den Tod des General Moore einen Abend vor, und seine edlen Freunde wissen nicht, was sie daraus machen sollen. Das rührt ihn nicht und er steckt es wieder ein. Als Poet beweist er sich wirklich wie ein Lamm. Ein Anderer hätte sie dem Teufel übergeben!"
Mittwoch den 20. April 1825.
Goethe zeigte mir diesen Abend einen Brief eines jungen Studirenden, der ihn um den Plan zum zwey¬ ten Theile des Faust bittet, indem er den Vorsatz habe, dieses Werk seinerseits zu vollenden. -- Trocken, gut¬ müthig und aufrichtig geht er mit seinen Wünschen und Absichten frey heraus, und äußert zuletzt ganz unver¬ hohlen, daß es zwar mit allen übrigen neuesten litera¬ rischen Bestrebungen nichts sey, daß aber in ihm eine neue Literatur frisch erblühen solle.
Wenn ich im Leben auf einen jungen Menschen stieße, der Napoleons Welteroberungen fortzusetzen sich rüstete, oder auf einen jungen Bau-Dilettanten, der den Cöl¬ ner Dom zu vollenden sich anschickte, so würde ich mich über diese nicht mehr verwundern und sie nicht verrück¬ ter und lächerlicher finden, als eben diesen jungen Lieb¬ haber der Poesie, der Wahn genug besitzt, aus bloßer Neigung den zweyten Theil des Faust machen zu können.
Ja ich halte es für möglicher, den Cölner Dom
den Tod des General Moore einen Abend vor, und ſeine edlen Freunde wiſſen nicht, was ſie daraus machen ſollen. Das ruͤhrt ihn nicht und er ſteckt es wieder ein. Als Poet beweiſt er ſich wirklich wie ein Lamm. Ein Anderer haͤtte ſie dem Teufel uͤbergeben!“
Mittwoch den 20. April 1825.
Goethe zeigte mir dieſen Abend einen Brief eines jungen Studirenden, der ihn um den Plan zum zwey¬ ten Theile des Fauſt bittet, indem er den Vorſatz habe, dieſes Werk ſeinerſeits zu vollenden. — Trocken, gut¬ muͤthig und aufrichtig geht er mit ſeinen Wuͤnſchen und Abſichten frey heraus, und aͤußert zuletzt ganz unver¬ hohlen, daß es zwar mit allen uͤbrigen neueſten litera¬ riſchen Beſtrebungen nichts ſey, daß aber in ihm eine neue Literatur friſch erbluͤhen ſolle.
Wenn ich im Leben auf einen jungen Menſchen ſtieße, der Napoleons Welteroberungen fortzuſetzen ſich ruͤſtete, oder auf einen jungen Bau-Dilettanten, der den Coͤl¬ ner Dom zu vollenden ſich anſchickte, ſo wuͤrde ich mich uͤber dieſe nicht mehr verwundern und ſie nicht verruͤck¬ ter und laͤcherlicher finden, als eben dieſen jungen Lieb¬ haber der Poeſie, der Wahn genug beſitzt, aus bloßer Neigung den zweyten Theil des Fauſt machen zu koͤnnen.
Ja ich halte es fuͤr moͤglicher, den Coͤlner Dom
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[207/0227]
den Tod des General Moore einen Abend vor, und
ſeine edlen Freunde wiſſen nicht, was ſie daraus machen
ſollen. Das ruͤhrt ihn nicht und er ſteckt es wieder
ein. Als Poet beweiſt er ſich wirklich wie ein Lamm.
Ein Anderer haͤtte ſie dem Teufel uͤbergeben!“
Mittwoch den 20. April 1825.
Goethe zeigte mir dieſen Abend einen Brief eines
jungen Studirenden, der ihn um den Plan zum zwey¬
ten Theile des Fauſt bittet, indem er den Vorſatz habe,
dieſes Werk ſeinerſeits zu vollenden. — Trocken, gut¬
muͤthig und aufrichtig geht er mit ſeinen Wuͤnſchen und
Abſichten frey heraus, und aͤußert zuletzt ganz unver¬
hohlen, daß es zwar mit allen uͤbrigen neueſten litera¬
riſchen Beſtrebungen nichts ſey, daß aber in ihm eine
neue Literatur friſch erbluͤhen ſolle.
Wenn ich im Leben auf einen jungen Menſchen ſtieße,
der Napoleons Welteroberungen fortzuſetzen ſich ruͤſtete,
oder auf einen jungen Bau-Dilettanten, der den Coͤl¬
ner Dom zu vollenden ſich anſchickte, ſo wuͤrde ich mich
uͤber dieſe nicht mehr verwundern und ſie nicht verruͤck¬
ter und laͤcherlicher finden, als eben dieſen jungen Lieb¬
haber der Poeſie, der Wahn genug beſitzt, aus bloßer
Neigung den zweyten Theil des Fauſt machen zu koͤnnen.
Ja ich halte es fuͤr moͤglicher, den Coͤlner Dom
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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/227>, abgerufen am 21.11.2024.
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