Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.O einen Strahl der Himmelsau, Mein Gott, dem Zagenden und Blinden! Wie soll er Ziel und Acker finden? Wie Lüfte messen und den Thau? Allmächt'ger, der das Wort geschenkt, Doch seine Zukunft uns verhalten, Woll' selber deiner Gabe walten, Durch deinen Hauch sei sie gelenkt! Richte den Pfeil dem Ziele zu, Nähre das Körnlein schlummertrunken! Erstick' ihn oder fach' den Funken! Denn was da frommt, das weißt nur du. Halt fest! Halt fest den Freund, den einmal du erworben, Er läßt dir keine Stätte für das Neue; Läßt, wie das Haus, in dem ein Leib gestorben, Unrein das Herz, wo modert eine Treue; O einen Strahl der Himmelsau, Mein Gott, dem Zagenden und Blinden! Wie ſoll er Ziel und Acker finden? Wie Lüfte meſſen und den Thau? Allmächt’ger, der das Wort geſchenkt, Doch ſeine Zukunft uns verhalten, Woll’ ſelber deiner Gabe walten, Durch deinen Hauch ſei ſie gelenkt! Richte den Pfeil dem Ziele zu, Nähre das Körnlein ſchlummertrunken! Erſtick’ ihn oder fach’ den Funken! Denn was da frommt, das weißt nur du. Halt feſt! Halt feſt den Freund, den einmal du erworben, Er läßt dir keine Stätte für das Neue; Läßt, wie das Haus, in dem ein Leib geſtorben, Unrein das Herz, wo modert eine Treue; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0018" n="2"/> <lg n="5"> <l>O einen Strahl der Himmelsau,</l><lb/> <l>Mein Gott, dem Zagenden und Blinden!</l><lb/> <l>Wie ſoll er Ziel und Acker finden?</l><lb/> <l>Wie Lüfte meſſen und den Thau?</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Allmächt’ger, der das Wort geſchenkt,</l><lb/> <l>Doch ſeine Zukunft uns verhalten,</l><lb/> <l>Woll’ ſelber deiner Gabe walten,</l><lb/> <l>Durch deinen Hauch ſei ſie gelenkt!</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Richte den Pfeil dem Ziele zu,</l><lb/> <l>Nähre das Körnlein ſchlummertrunken!</l><lb/> <l>Erſtick’ ihn oder fach’ den Funken!</l><lb/> <l>Denn was da frommt, das weißt nur du.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Halt feſt</hi>!</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>alt feſt den Freund, den einmal du erworben,</l><lb/> <l>Er läßt dir keine Stätte für das Neue;</l><lb/> <l>Läßt, wie das Haus, in dem ein Leib geſtorben,</l><lb/> <l>Unrein das Herz, wo modert eine Treue;</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0018]
O einen Strahl der Himmelsau,
Mein Gott, dem Zagenden und Blinden!
Wie ſoll er Ziel und Acker finden?
Wie Lüfte meſſen und den Thau?
Allmächt’ger, der das Wort geſchenkt,
Doch ſeine Zukunft uns verhalten,
Woll’ ſelber deiner Gabe walten,
Durch deinen Hauch ſei ſie gelenkt!
Richte den Pfeil dem Ziele zu,
Nähre das Körnlein ſchlummertrunken!
Erſtick’ ihn oder fach’ den Funken!
Denn was da frommt, das weißt nur du.
Halt feſt!
Halt feſt den Freund, den einmal du erworben,
Er läßt dir keine Stätte für das Neue;
Läßt, wie das Haus, in dem ein Leib geſtorben,
Unrein das Herz, wo modert eine Treue;
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