Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
7. Die Liliaceen.

Zwei ganz verschiedene Ableitungen stehen sich hier
gegenüber: die Bestimmung fossiler Blütenpflanzen aus
Blättern und mangelhaften Fruchtresten, welche unsicher
ist, und die aus der Pflanzengeographie in Verbindung
mit einer summarischen Kenntnis paläontologischer Be-
funde abgeleitete Anschauung von Florenentwickelung,
welche trügerisch sein kann. Fallen beide Ableitungen
zu demselben Resultat zusammen, so ist man geneigt,
dasselbe als gesichert zu betrachten; ersteht ein Wider-
spruch zwischen beiden, so tritt das Unsichere in beider
Grundlagen um so deutlicher hervor. Doch liegt es im
Interesse der Forschung, die Frage lieber als offen zu
betrachten, weil dieser Zustand zum Aufsuchen exakterer
Gründe und Beweismaterien Veranlassung gibt.

7. Die Liliaceen.

S. Watson, Contributions to american botany, in Proceedings
of the American Academy of arts and sc. XIV. (1879) S. 285. --
Engler in Natürl. Pflanzenfamilien II, T. 5, S. 16. -- Grisebach,
Veget. d. Erde Bd. II, S. 210 (Xanthorrhoea).

Die Liliaceen zählen 200 Gattungen und das Zehn-
fache an Arten (vielleicht 2300), verbreitet vom hohen
Norden bis zu den australen Gebieten südwärts herab.
Die überwiegende Zahl ihrer Formen bildet ausdauernde
Kräuter mit kriechendem, fleischigem oder in Zwiebeln
umgebildetem Wurzelstock, mit saftig-frischen, jährlich
sich erneuernden Blättern; andere sind Holzpflanzen (die
Dracänen- und Xantorrhöengruppe) mit kurzem dicken
Stamm und schmalen immergrünen Blättern; andere end-
lich entwickeln als Schutz gegen Dürre dickfleischige und
ausdauernde Blätter (Aloe).

Dieser Mannigfaltigkeit der Vegetationsorgane mag
es zuzuschreiben sein, dass die Liliaceen in sehr ver-
schiedenen Klimaten sich heimisch gemacht und oft zu
seltsamen, wenigstens dem Europäer fremdartigen Cha-
raktertypen geführt haben. Sie scheuen den hohen Norden
nicht: Lloydia serotina ist im Taimyrlande von Midden-

7. Die Liliaceen.

Zwei ganz verschiedene Ableitungen stehen sich hier
gegenüber: die Bestimmung fossiler Blütenpflanzen aus
Blättern und mangelhaften Fruchtresten, welche unsicher
ist, und die aus der Pflanzengeographie in Verbindung
mit einer summarischen Kenntnis paläontologischer Be-
funde abgeleitete Anschauung von Florenentwickelung,
welche trügerisch sein kann. Fallen beide Ableitungen
zu demselben Resultat zusammen, so ist man geneigt,
dasselbe als gesichert zu betrachten; ersteht ein Wider-
spruch zwischen beiden, so tritt das Unsichere in beider
Grundlagen um so deutlicher hervor. Doch liegt es im
Interesse der Forschung, die Frage lieber als offen zu
betrachten, weil dieser Zustand zum Aufsuchen exakterer
Gründe und Beweismaterien Veranlassung gibt.

7. Die Liliaceen.

S. Watson, Contributions to american botany, in Proceedings
of the American Academy of arts and sc. XIV. (1879) S. 285. —
Engler in Natürl. Pflanzenfamilien II, T. 5, S. 16. — Grisebach,
Veget. d. Erde Bd. II, S. 210 (Xanthorrhoea).

Die Liliaceen zählen 200 Gattungen und das Zehn-
fache an Arten (vielleicht 2300), verbreitet vom hohen
Norden bis zu den australen Gebieten südwärts herab.
Die überwiegende Zahl ihrer Formen bildet ausdauernde
Kräuter mit kriechendem, fleischigem oder in Zwiebeln
umgebildetem Wurzelstock, mit saftig-frischen, jährlich
sich erneuernden Blättern; andere sind Holzpflanzen (die
Dracänen- und Xantorrhöengruppe) mit kurzem dicken
Stamm und schmalen immergrünen Blättern; andere end-
lich entwickeln als Schutz gegen Dürre dickfleischige und
ausdauernde Blätter (Aloë).

