/>
braun von der Sonne. Wir &#x017F;etzten uns bald zu Ti&#x017F;ch,<lb/>
und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den<lb/>
Garten &#x017F;to&#x0364;ßt, und de&#x017F;&#x017F;en Thu&#x0364;ren offen &#x017F;tanden. Er er¬<lb/>
za&#x0364;hlte von mancherley gehabten Be&#x017F;uchen und erhaltenen<lb/>
Ge&#x017F;chenken, und &#x017F;chien &#x017F;ich u&#x0364;berall in zwi&#x017F;chen ge&#x017F;treu¬<lb/>
ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber<lb/>
tiefer, &#x017F;o konnte man eine gewi&#x017F;&#x017F;e Befangenheit nicht<lb/>
verkennen, wie &#x017F;ie derjenige empfindet, der in einen<lb/>
alten Zu&#x017F;tand zuru&#x0364;ckkehrt, der durch mancherley Verha&#x0364;lt¬<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e, Ru&#x0364;ck&#x017F;ichten und Anforderungen bedingt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Wir waren noch bey den er&#x017F;ten Gerichten, als eine<lb/>
Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude<lb/>
u&#x0364;ber Goethe's Zuru&#x0364;ckkunft zu erkennen gab, mit der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0017] zuſammenſtehenden drey Planeten zu weiden und an dem wachſenden Glanz der Morgenroͤthe zu erquicken. Faſt den ganzen Tag bin ich ſodann im Freyen, und halte geiſtige Zwieſprache mit den Ranken der Weinrebe, die mir gute Gedanken ſagen und wovon ich Euch wunder¬ liche Dinge mittheilen koͤnnte. Auch mache ich wieder Gedichte, die nicht ſchlecht ſind, und moͤchte uͤberall, daß es mir vergoͤnnt waͤre, in dieſem Zuſtande ſo fort¬ zuleben.“ Donnerstag, den 11. September 1828. Heute zwey Uhr, bey dem herrlichſten Wetter, kam Goethe von Dornburg zuruͤck. Er war ruͤſtig und ganz braun von der Sonne. Wir ſetzten uns bald zu Tiſch, und zwar in dem Zimmer, das unmittelbar an den Garten ſtoͤßt, und deſſen Thuͤren offen ſtanden. Er er¬ zaͤhlte von mancherley gehabten Beſuchen und erhaltenen Geſchenken, und ſchien ſich uͤberall in zwiſchen geſtreu¬ ten leichten Scherzen zu gefallen. Blickte man aber tiefer, ſo konnte man eine gewiſſe Befangenheit nicht verkennen, wie ſie derjenige empfindet, der in einen alten Zuſtand zuruͤckkehrt, der durch mancherley Verhaͤlt¬ niſſe, Ruͤckſichten und Anforderungen bedingt iſt. Wir waren noch bey den erſten Gerichten, als eine Sendung der Großherzogin Mutter kam, die ihre Freude uͤber Goethe's Zuruͤckkunft zu erkennen gab, mit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/17
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/17>, abgerufen am 21.12.2024.