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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864.

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"Jch habe Dir, aber Dir allein, etwas Wichtiges
zu sagen. Morgen hoffe ich Dich vielleicht bei Deiner
Mutter zu sprechen. Es liegt in Deiner Hand, ein ar-
mes, liebendes Herz zu trösten und demselben vor seinem
Verlöschen einen glücklichen Augenblick zu gewähren. Jch
habe Dir viel und Trauriges zu erzählen und wiederhole
Dir, daß ich Dich bald sprechen muß."

Das verzweifelte Gelächter ihres Sohnes schnitt der
Mutter in's Herz. Sie beugte sich über denselben und
wollte sein Angesicht küssen; Kambyses aber wehrte ihren
Liebkosungen und sagte: "Es ist eine zweifelhafte Ehre, zu
Deinen Lieblingen zu gehören. Bartja hat sich von der
Verrätherin nicht zweimal rufen lassen und sich mit falschen
Schwüren entehrt. Seine Freunde, die Blüte unsrer
Jugend, haben sich für ihn mit unauslöschlicher Schande
bedeckt und Deine ,geliebteste Tochter' ist durch ihn ....
Aber nein, Bartja hat an der Verderbniß dieses Unholds,
der die Gestalt einer Peri trägt, keine Schuld. Aus Heu-
chelei, Lüge und Trug bestand ihr Leben; ihr Tod soll
euch beweisen, daß ich zu strafen verstehe. Jetzt verlaßt
mich, denn ich muß allein sein."

Kaum hatten sich die Anwesenden entfernt, als Kam-
byses aufsprang und wie ein Rasender umherlief, bis der
heilige Vogel Parodar *) den Tag erweckte. Als die
Sonne aufgegangen war, legte er sich wiederum auf sein
Lager und versank in einen der Erstarrung ähnlichen
Schlaf.



*) Siehe Anmerkung 94 des II. Theils.

„Jch habe Dir, aber Dir allein, etwas Wichtiges
zu ſagen. Morgen hoffe ich Dich vielleicht bei Deiner
Mutter zu ſprechen. Es liegt in Deiner Hand, ein ar-
mes, liebendes Herz zu tröſten und demſelben vor ſeinem
Verlöſchen einen glücklichen Augenblick zu gewähren. Jch
habe Dir viel und Trauriges zu erzählen und wiederhole
Dir, daß ich Dich bald ſprechen muß.“

Das verzweifelte Gelächter ihres Sohnes ſchnitt der
Mutter in’s Herz. Sie beugte ſich über denſelben und
wollte ſein Angeſicht küſſen; Kambyſes aber wehrte ihren
Liebkoſungen und ſagte: „Es iſt eine zweifelhafte Ehre, zu
Deinen Lieblingen zu gehören. Bartja hat ſich von der
Verrätherin nicht zweimal rufen laſſen und ſich mit falſchen
Schwüren entehrt. Seine Freunde, die Blüte unſrer
Jugend, haben ſich für ihn mit unauslöſchlicher Schande
bedeckt und Deine ‚geliebteſte Tochter‘ iſt durch ihn ....
Aber nein, Bartja hat an der Verderbniß dieſes Unholds,
der die Geſtalt einer Peri trägt, keine Schuld. Aus Heu-
chelei, Lüge und Trug beſtand ihr Leben; ihr Tod ſoll
euch beweiſen, daß ich zu ſtrafen verſtehe. Jetzt verlaßt
mich, denn ich muß allein ſein.“

Kaum hatten ſich die Anweſenden entfernt, als Kam-
byſes aufſprang und wie ein Raſender umherlief, bis der
heilige Vogel Parôdar *) den Tag erweckte. Als die
Sonne aufgegangen war, legte er ſich wiederum auf ſein
Lager und verſank in einen der Erſtarrung ähnlichen
Schlaf.



*) Siehe Anmerkung 94 des II. Theils.
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[169/0171] „Jch habe Dir, aber Dir allein, etwas Wichtiges zu ſagen. Morgen hoffe ich Dich vielleicht bei Deiner Mutter zu ſprechen. Es liegt in Deiner Hand, ein ar- mes, liebendes Herz zu tröſten und demſelben vor ſeinem Verlöſchen einen glücklichen Augenblick zu gewähren. Jch habe Dir viel und Trauriges zu erzählen und wiederhole Dir, daß ich Dich bald ſprechen muß.“ Das verzweifelte Gelächter ihres Sohnes ſchnitt der Mutter in’s Herz. Sie beugte ſich über denſelben und wollte ſein Angeſicht küſſen; Kambyſes aber wehrte ihren Liebkoſungen und ſagte: „Es iſt eine zweifelhafte Ehre, zu Deinen Lieblingen zu gehören. Bartja hat ſich von der Verrätherin nicht zweimal rufen laſſen und ſich mit falſchen Schwüren entehrt. Seine Freunde, die Blüte unſrer Jugend, haben ſich für ihn mit unauslöſchlicher Schande bedeckt und Deine ‚geliebteſte Tochter‘ iſt durch ihn .... Aber nein, Bartja hat an der Verderbniß dieſes Unholds, der die Geſtalt einer Peri trägt, keine Schuld. Aus Heu- chelei, Lüge und Trug beſtand ihr Leben; ihr Tod ſoll euch beweiſen, daß ich zu ſtrafen verſtehe. Jetzt verlaßt mich, denn ich muß allein ſein.“ Kaum hatten ſich die Anweſenden entfernt, als Kam- byſes aufſprang und wie ein Raſender umherlief, bis der heilige Vogel Parôdar *) den Tag erweckte. Als die Sonne aufgegangen war, legte er ſich wiederum auf ſein Lager und verſank in einen der Erſtarrung ähnlichen Schlaf. *) Siehe Anmerkung 94 des II. Theils.

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 2. Stuttgart, 1864, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter02_1864/171>, abgerufen am 26.04.2024.