Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Unaussprechlich. Die Nachtigall in den Kampf sich gab Mit der Lerche, der schwebenden Stimme, Daß ihre Reize besängen sie Und all ihre süße Geberde; Doch die Nachtigallen reihten sich Und die Lerchen, wie Perlenschnüre, All' lagen sie todt in Gras und Strauch, Verhaucht im süßen Gesange. Unbeschreiblich. Dreitausend Schreiber auf Teppichen saßen Und rührten den Bart mit der Feder; Sie schrieben, schrieben so manchen Tag, Daß grau geworden die Bärte, Daß trüb geworden die Augen längst Und längst erkrummet die Finger; Wer aber, was sie geschrieben lies't, Und lies't das, was sie geschrieben, Der spricht: es ist ein Schatten wohl, Oder ist es der Schatten des Schattens. Unausſprechlich. Die Nachtigall in den Kampf ſich gab Mit der Lerche, der ſchwebenden Stimme, Daß ihre Reize beſängen ſie Und all ihre ſüße Geberde; Doch die Nachtigallen reihten ſich Und die Lerchen, wie Perlenſchnüre, All’ lagen ſie todt in Gras und Strauch, Verhaucht im ſüßen Geſange. Unbeſchreiblich. Dreitauſend Schreiber auf Teppichen ſaßen Und rührten den Bart mit der Feder; Sie ſchrieben, ſchrieben ſo manchen Tag, Daß grau geworden die Bärte, Daß trüb geworden die Augen längſt Und längſt erkrummet die Finger; Wer aber, was ſie geſchrieben lieſ’t, Und lieſ’t das, was ſie geſchrieben, Der ſpricht: es iſt ein Schatten wohl, Oder iſt es der Schatten des Schattens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="140"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Unausſprechlich</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Nachtigall in den Kampf ſich gab</l><lb/> <l>Mit der Lerche, der ſchwebenden Stimme,</l><lb/> <l>Daß ihre Reize beſängen ſie</l><lb/> <l>Und all ihre ſüße Geberde;</l><lb/> <l>Doch die Nachtigallen reihten ſich</l><lb/> <l>Und die Lerchen, wie Perlenſchnüre,</l><lb/> <l>All’ lagen ſie todt in Gras und Strauch,</l><lb/> <l>Verhaucht im ſüßen Geſange.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Unbeſchreiblich</hi>.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>reitauſend Schreiber auf Teppichen ſaßen</l><lb/> <l>Und rührten den Bart mit der Feder;</l><lb/> <l>Sie ſchrieben, ſchrieben ſo manchen Tag,</l><lb/> <l>Daß grau geworden die Bärte,</l><lb/> <l>Daß trüb geworden die Augen längſt</l><lb/> <l>Und längſt erkrummet die Finger;</l><lb/> <l>Wer aber, was ſie geſchrieben lieſ’t,</l><lb/> <l>Und lieſ’t das, was ſie geſchrieben,</l><lb/> <l>Der ſpricht: es iſt ein Schatten wohl,</l><lb/> <l>Oder iſt es der Schatten des Schattens.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [140/0156]
Unausſprechlich.
Die Nachtigall in den Kampf ſich gab
Mit der Lerche, der ſchwebenden Stimme,
Daß ihre Reize beſängen ſie
Und all ihre ſüße Geberde;
Doch die Nachtigallen reihten ſich
Und die Lerchen, wie Perlenſchnüre,
All’ lagen ſie todt in Gras und Strauch,
Verhaucht im ſüßen Geſange.
Unbeſchreiblich.
Dreitauſend Schreiber auf Teppichen ſaßen
Und rührten den Bart mit der Feder;
Sie ſchrieben, ſchrieben ſo manchen Tag,
Daß grau geworden die Bärte,
Daß trüb geworden die Augen längſt
Und längſt erkrummet die Finger;
Wer aber, was ſie geſchrieben lieſ’t,
Und lieſ’t das, was ſie geſchrieben,
Der ſpricht: es iſt ein Schatten wohl,
Oder iſt es der Schatten des Schattens.
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