Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.Die Maienblumen. Die Maienblumen.
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Zu der holden Frühlings Zeit ging ich in den grünen Wald, Zu dem Tempel der Natur, stiller Andacht Aufenthalt, Jn dem Ehrfurchtsvollen Dun- keln mein Gemüte zu erquikken, Und die holden Maienblumen zum Vergnügen abzupflükken. Jch fand ihre weisse Pracht, die aus dem beschilften Grün Zwar in tiefer Niedrigkeit, doch mir sehr erweklich, schien. Jch brach sie von ihren Stengeln, mit wollriechenden Gebüschen, Woraus süsse Dünste steigen, Lung und Herze zu erfrischen. Als ich einen dikken Straus in ein kleines Band ge- bracht, Setzt ich mich auf einen Stamm und besahe mit Bedacht, Dieser Blumen nette Formen, die an zarten Sten- geln prangen, Und wie lauter kleine Glokken, in gezierter Ründe hangen. Es gefiel mir die Gestalt und gedachte auch dabei, Daß ein grün Gebüsch mit Recht, schon vorlängst genennet sei, Der Natur geweihter Tempel; weil hier ebenfals die Glokken, Uns den Schöpfer zu verehren; zwar durch keinen Schall anlokken, Doch Erster Theil. L
Die Maienblumen. Die Maienblumen.
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Zu der holden Fruͤhlings Zeit ging ich in den gruͤnen Wald, Zu dem Tempel der Natur, ſtiller Andacht Aufenthalt, Jn dem Ehrfurchtsvollen Dun- keln mein Gemuͤte zu erquikken, Und die holden Maienblumen zum Vergnuͤgen abzupfluͤkken. Jch fand ihre weiſſe Pracht, die aus dem beſchilften Gruͤn Zwar in tiefer Niedrigkeit, doch mir ſehr erweklich, ſchien. Jch brach ſie von ihren Stengeln, mit wollriechenden Gebuͤſchen, Woraus ſuͤſſe Duͤnſte ſteigen, Lung und Herze zu erfriſchen. Als ich einen dikken Straus in ein kleines Band ge- bracht, Setzt ich mich auf einen Stamm und beſahe mit Bedacht, Dieſer Blumen nette Formen, die an zarten Sten- geln prangen, Und wie lauter kleine Glokken, in gezierter Ruͤnde hangen. Es gefiel mir die Geſtalt und gedachte auch dabei, Daß ein gruͤn Gebuͤſch mit Recht, ſchon vorlaͤngſt genennet ſei, Der Natur geweihter Tempel; weil hier ebenfals die Glokken, Uns den Schoͤpfer zu verehren; zwar durch keinen Schall anlokken, Doch Erſter Theil. L
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Die Maienblumen.
Die Maienblumen.
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Zu der holden Fruͤhlings Zeit ging ich
in den gruͤnen Wald,
Zu dem Tempel der Natur, ſtiller
Andacht Aufenthalt,
Jn dem Ehrfurchtsvollen Dun-
keln mein Gemuͤte zu erquikken,
Und die holden Maienblumen zum
Vergnuͤgen abzupfluͤkken.
Jch fand ihre weiſſe Pracht, die aus
dem beſchilften Gruͤn
Zwar in tiefer Niedrigkeit, doch mir ſehr erweklich,
ſchien.
Jch brach ſie von ihren Stengeln, mit wollriechenden
Gebuͤſchen,
Woraus ſuͤſſe Duͤnſte ſteigen, Lung und Herze zu
erfriſchen.
Als ich einen dikken Straus in ein kleines Band ge-
bracht,
Setzt ich mich auf einen Stamm und beſahe mit
Bedacht,
Dieſer Blumen nette Formen, die an zarten Sten-
geln prangen,
Und wie lauter kleine Glokken, in gezierter Ruͤnde
hangen.
Es gefiel mir die Geſtalt und gedachte auch dabei,
Daß ein gruͤn Gebuͤſch mit Recht, ſchon vorlaͤngſt
genennet ſei,
Der Natur geweihter Tempel; weil hier ebenfals
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Uns den Schoͤpfer zu verehren; zwar durch keinen
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Doch
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