Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

mußte ihm doch für gewisse Gegenstände an allen Or¬
ganen fehlen.

"In dieser Hinsicht war es arg mit Herder, erwie¬
derte Goethe; ja wenn er als Geist in diesem Augenblick
hier gegenwärtig wäre, fügte er lebhaft hinzu, er würde
uns nicht verstehen."

Dagegen muß ich den Merk loben, sagte ich, daß
er Sie trieb den Götz drucken zu lassen.

"Das war freylich ein wunderlicher bedeutender
Mensch, erwiederte Goethe. ""Laß das Zeug drucken!
sagte er; es taugt zwar nichts, aber laß es nur druk¬
ken!"" Er war nicht für das Umarbeiten und er hatte
Recht; denn es wäre wohl anders geworden, aber nicht
besser."


Ich besuchte Goethe Abends vor dem Theater und
fand ihn sehr wohl und heiter. Er erkundigte sich nach
den hier anwesenden jungen Engländern, und ich sagte
ihm, daß ich die Absicht habe, mit Herrn Doolan
eine deutsche Übersetzung des Plutarch zu lesen. Dieß
führte das Gespräch auf die römische und griechische
Geschichte und Goethe äußerte sich darüber folgender¬
maßen:

"Die römische Geschichte, sagte er, ist für uns

mußte ihm doch fuͤr gewiſſe Gegenſtaͤnde an allen Or¬
ganen fehlen.

„In dieſer Hinſicht war es arg mit Herder, erwie¬
derte Goethe; ja wenn er als Geiſt in dieſem Augenblick
hier gegenwaͤrtig waͤre, fuͤgte er lebhaft hinzu, er wuͤrde
uns nicht verſtehen.“

Dagegen muß ich den Merk loben, ſagte ich, daß
er Sie trieb den Goͤtz drucken zu laſſen.

„Das war freylich ein wunderlicher bedeutender
Menſch, erwiederte Goethe. „„Laß das Zeug drucken!
ſagte er; es taugt zwar nichts, aber laß es nur druk¬
ken!““ Er war nicht fuͤr das Umarbeiten und er hatte
Recht; denn es waͤre wohl anders geworden, aber nicht
beſſer.“


Ich beſuchte Goethe Abends vor dem Theater und
fand ihn ſehr wohl und heiter. Er erkundigte ſich nach
den hier anweſenden jungen Englaͤndern, und ich ſagte
ihm, daß ich die Abſicht habe, mit Herrn Doolan
eine deutſche Überſetzung des Plutarch zu leſen. Dieß
fuͤhrte das Geſpraͤch auf die roͤmiſche und griechiſche
Geſchichte und Goethe aͤußerte ſich daruͤber folgender¬
maßen:

„Die roͤmiſche Geſchichte, ſagte er, iſt fuͤr uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="167"/>
mußte ihm doch fu&#x0364;r gewi&#x017F;&#x017F;e Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde an allen Or¬<lb/>
ganen fehlen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;In die&#x017F;er Hin&#x017F;icht war es arg mit Herder, erwie¬<lb/>
derte Goethe; ja wenn er als Gei&#x017F;t in die&#x017F;em Augenblick<lb/>
hier gegenwa&#x0364;rtig wa&#x0364;re, fu&#x0364;gte er lebhaft hinzu, er wu&#x0364;rde<lb/>
uns nicht ver&#x017F;tehen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Dagegen muß ich den <hi rendition="#g">Merk</hi> loben, &#x017F;agte ich, daß<lb/>
er Sie trieb den Go&#x0364;tz drucken zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das war freylich ein wunderlicher bedeutender<lb/>
Men&#x017F;ch, erwiederte Goethe. &#x201E;&#x201E;Laß das Zeug drucken!<lb/>
&#x017F;agte er; es taugt zwar nichts, aber laß es nur druk¬<lb/>
ken!&#x201C;&#x201C; Er war nicht fu&#x0364;r das Umarbeiten und er hatte<lb/>
Recht; denn es wa&#x0364;re wohl anders geworden, aber nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er.&#x201C;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <dateline rendition="#right">Mittwoch den 24. November 1824.<lb/></dateline>
          <p>Ich be&#x017F;uchte Goethe Abends vor dem Theater und<lb/>
fand ihn &#x017F;ehr wohl und heiter. Er erkundigte &#x017F;ich nach<lb/>
den hier anwe&#x017F;enden jungen Engla&#x0364;ndern, und ich &#x017F;agte<lb/>
ihm, daß ich die Ab&#x017F;icht habe, mit Herrn <hi rendition="#g">Doolan</hi><lb/>
eine deut&#x017F;che Über&#x017F;etzung des Plutarch zu le&#x017F;en. Dieß<lb/>
fu&#x0364;hrte das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch auf die ro&#x0364;mi&#x017F;che und griechi&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;chichte und Goethe a&#x0364;ußerte &#x017F;ich daru&#x0364;ber folgender¬<lb/>
maßen:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die ro&#x0364;mi&#x017F;che Ge&#x017F;chichte, &#x017F;agte er, i&#x017F;t fu&#x0364;r uns<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0187] mußte ihm doch fuͤr gewiſſe Gegenſtaͤnde an allen Or¬ ganen fehlen. „In dieſer Hinſicht war es arg mit Herder, erwie¬ derte Goethe; ja wenn er als Geiſt in dieſem Augenblick hier gegenwaͤrtig waͤre, fuͤgte er lebhaft hinzu, er wuͤrde uns nicht verſtehen.“ Dagegen muß ich den Merk loben, ſagte ich, daß er Sie trieb den Goͤtz drucken zu laſſen. „Das war freylich ein wunderlicher bedeutender Menſch, erwiederte Goethe. „„Laß das Zeug drucken! ſagte er; es taugt zwar nichts, aber laß es nur druk¬ ken!““ Er war nicht fuͤr das Umarbeiten und er hatte Recht; denn es waͤre wohl anders geworden, aber nicht beſſer.“ Mittwoch den 24. November 1824. Ich beſuchte Goethe Abends vor dem Theater und fand ihn ſehr wohl und heiter. Er erkundigte ſich nach den hier anweſenden jungen Englaͤndern, und ich ſagte ihm, daß ich die Abſicht habe, mit Herrn Doolan eine deutſche Überſetzung des Plutarch zu leſen. Dieß fuͤhrte das Geſpraͤch auf die roͤmiſche und griechiſche Geſchichte und Goethe aͤußerte ſich daruͤber folgender¬ maßen: „Die roͤmiſche Geſchichte, ſagte er, iſt fuͤr uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/187
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/187>, abgerufen am 03.12.2024.