Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
1. Die Verhältnisse.

Es sind nicht mehr als siebzig Jahre seit der sechzehnte
Ludwig den Thron seiner Väter bestieg, und noch leben
hie und da Menschen, welche sich der Zeit entsinnen, da
er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber
eine Kunst gäbe die Weltgeschichte nach Erfahrungen aus-
zumessen, so lägen viele Jahrhunderte zwischen ihm und
uns, zwischen seinem Märtyrerthum und wohl auch dem
unsrigen. Unsere Jugend hat ganz Recht, wenn sie von
ihren Alten verlangt, sie sollen ihr diese schwierige Zeit
auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen sie selber in
den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre
gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert
seyn, wo die düster verworrenen Trümmerhaufen zurück-
treten vor den ernsten Grundzügen eines Neubaues der
Geschichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter
Wehgeschrei zur Welt bringt. Wer auf diesem Pfade sich
irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und
halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen sollte, Ereignisse

1*
1. Die Verhaͤltniſſe.

Es ſind nicht mehr als ſiebzig Jahre ſeit der ſechzehnte
Ludwig den Thron ſeiner Väter beſtieg, und noch leben
hie und da Menſchen, welche ſich der Zeit entſinnen, da
er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber
eine Kunſt gäbe die Weltgeſchichte nach Erfahrungen aus-
zumeſſen, ſo lägen viele Jahrhunderte zwiſchen ihm und
uns, zwiſchen ſeinem Märtyrerthum und wohl auch dem
unſrigen. Unſere Jugend hat ganz Recht, wenn ſie von
ihren Alten verlangt, ſie ſollen ihr dieſe ſchwierige Zeit
auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen ſie ſelber in
den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre
gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert
ſeyn, wo die düſter verworrenen Trümmerhaufen zurück-
treten vor den ernſten Grundzügen eines Neubaues der
Geſchichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter
Wehgeſchrei zur Welt bringt. Wer auf dieſem Pfade ſich
irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und
halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen ſollte, Ereigniſſe

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0013" n="[3]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">1. <hi rendition="#g">Die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Es &#x017F;ind nicht mehr als &#x017F;iebzig Jahre &#x017F;eit der &#x017F;echzehnte<lb/>
Ludwig den Thron &#x017F;einer Väter be&#x017F;tieg, und noch leben<lb/>
hie und da Men&#x017F;chen, welche &#x017F;ich der Zeit ent&#x017F;innen, da<lb/>
er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber<lb/>
eine Kun&#x017F;t gäbe die Weltge&#x017F;chichte nach Erfahrungen aus-<lb/>
zume&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o lägen viele Jahrhunderte zwi&#x017F;chen ihm und<lb/>
uns, zwi&#x017F;chen &#x017F;einem Märtyrerthum und wohl auch dem<lb/>
un&#x017F;rigen. Un&#x017F;ere Jugend hat ganz Recht, wenn &#x017F;ie von<lb/>
ihren Alten verlangt, &#x017F;ie &#x017F;ollen ihr die&#x017F;e &#x017F;chwierige Zeit<lb/>
auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen &#x017F;ie &#x017F;elber in<lb/>
den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre<lb/>
gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert<lb/>
&#x017F;eyn, wo die dü&#x017F;ter verworrenen Trümmerhaufen zurück-<lb/>
treten vor den ern&#x017F;ten Grundzügen eines Neubaues der<lb/>
Ge&#x017F;chichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter<lb/>
Wehge&#x017F;chrei zur Welt bringt. Wer auf die&#x017F;em Pfade &#x017F;ich<lb/>
irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und<lb/>
halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen &#x017F;ollte, Ereigni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0013] 1. Die Verhaͤltniſſe. Es ſind nicht mehr als ſiebzig Jahre ſeit der ſechzehnte Ludwig den Thron ſeiner Väter beſtieg, und noch leben hie und da Menſchen, welche ſich der Zeit entſinnen, da er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber eine Kunſt gäbe die Weltgeſchichte nach Erfahrungen aus- zumeſſen, ſo lägen viele Jahrhunderte zwiſchen ihm und uns, zwiſchen ſeinem Märtyrerthum und wohl auch dem unſrigen. Unſere Jugend hat ganz Recht, wenn ſie von ihren Alten verlangt, ſie ſollen ihr dieſe ſchwierige Zeit auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen ſie ſelber in den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert ſeyn, wo die düſter verworrenen Trümmerhaufen zurück- treten vor den ernſten Grundzügen eines Neubaues der Geſchichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter Wehgeſchrei zur Welt bringt. Wer auf dieſem Pfade ſich irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen ſollte, Ereigniſſe 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/13
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/13>, abgerufen am 20.11.2024.