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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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Viertes Kapitel.


Während dieser Vorgänge verweilte Nitetis einsam
und in tiefe Trauer versunken in ihrem Hause auf den
hängenden Gärten. Heute zum Erstenmale hatte sie dem
gemeinsamen Opfer der Weiber des Königs beigewohnt,
und versucht, im Freien, vor dem Feueraltare von fremden
Gesängen umtönt, zu ihren neuen Göttern zu beten.

Die meisten Bewohnerinnen des königlichen Harems
sahen die Aegypterin bei dieser Feierlichkeit zum Ersten-
male und verwendeten, statt zu der Gottheit hinauf zu
schauen, kein Auge von derselben.

Nitetis, von den neugierigen, feindseligen Blicken
ihrer Nebenbuhlerinnen beunruhigt, zerstreut durch die
lärmende Musik, welche von der Stadt herübertönte,
schmerzlich bewegt durch die Erinnerung an die andächti-
gen Gebete, welche sie in der feierlichen, schwülen Stille
der Riesentempel ihrer Heimat, an der Seite ihrer Mut-
ter und Schwester, den Göttern ihrer Kindheit dargebracht
hatte, konnte, so sehr es sie drängte, für den geliebten
König an seinem Feiertage Glück und Wohlsein von den
Göttern zu erflehen, zu keiner andächtigen Erhebung
kommen.

Ebers, Eine ägyptische Königstochter. II. 6
Viertes Kapitel.


Während dieſer Vorgänge verweilte Nitetis einſam
und in tiefe Trauer verſunken in ihrem Hauſe auf den
hängenden Gärten. Heute zum Erſtenmale hatte ſie dem
gemeinſamen Opfer der Weiber des Königs beigewohnt,
und verſucht, im Freien, vor dem Feueraltare von fremden
Geſängen umtönt, zu ihren neuen Göttern zu beten.

Die meiſten Bewohnerinnen des königlichen Harems
ſahen die Aegypterin bei dieſer Feierlichkeit zum Erſten-
male und verwendeten, ſtatt zu der Gottheit hinauf zu
ſchauen, kein Auge von derſelben.

Nitetis, von den neugierigen, feindſeligen Blicken
ihrer Nebenbuhlerinnen beunruhigt, zerſtreut durch die
lärmende Muſik, welche von der Stadt herübertönte,
ſchmerzlich bewegt durch die Erinnerung an die andächti-
gen Gebete, welche ſie in der feierlichen, ſchwülen Stille
der Rieſentempel ihrer Heimat, an der Seite ihrer Mut-
ter und Schweſter, den Göttern ihrer Kindheit dargebracht
hatte, konnte, ſo ſehr es ſie drängte, für den geliebten
König an ſeinem Feiertage Glück und Wohlſein von den
Göttern zu erflehen, zu keiner andächtigen Erhebung
kommen.

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[[81]/0083] Viertes Kapitel. Während dieſer Vorgänge verweilte Nitetis einſam und in tiefe Trauer verſunken in ihrem Hauſe auf den hängenden Gärten. Heute zum Erſtenmale hatte ſie dem gemeinſamen Opfer der Weiber des Königs beigewohnt, und verſucht, im Freien, vor dem Feueraltare von fremden Geſängen umtönt, zu ihren neuen Göttern zu beten. Die meiſten Bewohnerinnen des königlichen Harems ſahen die Aegypterin bei dieſer Feierlichkeit zum Erſten- male und verwendeten, ſtatt zu der Gottheit hinauf zu ſchauen, kein Auge von derſelben. Nitetis, von den neugierigen, feindſeligen Blicken ihrer Nebenbuhlerinnen beunruhigt, zerſtreut durch die lärmende Muſik, welche von der Stadt herübertönte, ſchmerzlich bewegt durch die Erinnerung an die andächti- gen Gebete, welche ſie in der feierlichen, ſchwülen Stille der Rieſentempel ihrer Heimat, an der Seite ihrer Mut- ter und Schweſter, den Göttern ihrer Kindheit dargebracht hatte, konnte, ſo ſehr es ſie drängte, für den geliebten König an ſeinem Feiertage Glück und Wohlſein von den Göttern zu erflehen, zu keiner andächtigen Erhebung kommen. Ebers, Eine ägyptiſche Königstochter. II. 6

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. [81]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/83>, abgerufen am 27.04.2024.