Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom verlohrnen Sohn.
tantzet haben/ würde er wol Gnade erlanget haben? ja einen Strick an den
Hals. Nun man sagts genug/ wer ihme nicht wil rathen lassen/ der
mag den Werth daran nehmen/ es wird eine metanoia folgen sine miseri-
cordia,
eine Reu ohne Barmhertzigkeit/ die Nachwitz wird als dann
zu spat seyn. Nun der hohe und erhabene GOtt/ der ewiglich
wohnet/ dessen Name heilig ist/ der in der Höhe und Heiligthum
wohnet/ und bey denen/ so zuschlagenes und demütiges Geistes
sind: Gott der H. Geist wolle unsere eiß-kalte Hertzen anhauchen/
daß sie zerschmeltzen/ und anwehen die Berge/ daß es thaue. Christus
wolle uns anschauen/ daß wir mit Petro bitterlich weinen/ und mit Au-
gustino
beten: Domine da mihi irriguum superius & irriguum infe-
rius, ut sint mihi lacrymae meae panes die ac nocte,
HErr gib mir
ein wässeriges Unten und Oben/ daß meine Thränen seyen
meine Speise Tag und Nacht. Daß wir hie mit Thränen säen/
und dort mit Freuden ernden/ auff das Ejulate das himmlische Jubilate,
auff das Kyrie eleison das himmlische Alleluja anstimmen mögen.
Amen.



Die Eilffte Predigt/
Von der Beicht des verlohrnen Sohns.

GEliebte im HErrn. Ein klares Exempel menschlicher
Unart und Vergleisterung des Bösen stellet uns Moses
der uhralte Historicus für Augen/ Gen. 37. da er meldet/
welcher massen die treulose und leichtfertige Brüder Jo-
sephs- nach dem sie denselben den Midianitern um 20. Sil-
berling verkaufft/ ihre Boßheit vor ihrem Vater bemän-
telt; sie nahmen/ berichtet Moses/ Josephs Rock/ und tunckten ihn
in eines geschlachteten Ziegenbocks Blut/ schickten den bunten
Rock hin/ und liessen ihn ihrem Vater bringen/ und sagen: die-
sen haben wir funden/ siehe/ obs deines Sohns Rock sey oder
nicht?

Hierauß erscheinet 1. Conscientiae morsus, ihr beissendes böses
Gewissen/ das verwundet war. Dann warum bringen sie den Rock
nicht selbs? warum schicken sie ihn durch fremde Händ? Es war ihnen

nicht

Vom verlohrnen Sohn.
tantzet haben/ wuͤrde er wol Gnade erlanget haben? ja einen Strick an den
Hals. Nun man ſagts genug/ wer ihme nicht wil rathen laſſen/ der
mag den Werth daran nehmen/ es wird eine μετάνοια folgen ſine miſeri-
cordia,
eine Reu ohne Barmhertzigkeit/ die Nachwitz wird als dann
zu ſpat ſeyn. Nun der hohe und erhabene GOtt/ der ewiglich
wohnet/ deſſen Name heilig iſt/ der in der Hoͤhe und Heiligthum
wohnet/ und bey denen/ ſo zuſchlagenes und demuͤtiges Geiſtes
ſind: Gott der H. Geiſt wolle unſere eiß-kalte Hertzen anhauchen/
daß ſie zerſchmeltzen/ und anwehen die Berge/ daß es thaue. Chriſtus
wolle uns anſchauen/ daß wir mit Petro bitterlich weinen/ und mit Au-
guſtino
beten: Domine da mihi irriguum ſuperius & irriguum infe-
rius, ut ſint mihi lacrymæ meæ panes die ac nocte,
HErꝛ gib mir
ein waͤſſeriges Unten und Oben/ daß meine Thraͤnen ſeyen
meine Speiſe Tag und Nacht. Daß wir hie mit Thraͤnen ſaͤen/
und dort mit Freuden ernden/ auff das Ejulate das himmliſche Jubilate,
auff das Kyrie eleiſon das himmliſche Alleluja anſtimmen moͤgen.
Amen.



Die Eilffte Predigt/
Von der Beicht des verlohrnen Sohns.

