Dreizehntes Capitel. Vom Unterrichte der Unerwachsenen, oder vom Schulwesen.
269. Reich kann ein Mensch den andern unbedingt machen, aber nur bedingt ihn bilden. Das Maas der Bil- dung wird vom Lebensalter, der Anlage und der Lebens- lage vorgeschrieben. Man möchte jeden Zögling lehren was gerade für ihn wissenswürdig ist, denn jedes Blatt am Baume der Menschheit hat seinen eigenthümlichen Zu- schnitt; weil aber eine Unterrichtsanstalt sich Vielen zugleich widmen soll, so geschieht was thunlich ist, wenn sie sich in Classen theilt. Das Übrige leistet die allgemeine Classifi- cation der Unterrichtsanstalten, welche gelehrte und Bür- ger-Schulen unterscheidet. Sie nehmen das ganze Schul- alter des Staats, das will sagen mindestens den siebten Theil der Bevölkerung auf, enthalten mithin auch den Elementarunterricht. Begreifen alle Schulen den Knaben unbequem unter der allgemeinen Bildungs-Regel, der Staat wird es künftig noch unsanfter thun; die Erziehung aber, welche ihm ungebeten seine Mitschüler ertheilen, weckt die jugendliche Tüchtigkeit durch Widerstand und Wetteifer, daß sie sich Platz machen lerne im Gedränge der Mitwelt, wäh- rend sie ihm keine häusliche Verzärtelung, keinen Unter- schied der Geburt und der Glücksgüter zu Gute hält.
270. Die Aufgabe der gelehrten Schulen ist nicht, Ge- lehrte zu bilden, wohl aber durch Kenntnisse, gelehrt ge- nug um auf den Grund der menschlichen Bildung zu drin- gen, Richtung und Mittel an die Hand zu geben, sey's für den künftigen Gelehrten, sey's zu den gelehrte Vorbil-
Dreizehntes Capitel.
Dreizehntes Capitel. Vom Unterrichte der Unerwachſenen, oder vom Schulweſen.
269. Reich kann ein Menſch den andern unbedingt machen, aber nur bedingt ihn bilden. Das Maas der Bil- dung wird vom Lebensalter, der Anlage und der Lebens- lage vorgeſchrieben. Man moͤchte jeden Zoͤgling lehren was gerade fuͤr ihn wiſſenswuͤrdig iſt, denn jedes Blatt am Baume der Menſchheit hat ſeinen eigenthuͤmlichen Zu- ſchnitt; weil aber eine Unterrichtsanſtalt ſich Vielen zugleich widmen ſoll, ſo geſchieht was thunlich iſt, wenn ſie ſich in Claſſen theilt. Das Übrige leiſtet die allgemeine Claſſifi- cation der Unterrichtsanſtalten, welche gelehrte und Buͤr- ger-Schulen unterſcheidet. Sie nehmen das ganze Schul- alter des Staats, das will ſagen mindeſtens den ſiebten Theil der Bevoͤlkerung auf, enthalten mithin auch den Elementarunterricht. Begreifen alle Schulen den Knaben unbequem unter der allgemeinen Bildungs-Regel, der Staat wird es kuͤnftig noch unſanfter thun; die Erziehung aber, welche ihm ungebeten ſeine Mitſchuͤler ertheilen, weckt die jugendliche Tuͤchtigkeit durch Widerſtand und Wetteifer, daß ſie ſich Platz machen lerne im Gedraͤnge der Mitwelt, waͤh- rend ſie ihm keine haͤusliche Verzaͤrtelung, keinen Unter- ſchied der Geburt und der Gluͤcksguͤter zu Gute haͤlt.
270. Die Aufgabe der gelehrten Schulen iſt nicht, Ge- lehrte zu bilden, wohl aber durch Kenntniſſe, gelehrt ge- nug um auf den Grund der menſchlichen Bildung zu drin- gen, Richtung und Mittel an die Hand zu geben, ſey’s fuͤr den kuͤnftigen Gelehrten, ſey’s zu den gelehrte Vorbil-
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Dreizehntes Capitel.
Dreizehntes Capitel.
Vom Unterrichte der Unerwachſenen, oder vom
Schulweſen.
269. Reich kann ein Menſch den andern unbedingt
machen, aber nur bedingt ihn bilden. Das Maas der Bil-
dung wird vom Lebensalter, der Anlage und der Lebens-
lage vorgeſchrieben. Man moͤchte jeden Zoͤgling lehren was
gerade fuͤr ihn wiſſenswuͤrdig iſt, denn jedes Blatt am
Baume der Menſchheit hat ſeinen eigenthuͤmlichen Zu-
ſchnitt; weil aber eine Unterrichtsanſtalt ſich Vielen zugleich
widmen ſoll, ſo geſchieht was thunlich iſt, wenn ſie ſich in
Claſſen theilt. Das Übrige leiſtet die allgemeine Claſſifi-
cation der Unterrichtsanſtalten, welche gelehrte und Buͤr-
ger-Schulen unterſcheidet. Sie nehmen das ganze Schul-
alter des Staats, das will ſagen mindeſtens den ſiebten
Theil der Bevoͤlkerung auf, enthalten mithin auch den
Elementarunterricht. Begreifen alle Schulen den Knaben
unbequem unter der allgemeinen Bildungs-Regel, der Staat
wird es kuͤnftig noch unſanfter thun; die Erziehung aber,
welche ihm ungebeten ſeine Mitſchuͤler ertheilen, weckt die
jugendliche Tuͤchtigkeit durch Widerſtand und Wetteifer, daß
ſie ſich Platz machen lerne im Gedraͤnge der Mitwelt, waͤh-
rend ſie ihm keine haͤusliche Verzaͤrtelung, keinen Unter-
ſchied der Geburt und der Gluͤcksguͤter zu Gute haͤlt.
270. Die Aufgabe der gelehrten Schulen iſt nicht, Ge-
lehrte zu bilden, wohl aber durch Kenntniſſe, gelehrt ge-
nug um auf den Grund der menſchlichen Bildung zu drin-
gen, Richtung und Mittel an die Hand zu geben, ſey’s
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/280>, abgerufen am 16.07.2024.
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