Es sind nicht mehr als siebzig Jahre seit der sechzehnte Ludwig den Thron seiner Väter bestieg, und noch leben hie und da Menschen, welche sich der Zeit entsinnen, da er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber eine Kunst gäbe die Weltgeschichte nach Erfahrungen aus- zumessen, so lägen viele Jahrhunderte zwischen ihm und uns, zwischen seinem Märtyrerthum und wohl auch dem unsrigen. Unsere Jugend hat ganz Recht, wenn sie von ihren Alten verlangt, sie sollen ihr diese schwierige Zeit auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen sie selber in den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert seyn, wo die düster verworrenen Trümmerhaufen zurück- treten vor den ernsten Grundzügen eines Neubaues der Geschichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter Wehgeschrei zur Welt bringt. Wer auf diesem Pfade sich irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen sollte, Ereignisse
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1. Die Verhaͤltniſſe.
Es ſind nicht mehr als ſiebzig Jahre ſeit der ſechzehnte Ludwig den Thron ſeiner Väter beſtieg, und noch leben hie und da Menſchen, welche ſich der Zeit entſinnen, da er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber eine Kunſt gäbe die Weltgeſchichte nach Erfahrungen aus- zumeſſen, ſo lägen viele Jahrhunderte zwiſchen ihm und uns, zwiſchen ſeinem Märtyrerthum und wohl auch dem unſrigen. Unſere Jugend hat ganz Recht, wenn ſie von ihren Alten verlangt, ſie ſollen ihr dieſe ſchwierige Zeit auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen ſie ſelber in den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert ſeyn, wo die düſter verworrenen Trümmerhaufen zurück- treten vor den ernſten Grundzügen eines Neubaues der Geſchichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter Wehgeſchrei zur Welt bringt. Wer auf dieſem Pfade ſich irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen ſollte, Ereigniſſe
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1. Die Verhaͤltniſſe.
Es ſind nicht mehr als ſiebzig Jahre ſeit der ſechzehnte
Ludwig den Thron ſeiner Väter beſtieg, und noch leben
hie und da Menſchen, welche ſich der Zeit entſinnen, da
er jung und voll gutherziger Hoffnung war: wenn es aber
eine Kunſt gäbe die Weltgeſchichte nach Erfahrungen aus-
zumeſſen, ſo lägen viele Jahrhunderte zwiſchen ihm und
uns, zwiſchen ſeinem Märtyrerthum und wohl auch dem
unſrigen. Unſere Jugend hat ganz Recht, wenn ſie von
ihren Alten verlangt, ſie ſollen ihr dieſe ſchwierige Zeit
auslegen helfen, den Weg ihr zeigen, welchen ſie ſelber in
den Jahren der Kraft, manchmal abirrend, aber mit Ehre
gingen. Sie will zu jenen Standpuncten hinauf gefördert
ſeyn, wo die düſter verworrenen Trümmerhaufen zurück-
treten vor den ernſten Grundzügen eines Neubaues der
Geſchichte, welchen eine unbegreiflich hohe Waltung unter
Wehgeſchrei zur Welt bringt. Wer auf dieſem Pfade ſich
irgendwie entzieht, nach Art der Buhlerinnen halb zeigt und
halb verbirgt, da aufhört wo er anfangen ſollte, Ereigniſſe
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/13>, abgerufen am 20.11.2024.
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