Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.Drittes Capitel. nicht mehr möglichen Volksversammlung, und als die Ge-meinfreiheit endlich wieder zur Staatsgeltung durchbrach durch die ihr vom Lehne gezogenen Schranken, da begehrte sie selber einer Volksversammlung nicht mehr, sondern trat aus Städten, deren Stolz das vom Alterthum geschmähte Handwerk war, durch Abgeordnete heran; ja auch als dem Bauer der Tag der Freiheit wieder leuchtete, ihm, der die schwerste Last der Staatsbildung getragen, war er es wohl zufrieden, sich dem Staate durch ein erwähltes Mitglied seiner Landgemeinde darzustellen. 71. Das Volk der Celten hatte seine große Zeit schon Aristokratie von England. 72. England hat die stärksten Mischungen seiner Be- Drittes Capitel. nicht mehr moͤglichen Volksverſammlung, und als die Ge-meinfreiheit endlich wieder zur Staatsgeltung durchbrach durch die ihr vom Lehne gezogenen Schranken, da begehrte ſie ſelber einer Volksverſammlung nicht mehr, ſondern trat aus Staͤdten, deren Stolz das vom Alterthum geſchmaͤhte Handwerk war, durch Abgeordnete heran; ja auch als dem Bauer der Tag der Freiheit wieder leuchtete, ihm, der die ſchwerſte Laſt der Staatsbildung getragen, war er es wohl zufrieden, ſich dem Staate durch ein erwaͤhltes Mitglied ſeiner Landgemeinde darzuſtellen. 71. Das Volk der Celten hatte ſeine große Zeit ſchon Ariſtokratie von England. 72. England hat die ſtaͤrkſten Miſchungen ſeiner Be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0066" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> nicht mehr moͤglichen Volksverſammlung, und als die Ge-<lb/> meinfreiheit endlich wieder zur Staatsgeltung durchbrach<lb/> durch die ihr vom Lehne gezogenen Schranken, da begehrte<lb/> ſie ſelber einer Volksverſammlung nicht mehr, ſondern trat<lb/> aus Staͤdten, deren Stolz das vom Alterthum geſchmaͤhte<lb/> Handwerk war, durch Abgeordnete heran; ja auch als dem<lb/> Bauer der Tag der Freiheit wieder leuchtete, ihm, der die<lb/> ſchwerſte Laſt der Staatsbildung getragen, war er es wohl<lb/> zufrieden, ſich dem Staate durch ein erwaͤhltes Mitglied<lb/> ſeiner Landgemeinde darzuſtellen.</p><lb/> <p>71. Das Volk der Celten hatte ſeine große Zeit ſchon<lb/> gehabt, als die Germaniſche anfing, und ſein Familienleben<lb/> war von jeher zerriſſen und unedler. Das Germaniſche<lb/> Volksleben ſteht nicht bloß an ſittlicher Tiefe und Vielge-<lb/> ſtaltigkeit dem des Alterthums voran, es hat bei dieſer<lb/> Fuͤlle der nebeneinander gepflegten Formen des Daſeyns<lb/> auch der zur Einheit durchbildenden Kraft, welche dem<lb/> Ganzen ſeine Friſche und Bedeutung verbuͤrgt, nicht uͤberall<lb/> ermangelt. Davon giebt England das Zeugniß, deſſen<lb/> ehrwuͤrdiger Verfaſſungsbau uͤberall die Hand der Jahr-<lb/> hunderte an ſich traͤgt, und das, ſo oft Veraltung auch<lb/> ſchon drohte, doch immer die Staats-Jugend wiederzuge-<lb/> winnen weiß. Zwei Punkte ſind es, welche hier beſondere<lb/> Aufmerkſamkeit verdienen: die Stellung der Engliſchen<lb/> Ariſtokratie und der Organismus ſeines Parlaments.</p><lb/> <div n="4"> <head><hi rendition="#g">Ariſtokratie von England</hi>.</head><lb/> <p>72. England hat die ſtaͤrkſten Miſchungen ſeiner Be-<lb/> voͤlkerung erlitten und uͤberwunden, nicht durch Zuwande-<lb/> rungen, wie Athen und Rom, ſondern durch eine ganze<lb/> Folge uͤberſtandener Eroberungen. Celtiſche Britannier,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0066]
Drittes Capitel.
nicht mehr moͤglichen Volksverſammlung, und als die Ge-
meinfreiheit endlich wieder zur Staatsgeltung durchbrach
durch die ihr vom Lehne gezogenen Schranken, da begehrte
ſie ſelber einer Volksverſammlung nicht mehr, ſondern trat
aus Staͤdten, deren Stolz das vom Alterthum geſchmaͤhte
Handwerk war, durch Abgeordnete heran; ja auch als dem
Bauer der Tag der Freiheit wieder leuchtete, ihm, der die
ſchwerſte Laſt der Staatsbildung getragen, war er es wohl
zufrieden, ſich dem Staate durch ein erwaͤhltes Mitglied
ſeiner Landgemeinde darzuſtellen.
71. Das Volk der Celten hatte ſeine große Zeit ſchon
gehabt, als die Germaniſche anfing, und ſein Familienleben
war von jeher zerriſſen und unedler. Das Germaniſche
Volksleben ſteht nicht bloß an ſittlicher Tiefe und Vielge-
ſtaltigkeit dem des Alterthums voran, es hat bei dieſer
Fuͤlle der nebeneinander gepflegten Formen des Daſeyns
auch der zur Einheit durchbildenden Kraft, welche dem
Ganzen ſeine Friſche und Bedeutung verbuͤrgt, nicht uͤberall
ermangelt. Davon giebt England das Zeugniß, deſſen
ehrwuͤrdiger Verfaſſungsbau uͤberall die Hand der Jahr-
hunderte an ſich traͤgt, und das, ſo oft Veraltung auch
ſchon drohte, doch immer die Staats-Jugend wiederzuge-
winnen weiß. Zwei Punkte ſind es, welche hier beſondere
Aufmerkſamkeit verdienen: die Stellung der Engliſchen
Ariſtokratie und der Organismus ſeines Parlaments.
Ariſtokratie von England.
72. England hat die ſtaͤrkſten Miſchungen ſeiner Be-
voͤlkerung erlitten und uͤberwunden, nicht durch Zuwande-
rungen, wie Athen und Rom, ſondern durch eine ganze
Folge uͤberſtandener Eroberungen. Celtiſche Britannier,
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