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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Der Schloßelf.
In monderhellten Weihers Glanz
Liegt brütend wie ein Wasserdrach'
Das Schloß mit seinem Zackenkranz,
Mit Zinnenmoos und Schuppendach.
Die alten Eichen stehn von fern,
Respektvoll flüsternd mit den Wellen,
Wie eine graue Garde gern
Sich mag um graue Herrscher stellen.
Am Thore schwenkt, ein Steinkoloß,
Der Pannerherr die Kreuzesfahn,
Und courbettirend schnaubt sein Roß
Jahrhunderte schon himmelan;
Und neben ihm, ein Tantalus,
Lechzt seit Jahrhunderten sein Docke
Gesenkten Halses nach dem Fluß,
Im dürren Schlunde Mooses Flocke.
Ob längst die Mitternacht verklang,
Im Schlosse bleibt es immer wach;
Streiflichter gleiten rasch entlang
Den Corridor und das Gemach,
Zuweilen durch des Hofes Raum
Ein hüpfendes Laternchen ziehet;
Dann horcht der Wandrer, der am Saum
Des Weihers in den Binsen knieet.
Der Schloßelf.
In monderhellten Weihers Glanz
Liegt brütend wie ein Waſſerdrach'
Das Schloß mit ſeinem Zackenkranz,
Mit Zinnenmoos und Schuppendach.
Die alten Eichen ſtehn von fern,
Reſpektvoll flüſternd mit den Wellen,
Wie eine graue Garde gern
Sich mag um graue Herrſcher ſtellen.
Am Thore ſchwenkt, ein Steinkoloß,
Der Pannerherr die Kreuzesfahn,
Und courbettirend ſchnaubt ſein Roß
Jahrhunderte ſchon himmelan;
Und neben ihm, ein Tantalus,
Lechzt ſeit Jahrhunderten ſein Docke
Geſenkten Halſes nach dem Fluß,
Im dürren Schlunde Mooſes Flocke.
Ob längſt die Mitternacht verklang,
Im Schloſſe bleibt es immer wach;
Streiflichter gleiten raſch entlang
Den Corridor und das Gemach,
Zuweilen durch des Hofes Raum
Ein hüpfendes Laternchen ziehet;
Dann horcht der Wandrer, der am Saum
Des Weihers in den Binſen knieet.
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[357/0371] Der Schloßelf. In monderhellten Weihers Glanz Liegt brütend wie ein Waſſerdrach' Das Schloß mit ſeinem Zackenkranz, Mit Zinnenmoos und Schuppendach. Die alten Eichen ſtehn von fern, Reſpektvoll flüſternd mit den Wellen, Wie eine graue Garde gern Sich mag um graue Herrſcher ſtellen. Am Thore ſchwenkt, ein Steinkoloß, Der Pannerherr die Kreuzesfahn, Und courbettirend ſchnaubt ſein Roß Jahrhunderte ſchon himmelan; Und neben ihm, ein Tantalus, Lechzt ſeit Jahrhunderten ſein Docke Geſenkten Halſes nach dem Fluß, Im dürren Schlunde Mooſes Flocke. Ob längſt die Mitternacht verklang, Im Schloſſe bleibt es immer wach; Streiflichter gleiten raſch entlang Den Corridor und das Gemach, Zuweilen durch des Hofes Raum Ein hüpfendes Laternchen ziehet; Dann horcht der Wandrer, der am Saum Des Weihers in den Binſen knieet.

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/371>, abgerufen am 21.12.2024.