GEliebte im HErꝛn. Ein klares Exempel menſchlicher
Unart und Vergleiſterung des Boͤſen ſtellet uns Moſes
der uhralte Hiſtoricus fuͤr Augen/ Gen. 37. da er meldet/
welcher maſſen die treuloſe und leichtfertige Bruͤder Jo-
ſephs- nach dem ſie denſelben den Midianitern um 20. Sil-
berling verkaufft/ ihre Boßheit vor ihrem Vater bemaͤn-
telt; ſie nahmen/ berichtet Moſes/ Joſephs Rock/ und tunckten ihn
in eines geſchlachteten Ziegenbocks Blut/ ſchickten den bunten
Rock hin/ und lieſſen ihn ihrem Vater bringen/ und ſagen: die-
ſen haben wir funden/ ſiehe/ obs deines Sohns Rock ſey oder
nicht?

Hierauß erſcheinet 1. Conſcientiæ morſus, ihr beiſſendes boͤſes
Gewiſſen/ das verwundet war. Dann warum bringen ſie den Rock
nicht ſelbs? warum ſchicken ſie ihn durch fremde Haͤnd? Es war ihnen

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="87"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom verlohrnen Sohn.</hi></fw><lb/>
tantzet haben/ wu&#x0364;rde er wol Gnade erlanget haben? ja einen Strick an den<lb/>
Hals. Nun man &#x017F;agts genug/ wer ihme nicht wil rathen la&#x017F;&#x017F;en/ der<lb/>
mag den Werth daran nehmen/ es wird eine &#x03BC;&#x03B5;&#x03C4;&#x03AC;&#x03BD;&#x03BF;&#x03B9;&#x03B1; folgen <hi rendition="#aq">&#x017F;ine mi&#x017F;eri-<lb/>
cordia,</hi> eine Reu ohne Barmhertzigkeit/ die Nachwitz wird als dann<lb/>
zu &#x017F;pat &#x017F;eyn. Nun der hohe und erhabene GOtt/ der ewiglich<lb/>
wohnet/ de&#x017F;&#x017F;en Name heilig i&#x017F;t/ der in der Ho&#x0364;he und Heiligthum<lb/>
wohnet/ und bey denen/ &#x017F;o zu&#x017F;chlagenes und demu&#x0364;tiges Gei&#x017F;tes<lb/>
&#x017F;ind: <hi rendition="#k">Gott</hi> der H. Gei&#x017F;t wolle un&#x017F;ere eiß-kalte Hertzen anhauchen/<lb/>
daß &#x017F;ie zer&#x017F;chmeltzen/ und anwehen die Berge/ daß es thaue. Chri&#x017F;tus<lb/>
wolle uns an&#x017F;chauen/ daß wir mit Petro bitterlich weinen/ und mit <hi rendition="#aq">Au-<lb/>
gu&#x017F;tino</hi> beten: <hi rendition="#aq">Domine da mihi irriguum &#x017F;uperius &amp; irriguum infe-<lb/>
rius, ut &#x017F;int mihi lacrymæ meæ panes die ac nocte,</hi> HEr&#xA75B; gib mir<lb/>
ein wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;eriges Unten und Oben/ daß meine Thra&#x0364;nen &#x017F;eyen<lb/>
meine Spei&#x017F;e Tag und Nacht. Daß wir hie mit Thra&#x0364;nen &#x017F;a&#x0364;en/<lb/>
und dort mit Freuden ernden/ auff das <hi rendition="#aq">Ejulate</hi> das himmli&#x017F;che <hi rendition="#aq">Jubilate,</hi><lb/>
auff das <hi rendition="#aq">Kyrie elei&#x017F;on</hi> das himmli&#x017F;che Alleluja an&#x017F;timmen mo&#x0364;gen.<lb/>
Amen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Die Eilffte Predigt/<lb/><hi rendition="#b">Von der Beicht des verlohrnen Sohns.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">G</hi>Eliebte im HEr&#xA75B;n. Ein klares Exempel men&#x017F;chlicher<lb/>
Unart und Verglei&#x017F;terung des Bo&#x0364;&#x017F;en &#x017F;tellet uns Mo&#x017F;es<lb/>
der uhralte <hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toricus</hi> fu&#x0364;r Augen/ <hi rendition="#aq">Gen.</hi> 37. da er meldet/<lb/>
