Am dürren Baum, im fetten Wiesengras Ein Stier behaglich wiederkäut' den Fraß; Auf niederm Ast ein wunder Adler saß, Ein kranker Aar mit gebrochnen Schwingen.
"Steig' auf, mein Vogel, in die blaue Luft, Ich schau dir nach aus meinem Kräuterduft." -- "Weh, weh, umsonst die Sonne ruft Den kranken Aar mit gebrochnen Schwingen!" --
"O Vogel, warst so stolz und freventlich Und wolltest keine Fessel ewiglich!" -- "Weh, weh, zu Viele über mich, Und Adler all, -- brachen mir die Schwingen!"
"So flattre in dein Nest, vom Aste fort, Dein Aechzen schier die Kräuter mir verdorrt." "Weh, weh, kein Nest hab' ich hinfort, Verbannter Aar mit gebrochnen Schwingen!"
"O Vogel, wärst du eine Henne doch, Dein Nestchen hättest du, im Ofenloch." "Weh, weh, viel lieber ein Adler noch, Viel lieber ein Aar mit gebrochnen Schwingen!"
Der kranke Aar.
Am dürren Baum, im fetten Wieſengras Ein Stier behaglich wiederkäut' den Fraß; Auf niederm Aſt ein wunder Adler ſaß, Ein kranker Aar mit gebrochnen Schwingen.
„Steig' auf, mein Vogel, in die blaue Luft, Ich ſchau dir nach aus meinem Kräuterduft.“ — „Weh, weh, umſonſt die Sonne ruft Den kranken Aar mit gebrochnen Schwingen!“ —
„O Vogel, warſt ſo ſtolz und freventlich Und wollteſt keine Feſſel ewiglich!“ — „Weh, weh, zu Viele über mich, Und Adler all, — brachen mir die Schwingen!“
„So flattre in dein Neſt, vom Aſte fort, Dein Aechzen ſchier die Kräuter mir verdorrt.“ „Weh, weh, kein Neſt hab' ich hinfort, Verbannter Aar mit gebrochnen Schwingen!“
„O Vogel, wärſt du eine Henne doch, Dein Neſtchen hätteſt du, im Ofenloch.“ „Weh, weh, viel lieber ein Adler noch, Viel lieber ein Aar mit gebrochnen Schwingen!“
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Der kranke Aar.
Am dürren Baum, im fetten Wieſengras
Ein Stier behaglich wiederkäut' den Fraß;
Auf niederm Aſt ein wunder Adler ſaß,
Ein kranker Aar mit gebrochnen Schwingen.
„Steig' auf, mein Vogel, in die blaue Luft,
Ich ſchau dir nach aus meinem Kräuterduft.“ —
„Weh, weh, umſonſt die Sonne ruft
Den kranken Aar mit gebrochnen Schwingen!“ —
„O Vogel, warſt ſo ſtolz und freventlich
Und wollteſt keine Feſſel ewiglich!“ —
„Weh, weh, zu Viele über mich,
Und Adler all, — brachen mir die Schwingen!“
„So flattre in dein Neſt, vom Aſte fort,
Dein Aechzen ſchier die Kräuter mir verdorrt.“
„Weh, weh, kein Neſt hab' ich hinfort,
Verbannter Aar mit gebrochnen Schwingen!“
„O Vogel, wärſt du eine Henne doch,
Dein Neſtchen hätteſt du, im Ofenloch.“
„Weh, weh, viel lieber ein Adler noch,
Viel lieber ein Aar mit gebrochnen Schwingen!“
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/208>, abgerufen am 21.12.2024.
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