gab ihm Recht und dachte, der Alte sagt doch gelegentlich immer etwas Gutes.
Wir trennten uns und mischten uns unter die Übri¬ gen, die sich um uns herum und in diesem und je¬ nem Zimmer laut und lustig unterhielten. Goethe be¬ gab sich zu den Damen; ich gesellte mich zu Riemer und Meyer, die uns viel von Italien erzählten.
Regierungsrath Schmidt setzte sich später zum Flü¬ gel und trug Beethovensche Sachen vor, welche die An¬ wesenden mit innigem Antheil aufzunehmen schienen. Eine geistreiche Dame erzählte darauf viel Interessantes von Beethovens Persönlichkeit. Und so ward es nach und nach zehn Uhr, und es war mir der Abend im ho¬ hen Grade angenehm vergangen.
Sonntag den 19. October 1823.
Diesen Mittag war ich das erste Mal bey Goethe zu Tisch. Es waren außer ihm nur Frau von Goethe, Fräulein Ulrike und der kleine Walter gegenwärtig und wir waren also bequem unter uns. Goethe zeigte sich ganz als Familienvater, er legte alle Gerichte vor, tran¬ chirte gebratenes Geflügel und zwar mit besonderem Geschick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuschenken. Wir anderen schwatzten munteres Zeug über Theater, junge Engländer und andere Vorkommnisse des Tages; besonders war Fräulein Ulrike sehr heiter und im hohen
gab ihm Recht und dachte, der Alte ſagt doch gelegentlich immer etwas Gutes.
Wir trennten uns und miſchten uns unter die Übri¬ gen, die ſich um uns herum und in dieſem und je¬ nem Zimmer laut und luſtig unterhielten. Goethe be¬ gab ſich zu den Damen; ich geſellte mich zu Riemer und Meyer, die uns viel von Italien erzaͤhlten.
Regierungsrath Schmidt ſetzte ſich ſpaͤter zum Fluͤ¬ gel und trug Beethovenſche Sachen vor, welche die An¬ weſenden mit innigem Antheil aufzunehmen ſchienen. Eine geiſtreiche Dame erzaͤhlte darauf viel Intereſſantes von Beethovens Perſoͤnlichkeit. Und ſo ward es nach und nach zehn Uhr, und es war mir der Abend im ho¬ hen Grade angenehm vergangen.
Sonntag den 19. October 1823.
Dieſen Mittag war ich das erſte Mal bey Goethe zu Tiſch. Es waren außer ihm nur Frau von Goethe, Fraͤulein Ulrike und der kleine Walter gegenwaͤrtig und wir waren alſo bequem unter uns. Goethe zeigte ſich ganz als Familienvater, er legte alle Gerichte vor, tran¬ chirte gebratenes Gefluͤgel und zwar mit beſonderem Geſchick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuſchenken. Wir anderen ſchwatzten munteres Zeug uͤber Theater, junge Englaͤnder und andere Vorkommniſſe des Tages; beſonders war Fraͤulein Ulrike ſehr heiter und im hohen
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0082"n="62"/>
gab ihm Recht und dachte, der Alte ſagt doch gelegentlich<lb/>
immer etwas Gutes.</p><lb/><p>Wir trennten uns und miſchten uns unter die Übri¬<lb/>
gen, die ſich um uns herum und in dieſem und je¬<lb/>
nem Zimmer laut und luſtig unterhielten. Goethe be¬<lb/>
gab ſich zu den Damen; ich geſellte mich zu Riemer und<lb/>
Meyer, die uns viel von Italien erzaͤhlten.</p><lb/><p>Regierungsrath <hirendition="#g">Schmidt</hi>ſetzte ſich ſpaͤter zum Fluͤ¬<lb/>
gel und trug Beethovenſche Sachen vor, welche die An¬<lb/>
weſenden mit innigem Antheil aufzunehmen ſchienen.<lb/>
Eine geiſtreiche Dame erzaͤhlte darauf viel Intereſſantes<lb/>
von Beethovens Perſoͤnlichkeit. Und ſo ward es nach<lb/>
und nach zehn Uhr, und es war mir der Abend im ho¬<lb/>
hen Grade angenehm vergangen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="2"><datelinerendition="#right">Sonntag den 19. October 1823.<lb/></dateline><p>Dieſen Mittag war ich das erſte Mal bey Goethe<lb/>
zu Tiſch. Es waren außer ihm nur Frau von Goethe,<lb/>
Fraͤulein Ulrike und der kleine Walter gegenwaͤrtig und<lb/>
wir waren alſo bequem unter uns. Goethe zeigte ſich<lb/>
ganz als Familienvater, er legte alle Gerichte vor, tran¬<lb/>
chirte gebratenes Gefluͤgel und zwar mit beſonderem<lb/>
Geſchick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuſchenken.<lb/>
Wir anderen ſchwatzten munteres Zeug uͤber Theater,<lb/>
junge Englaͤnder und andere Vorkommniſſe des Tages;<lb/>
beſonders war Fraͤulein Ulrike ſehr heiter und im hohen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[62/0082]
gab ihm Recht und dachte, der Alte ſagt doch gelegentlich
immer etwas Gutes.
Wir trennten uns und miſchten uns unter die Übri¬
gen, die ſich um uns herum und in dieſem und je¬
nem Zimmer laut und luſtig unterhielten. Goethe be¬
gab ſich zu den Damen; ich geſellte mich zu Riemer und
Meyer, die uns viel von Italien erzaͤhlten.
Regierungsrath Schmidt ſetzte ſich ſpaͤter zum Fluͤ¬
gel und trug Beethovenſche Sachen vor, welche die An¬
weſenden mit innigem Antheil aufzunehmen ſchienen.
Eine geiſtreiche Dame erzaͤhlte darauf viel Intereſſantes
von Beethovens Perſoͤnlichkeit. Und ſo ward es nach
und nach zehn Uhr, und es war mir der Abend im ho¬
hen Grade angenehm vergangen.
Sonntag den 19. October 1823.
Dieſen Mittag war ich das erſte Mal bey Goethe
zu Tiſch. Es waren außer ihm nur Frau von Goethe,
Fraͤulein Ulrike und der kleine Walter gegenwaͤrtig und
wir waren alſo bequem unter uns. Goethe zeigte ſich
ganz als Familienvater, er legte alle Gerichte vor, tran¬
chirte gebratenes Gefluͤgel und zwar mit beſonderem
Geſchick, und verfehlte auch nicht, mitunter einzuſchenken.
Wir anderen ſchwatzten munteres Zeug uͤber Theater,
junge Englaͤnder und andere Vorkommniſſe des Tages;
beſonders war Fraͤulein Ulrike ſehr heiter und im hohen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/82>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.