Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.Winter. Aus Schneegestäub' und Nebelqualm Bricht endlich doch ein klarer Tag; Da fliegen alle Fenster auf, Ein Jeder späht, was er vermag. Ob jene Blöcke Häuser sind? Ein Weiher jener ebne Raum? Fürwahr, in dieser Uniform Den Glockenthurm erkennt man kaum; Und alles Leben liegt zerdrückt, Wie unterm Leichentuch erstickt. Doch schau! an Horizontes Rand Begegnet mir lebend'ges Land. Du starrer Wächter, lass' ihn los Den Föhn aus deiner Kerker Schooß! Wo schwärzlich jene Riffe spalten, Da muß er Quarantaine halten, Der Fremdling aus der Lombardei; O Säntis, gib den Thauwind frei! Winter. Aus Schneegeſtäub' und Nebelqualm Bricht endlich doch ein klarer Tag; Da fliegen alle Fenſter auf, Ein Jeder ſpäht, was er vermag. Ob jene Blöcke Häuſer ſind? Ein Weiher jener ebne Raum? Fürwahr, in dieſer Uniform Den Glockenthurm erkennt man kaum; Und alles Leben liegt zerdrückt, Wie unterm Leichentuch erſtickt. Doch ſchau! an Horizontes Rand Begegnet mir lebend'ges Land. Du ſtarrer Wächter, laſſ' ihn los Den Föhn aus deiner Kerker Schooß! Wo ſchwärzlich jene Riffe ſpalten, Da muß er Quarantaine halten, Der Fremdling aus der Lombardei; O Säntis, gib den Thauwind frei! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0121" n="107"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Winter.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Aus Schneegeſtäub' und Nebelqualm</l><lb/> <l>Bricht endlich doch ein klarer Tag;</l><lb/> <l>Da fliegen alle Fenſter auf,</l><lb/> <l>Ein Jeder ſpäht, was er vermag.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ob jene Blöcke Häuſer ſind?</l><lb/> <l>Ein Weiher jener ebne Raum?</l><lb/> <l>Fürwahr, in dieſer Uniform</l><lb/> <l>Den Glockenthurm erkennt man kaum;</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Und alles Leben liegt zerdrückt,</l><lb/> <l>Wie unterm Leichentuch erſtickt.</l><lb/> <l>Doch ſchau! an Horizontes Rand</l><lb/> <l>Begegnet mir lebend'ges Land.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Du ſtarrer Wächter, laſſ' ihn los</l><lb/> <l>Den Föhn aus deiner Kerker Schooß!</l><lb/> <l>Wo ſchwärzlich jene Riffe ſpalten,</l><lb/> <l>Da muß er Quarantaine halten,</l><lb/> <l>Der Fremdling aus der Lombardei;</l><lb/> <l>O Säntis, gib den Thauwind frei!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [107/0121]
Winter.
Aus Schneegeſtäub' und Nebelqualm
Bricht endlich doch ein klarer Tag;
Da fliegen alle Fenſter auf,
Ein Jeder ſpäht, was er vermag.
Ob jene Blöcke Häuſer ſind?
Ein Weiher jener ebne Raum?
Fürwahr, in dieſer Uniform
Den Glockenthurm erkennt man kaum;
Und alles Leben liegt zerdrückt,
Wie unterm Leichentuch erſtickt.
Doch ſchau! an Horizontes Rand
Begegnet mir lebend'ges Land.
Du ſtarrer Wächter, laſſ' ihn los
Den Föhn aus deiner Kerker Schooß!
Wo ſchwärzlich jene Riffe ſpalten,
Da muß er Quarantaine halten,
Der Fremdling aus der Lombardei;
O Säntis, gib den Thauwind frei!
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/121>, abgerufen am 22.02.2025. |