welcher ma&#x017F;&#x017F;en die treulo&#x017F;e und leichtfertige Bru&#x0364;der Jo-<lb/>
&#x017F;ephs- nach dem &#x017F;ie den&#x017F;elben den Midianitern um 20. Sil-<lb/>
berling verkaufft/ ihre Boßheit vor ihrem Vater bema&#x0364;n-<lb/>
telt; &#x017F;ie nahmen/ berichtet Mo&#x017F;es/ Jo&#x017F;ephs Rock/ und tunckten ihn<lb/>
in eines ge&#x017F;chlachteten Ziegenbocks Blut/ &#x017F;chickten den bunten<lb/>
Rock hin/ und lie&#x017F;&#x017F;en ihn ihrem Vater bringen/ und &#x017F;agen: die-<lb/>
&#x017F;en haben wir funden/ &#x017F;iehe/ obs deines Sohns Rock &#x017F;ey oder<lb/>
nicht<hi rendition="#fr">?</hi></p><lb/>
          <p>Hierauß er&#x017F;cheinet 1. <hi rendition="#aq">Con&#x017F;cientiæ mor&#x017F;us,</hi> ihr bei&#x017F;&#x017F;endes bo&#x0364;&#x017F;es<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en/ das verwundet war. Dann warum bringen &#x017F;ie den Rock<lb/>
nicht &#x017F;elbs? warum &#x017F;chicken &#x017F;ie ihn durch fremde Ha&#x0364;nd? Es war ihnen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0105] Vom verlohrnen Sohn. tantzet haben/ wuͤrde er wol Gnade erlanget haben? ja einen Strick an den Hals. Nun man ſagts genug/ wer ihme nicht wil rathen laſſen/ der mag den Werth daran nehmen/ es wird eine μετάνοια folgen ſine miſeri- cordia, eine Reu ohne Barmhertzigkeit/ die Nachwitz wird als dann zu ſpat ſeyn. Nun der hohe und erhabene GOtt/ der ewiglich wohnet/ deſſen Name heilig iſt/ der in der Hoͤhe und Heiligthum wohnet/ und bey denen/ ſo zuſchlagenes und demuͤtiges Geiſtes ſind: Gott der H. Geiſt wolle unſere eiß-kalte Hertzen anhauchen/ daß ſie zerſchmeltzen/ und anwehen die Berge/ daß es thaue. Chriſtus wolle uns anſchauen/ daß wir mit Petro bitterlich weinen/ und mit Au- guſtino beten: Domine da mihi irriguum ſuperius & irriguum infe- rius, ut ſint mihi lacrymæ meæ panes die ac nocte, HErꝛ gib mir ein waͤſſeriges Unten und Oben/ daß meine Thraͤnen ſeyen meine Speiſe Tag und Nacht. Daß wir hie mit Thraͤnen ſaͤen/ und dort mit Freuden ernden/ auff das Ejulate das himmliſche Jubilate, auff das Kyrie eleiſon das himmliſche Alleluja anſtimmen moͤgen. Amen. Die Eilffte Predigt/ Von der Beicht des verlohrnen Sohns. GEliebte im HErꝛn. Ein klares Exempel menſchlicher Unart und Vergleiſterung des Boͤſen ſtellet uns Moſes der uhralte Hiſtoricus fuͤr Augen/ Gen. 37. da er meldet/ welcher maſſen die treuloſe und leichtfertige Bruͤder Jo- ſephs- nach dem ſie denſelben den Midianitern um 20. Sil- berling verkaufft/ ihre Boßheit vor ihrem Vater bemaͤn- telt; ſie nahmen/ berichtet Moſes/ Joſephs Rock/ und tunckten ihn in eines geſchlachteten Ziegenbocks Blut/ ſchickten den bunten Rock hin/ und lieſſen ihn ihrem Vater bringen/ und ſagen: die- ſen haben wir funden/ ſiehe/ obs deines Sohns Rock ſey oder nicht? Hierauß erſcheinet 1. Conſcientiæ morſus, ihr beiſſendes boͤſes Gewiſſen/ das verwundet war. Dann warum bringen ſie den Rock nicht ſelbs? warum ſchicken ſie ihn durch fremde Haͤnd? Es war ihnen nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/105
Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/105>, abgerufen am 21.12.2024.