Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Der Nachtwandler. Siehst du das Haus an dem Gehäge nicht? Die Dämmrung sinkt, laßt uns vorübereilen, Bald hebt der Vollmond sein gespenstig Licht, Dann ist nicht gut in jener Nähe weilen; Hier schwebt kein Spuck den Buchengang hinauf, Kein Räuber paßt im finstern Schuppen auf, Ein Bürgerhaus, ein bürgerlich Beginnen, Es wohnt ein Krämer, wohnen Diener drinnen. Alt ist der Herr, wie alt, man weiß es kaum, Er liebt es nicht, im Kirchenbuch zu lesen; Ihm lebt' ein Weib vor vieler Jahre Raum, Er hatt' ein Kind, das ist nun lang gewesen; Man sagt, er habe ihr den Arzt versagt, Mit schlechter Kost zu Tod das Kind geplagt; Was sagt man nicht, um Leute zu verdammen, Wo sich das Gold in Haufen rollt zusammen. Der Nachtwandler. Siehſt du das Haus an dem Gehäge nicht? Die Dämmrung ſinkt, laßt uns vorübereilen, Bald hebt der Vollmond ſein geſpenſtig Licht, Dann iſt nicht gut in jener Nähe weilen; Hier ſchwebt kein Spuck den Buchengang hinauf, Kein Räuber paßt im finſtern Schuppen auf, Ein Bürgerhaus, ein bürgerlich Beginnen, Es wohnt ein Krämer, wohnen Diener drinnen. Alt iſt der Herr, wie alt, man weiß es kaum, Er liebt es nicht, im Kirchenbuch zu leſen; Ihm lebt’ ein Weib vor vieler Jahre Raum, Er hatt’ ein Kind, das iſt nun lang geweſen; Man ſagt, er habe ihr den Arzt verſagt, Mit ſchlechter Koſt zu Tod das Kind geplagt; Was ſagt man nicht, um Leute zu verdammen, Wo ſich das Gold in Haufen rollt zuſammen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0088" n="72"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Nachtwandler.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">S</hi>iehſt du das Haus an dem Gehäge nicht?</l><lb/> <l>Die Dämmrung ſinkt, laßt uns vorübereilen,</l><lb/> <l>Bald hebt der Vollmond ſein geſpenſtig Licht,</l><lb/> <l>Dann iſt nicht gut in jener Nähe weilen;</l><lb/> <l>Hier ſchwebt kein Spuck den Buchengang hinauf,</l><lb/> <l>Kein Räuber paßt im finſtern Schuppen auf,</l><lb/> <l>Ein Bürgerhaus, ein bürgerlich Beginnen,</l><lb/> <l>Es wohnt ein Krämer, wohnen Diener drinnen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Alt iſt der Herr, wie alt, man weiß es kaum,</l><lb/> <l>Er liebt es nicht, im Kirchenbuch zu leſen;</l><lb/> <l>Ihm lebt’ ein Weib vor vieler Jahre Raum,</l><lb/> <l>Er hatt’ ein Kind, das iſt nun lang geweſen;</l><lb/> <l>Man ſagt, er habe ihr den Arzt verſagt,</l><lb/> <l>Mit ſchlechter Koſt zu Tod das Kind geplagt;</l><lb/> <l>Was ſagt man nicht, um Leute zu verdammen,</l><lb/> <l>Wo ſich das Gold in Haufen rollt zuſammen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0088]
Der Nachtwandler.
Siehſt du das Haus an dem Gehäge nicht?
Die Dämmrung ſinkt, laßt uns vorübereilen,
Bald hebt der Vollmond ſein geſpenſtig Licht,
Dann iſt nicht gut in jener Nähe weilen;
Hier ſchwebt kein Spuck den Buchengang hinauf,
Kein Räuber paßt im finſtern Schuppen auf,
Ein Bürgerhaus, ein bürgerlich Beginnen,
Es wohnt ein Krämer, wohnen Diener drinnen.
Alt iſt der Herr, wie alt, man weiß es kaum,
Er liebt es nicht, im Kirchenbuch zu leſen;
Ihm lebt’ ein Weib vor vieler Jahre Raum,
Er hatt’ ein Kind, das iſt nun lang geweſen;
Man ſagt, er habe ihr den Arzt verſagt,
Mit ſchlechter Koſt zu Tod das Kind geplagt;
Was ſagt man nicht, um Leute zu verdammen,
Wo ſich das Gold in Haufen rollt zuſammen.
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