Dieser Mannigfaltigkeit der Vegetationsorgane mag
es zuzuschreiben sein, dass die Liliaceen in sehr ver-
schiedenen Klimaten sich heimisch gemacht und oft zu
seltsamen, wenigstens dem Europäer fremdartigen Cha-
raktertypen geführt haben. Sie scheuen den hohen Norden
nicht: Lloydia serotina ist im Taimyrlande von Midden-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0236" n="206"/>
          <fw place="top" type="header">7. Die Liliaceen.</fw><lb/>
          <p>Zwei ganz verschiedene Ableitungen stehen sich hier<lb/>
gegenüber: die Bestimmung fossiler Blütenpflanzen aus<lb/>
Blättern und mangelhaften Fruchtresten, welche unsicher<lb/>
ist, und die aus der Pflanzengeographie in Verbindung<lb/>
mit einer summarischen Kenntnis paläontologischer Be-<lb/>
funde abgeleitete Anschauung von Florenentwickelung,<lb/>
welche trügerisch sein kann. Fallen beide Ableitungen<lb/>
zu demselben Resultat zusammen, so ist man geneigt,<lb/>
dasselbe als gesichert zu betrachten; ersteht ein Wider-<lb/>
spruch zwischen beiden, so tritt das Unsichere in beider<lb/>
Grundlagen um so deutlicher hervor. Doch liegt es im<lb/>
Interesse der Forschung, die Frage lieber als offen zu<lb/>
betrachten, weil dieser Zustand zum Aufsuchen exakterer<lb/>
Gründe und Beweismaterien Veranlassung gibt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">7. Die Liliaceen.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#i">S. Watson,</hi> Contributions to american botany, in Proceedings<lb/>
of the American Academy of arts and sc. XIV. (1879) S. 285. &#x2014;<lb/><hi rendition="#i">Engler</hi> in Natürl. Pflanzenfamilien II, T. 5, S. 16. &#x2014; <hi rendition="#i">Grisebach,</hi><lb/>
Veget. d. Erde Bd. II, S. 210 (Xanthorrhoea).</p><lb/>
          <p>Die Liliaceen zählen 200 Gattungen und das Zehn-<lb/>
fache an Arten (vielleicht 2300), verbreitet vom hohen<lb/>
Norden bis zu den australen Gebieten südwärts herab.<lb/>
Die überwiegende Zahl ihrer Formen bildet ausdauernde<lb/>
Kräuter mit kriechendem, fleischigem oder in Zwiebeln<lb/>
umgebildetem Wurzelstock, mit saftig-frischen, jährlich<lb/>
sich erneuernden Blättern; andere sind Holzpflanzen (die<lb/>
Dracänen- und Xantorrhöengruppe) mit kurzem dicken<lb/>
Stamm und schmalen immergrünen Blättern; andere end-<lb/>
lich entwickeln als Schutz gegen Dürre dickfleischige und<lb/>
ausdauernde Blätter (<hi rendition="#i">Aloë</hi>).</p><lb/>
          <p>Dieser Mannigfaltigkeit der Vegetationsorgane mag<lb/>
es zuzuschreiben sein, dass die Liliaceen in sehr ver-<lb/>
schiedenen Klimaten sich heimisch gemacht und oft zu<lb/>
seltsamen, wenigstens dem Europäer fremdartigen Cha-<lb/>
raktertypen geführt haben. Sie scheuen den hohen Norden<lb/>
nicht: <hi rendition="#i">Lloydia serotina</hi> ist im Taimyrlande von Midden-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0236] 7. Die Liliaceen. Zwei ganz verschiedene Ableitungen stehen sich hier gegenüber: die Bestimmung fossiler Blütenpflanzen aus Blättern und mangelhaften Fruchtresten, welche unsicher ist, und die aus der Pflanzengeographie in Verbindung mit einer summarischen Kenntnis paläontologischer Be- funde abgeleitete Anschauung von Florenentwickelung, welche trügerisch sein kann. Fallen beide Ableitungen zu demselben Resultat zusammen, so ist man geneigt, dasselbe als gesichert zu betrachten; ersteht ein Wider- spruch zwischen beiden, so tritt das Unsichere in beider Grundlagen um so deutlicher hervor. Doch liegt es im Interesse der Forschung, die Frage lieber als offen zu betrachten, weil dieser Zustand zum Aufsuchen exakterer Gründe und Beweismaterien Veranlassung gibt. 7. Die Liliaceen. S. Watson, Contributions to american botany, in Proceedings of the American Academy of arts and sc. XIV. (1879) S. 285. — Engler in Natürl. Pflanzenfamilien II, T. 5, S. 16. — Grisebach, Veget. d. Erde Bd. II, S. 210 (Xanthorrhoea). Die Liliaceen zählen 200 Gattungen und das Zehn- fache an Arten (vielleicht 2300), verbreitet vom hohen Norden bis zu den australen Gebieten südwärts herab. Die überwiegende Zahl ihrer Formen bildet ausdauernde Kräuter mit kriechendem, fleischigem oder in Zwiebeln umgebildetem Wurzelstock, mit saftig-frischen, jährlich sich erneuernden Blättern; andere sind Holzpflanzen (die Dracänen- und Xantorrhöengruppe) mit kurzem dicken Stamm und schmalen immergrünen Blättern; andere end- lich entwickeln als Schutz gegen Dürre dickfleischige und ausdauernde Blätter (Aloë). Dieser Mannigfaltigkeit der Vegetationsorgane mag es zuzuschreiben sein, dass die Liliaceen in sehr ver- schiedenen Klimaten sich heimisch gemacht und oft zu seltsamen, wenigstens dem Europäer fremdartigen Cha- raktertypen geführt haben. Sie scheuen den hohen Norden nicht: Lloydia serotina ist im Taimyrlande von Midden-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/236
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/236>, abgerufen am 22.12.2024.