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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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"Mein König ist die Leuchte der Welt und ein Ocean
der Gnade!"

"Bartja und seine Freunde sollen nicht länger ein-
geschlossen bleiben. Sie mögen sich, von euch be-
wacht, im Palasthofe ergehn; Du, Datis, begibst Dich
sogleich zu den hängenden Gärten und befiehlst Boges,
die Vollstreckung des Urtheils an der Aegypterin auf-
zuschieben. Ferner soll zu dem von dem Athener be-
zeichneten Stationshause geschickt und der dort liegende
Verwundete unter sicherer Bedeckung hierher gebracht
werden."

Das Auge des Königs wollte gehn; Phanes hielt
ihn aber zurück und fragte: "Gestattet mir mein König
eine Bemerkung?"

"Rede!"

"Es scheint mir, als könnte uns der Eunuchenoberst
die sicherste Auskunft geben. Der phantasirende Jüngling
sprach den Namen desselben oftmals in Verbindung mit
dem seiner Liebsten aus."

"Eile, Datis, und führe Boges sofort hierher."

"Auch der Oberpriester Oropastes muß, als Bruder
des Gaumata, verhört werden; ebenso Mandane, welche,
wie mir soeben auf's Bestimmteste versichert wurde, die
oberste Dienerin der Aegypterin ist."

"Hole sie, Datis!"

"Wenn man endlich Nitetis selbst --"

Bei diesen Worten des Atheners erbleichte der König,
und ein leiser Frost überflog seine Glieder. Wie gern
hätte er die Geliebte wiedergesehn! Aber der Gewaltige
fürchtete sich vor den bestrickenden oder vorwurfsvollen
Blicken dieses Weibes; darum rief er, nach der Thür
weisend, Datis zu: "Geh' und hole Boges und Mandane;

„Mein König iſt die Leuchte der Welt und ein Ocean
der Gnade!“

„Bartja und ſeine Freunde ſollen nicht länger ein-
geſchloſſen bleiben. Sie mögen ſich, von euch be-
wacht, im Palaſthofe ergehn; Du, Datis, begibſt Dich
ſogleich zu den hängenden Gärten und befiehlſt Boges,
die Vollſtreckung des Urtheils an der Aegypterin auf-
zuſchieben. Ferner ſoll zu dem von dem Athener be-
zeichneten Stationshauſe geſchickt und der dort liegende
Verwundete unter ſicherer Bedeckung hierher gebracht
werden.“

Das Auge des Königs wollte gehn; Phanes hielt
ihn aber zurück und fragte: „Geſtattet mir mein König
eine Bemerkung?“

„Rede!“

„Es ſcheint mir, als könnte uns der Eunuchenoberſt
die ſicherſte Auskunft geben. Der phantaſirende Jüngling
ſprach den Namen desſelben oftmals in Verbindung mit
dem ſeiner Liebſten aus.“

„Eile, Datis, und führe Boges ſofort hierher.“

„Auch der Oberprieſter Oropaſtes muß, als Bruder
des Gaumata, verhört werden; ebenſo Mandane, welche,
wie mir ſoeben auf’s Beſtimmteſte verſichert wurde, die
oberſte Dienerin der Aegypterin iſt.“

„Hole ſie, Datis!“

„Wenn man endlich Nitetis ſelbſt —“

Bei dieſen Worten des Atheners erbleichte der König,
und ein leiſer Froſt überflog ſeine Glieder. Wie gern
hätte er die Geliebte wiedergeſehn! Aber der Gewaltige
fürchtete ſich vor den beſtrickenden oder vorwurfsvollen
Blicken dieſes Weibes; darum rief er, nach der Thür
weiſend, Datis zu: „Geh’ und hole Boges und Mandane;

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[219/0221] „Mein König iſt die Leuchte der Welt und ein Ocean der Gnade!“ „Bartja und ſeine Freunde ſollen nicht länger ein- geſchloſſen bleiben. Sie mögen ſich, von euch be- wacht, im Palaſthofe ergehn; Du, Datis, begibſt Dich ſogleich zu den hängenden Gärten und befiehlſt Boges, die Vollſtreckung des Urtheils an der Aegypterin auf- zuſchieben. Ferner ſoll zu dem von dem Athener be- zeichneten Stationshauſe geſchickt und der dort liegende Verwundete unter ſicherer Bedeckung hierher gebracht werden.“ Das Auge des Königs wollte gehn; Phanes hielt ihn aber zurück und fragte: „Geſtattet mir mein König eine Bemerkung?“ „Rede!“ „Es ſcheint mir, als könnte uns der Eunuchenoberſt die ſicherſte Auskunft geben. Der phantaſirende Jüngling ſprach den Namen desſelben oftmals in Verbindung mit dem ſeiner Liebſten aus.“ „Eile, Datis, und führe Boges ſofort hierher.“ „Auch der Oberprieſter Oropaſtes muß, als Bruder des Gaumata, verhört werden; ebenſo Mandane, welche, wie mir ſoeben auf’s Beſtimmteſte verſichert wurde, die oberſte Dienerin der Aegypterin iſt.“ „Hole ſie, Datis!“ „Wenn man endlich Nitetis ſelbſt —“ Bei dieſen Worten des Atheners erbleichte der König, und ein leiſer Froſt überflog ſeine Glieder. Wie gern hätte er die Geliebte wiedergeſehn! Aber der Gewaltige fürchtete ſich vor den beſtrickenden oder vorwurfsvollen Blicken dieſes Weibes; darum rief er, nach der Thür weiſend, Datis zu: „Geh’ und hole Boges und Mandane;

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/221>, abgerufen am 26.04.2024.