Fünftes Kapitel. Der Babylonisch-Persische Feldzug.
Stets ist das stolze Recht des Sieges der Sieg eines höheren Rechtes; der Heldenkraft des geschichtlichen Berufes gegenüber wird die Ohnmacht persönlicher Tugenden und ererbter Rechte offen- bar; die geschichtliche Größe, die höchste Herrlichkeit des Men- schengeistes, ist mächtiger als Recht und Gesetz, als Tugend und Pflicht, als Raum und Zeit; sie siegt, so lange sie wagt, kämpft, zerstört, so lange dem Helden der That der Held des Leides ent- gegen ist; erliegt dieser, so ist der Sieger Erbe des Leides, das er verschuldet; des Zerstörens müde, der Gefahren frei, ohne Feind und Wunsch, beginnt er zu gründen auf der Zerstörung und seinen Thron zu bauen aus den Trümmern alter Rechte und Erinnerun- gen; die Stufen seines stolzen Thrones sind Furcht, Haß und Verrath.
Die Nemesis der Geschichte, so gerecht gegen die Größe, scheint in großen Zeiten die Ohnmacht desto bitterer zu verfolgen, je mehr sie in ererbtem Recht und persönlicher Güte Anspruch auf Ruhe und Verehrung, auf das Glück des Friedens und der Häuslich- keit vereint. So Darius dem Macedonischen Eroberer gegenüber; treu, ernst und milde, ein Muster der Ehrerbietung gegen seine Mutter, der Liebe und Herzlichkeit gegen seine Gemahlin und seine Kinder, den Persern einst so werth wegen seines königlichen Sinnes, seiner rit- terlichen Tap[f]erkeit, seiner Gerechtigkeit, für ruhige Zeiten ein Kö- nig, wie ihn die Throne Asiens selten sehen, ward er von dem Strome der Begebenheiten ergriffen, dem zu entgehen, zu wider- stehen vielleicht einem Ochus oder Cambyses gelungen wäre, ward
Fünftes Kapitel. Der Babyloniſch-Perſiſche Feldzug.
Stets iſt das ſtolze Recht des Sieges der Sieg eines höheren Rechtes; der Heldenkraft des geſchichtlichen Berufes gegenüber wird die Ohnmacht perſönlicher Tugenden und ererbter Rechte offen- bar; die geſchichtliche Größe, die höchſte Herrlichkeit des Men- ſchengeiſtes, iſt mächtiger als Recht und Geſetz, als Tugend und Pflicht, als Raum und Zeit; ſie ſiegt, ſo lange ſie wagt, kämpft, zerſtört, ſo lange dem Helden der That der Held des Leides ent- gegen iſt; erliegt dieſer, ſo iſt der Sieger Erbe des Leides, das er verſchuldet; des Zerſtörens müde, der Gefahren frei, ohne Feind und Wunſch, beginnt er zu gründen auf der Zerſtörung und ſeinen Thron zu bauen aus den Trümmern alter Rechte und Erinnerun- gen; die Stufen ſeines ſtolzen Thrones ſind Furcht, Haß und Verrath.
Die Nemeſis der Geſchichte, ſo gerecht gegen die Größe, ſcheint in großen Zeiten die Ohnmacht deſto bitterer zu verfolgen, je mehr ſie in ererbtem Recht und perſönlicher Güte Anſpruch auf Ruhe und Verehrung, auf das Glück des Friedens und der Häuslich- keit vereint. So Darius dem Macedoniſchen Eroberer gegenüber; treu, ernſt und milde, ein Muſter der Ehrerbietung gegen ſeine Mutter, der Liebe und Herzlichkeit gegen ſeine Gemahlin und ſeine Kinder, den Perſern einſt ſo werth wegen ſeines königlichen Sinnes, ſeiner rit- terlichen Tap[f]erkeit, ſeiner Gerechtigkeit, für ruhige Zeiten ein Kö- nig, wie ihn die Throne Aſiens ſelten ſehen, ward er von dem Strome der Begebenheiten ergriffen, dem zu entgehen, zu wider- ſtehen vielleicht einem Ochus oder Cambyſes gelungen wäre, ward
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Fünftes Kapitel.
Der Babyloniſch-Perſiſche Feldzug.
Stets iſt das ſtolze Recht des Sieges der Sieg eines höheren
Rechtes; der Heldenkraft des geſchichtlichen Berufes gegenüber
wird die Ohnmacht perſönlicher Tugenden und ererbter Rechte offen-
bar; die geſchichtliche Größe, die höchſte Herrlichkeit des Men-
ſchengeiſtes, iſt mächtiger als Recht und Geſetz, als Tugend und
Pflicht, als Raum und Zeit; ſie ſiegt, ſo lange ſie wagt, kämpft,
zerſtört, ſo lange dem Helden der That der Held des Leides ent-
gegen iſt; erliegt dieſer, ſo iſt der Sieger Erbe des Leides, das
er verſchuldet; des Zerſtörens müde, der Gefahren frei, ohne Feind
und Wunſch, beginnt er zu gründen auf der Zerſtörung und ſeinen
Thron zu bauen aus den Trümmern alter Rechte und Erinnerun-
gen; die Stufen ſeines ſtolzen Thrones ſind Furcht, Haß und
Verrath.
Die Nemeſis der Geſchichte, ſo gerecht gegen die Größe,
ſcheint in großen Zeiten die Ohnmacht deſto bitterer zu verfolgen,
je mehr ſie in ererbtem Recht und perſönlicher Güte Anſpruch auf
Ruhe und Verehrung, auf das Glück des Friedens und der Häuslich-
keit vereint. So Darius dem Macedoniſchen Eroberer gegenüber; treu,
ernſt und milde, ein Muſter der Ehrerbietung gegen ſeine Mutter,
der Liebe und Herzlichkeit gegen ſeine Gemahlin und ſeine Kinder, den
Perſern einſt ſo werth wegen ſeines königlichen Sinnes, ſeiner rit-
terlichen Tapferkeit, ſeiner Gerechtigkeit, für ruhige Zeiten ein Kö-
nig, wie ihn die Throne Aſiens ſelten ſehen, ward er von dem
Strome der Begebenheiten ergriffen, dem zu entgehen, zu wider-
ſtehen vielleicht einem Ochus oder Cambyſes gelungen wäre, ward
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. [205]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/219>, abgerufen am 30.12.2024.
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