Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
II.
Das alte und neue Griechenland.


So oft ich am heutigen Tage vor Ihnen zu reden hatte,
habe ich, wie es jeder Feier dieser Art angemessen ist, einen
wissenschaftlichen Gegenstand von allgemeiner Bedeutung be¬
sprochen und meine Person, wie billig, dabei gänzlich zurück¬
treten lassen. Heute darf ich vielleicht eine Ausnahme machen.
Denn da ich erst vor wenig Tagen von einer Reise heimge¬
kehrt bin, auf welcher mich die Freundschaft meiner Amtsge¬
nossen mit treuster Theilnahme begleitet hat, so würde es
Ihnen selbst, wie mir vorkommt, unnatürlich erscheinen, wenn
ich auf diese Reise heute gar keine Rücksicht nähme, und je
deutlicher ich mir selbst bewußt bin, daß ich mich aller Orten
als ein Glied Ihrer Genossenschaft gefühlt habe, um so mehr
halte ich mich für berechtigt, und gewissermaßen für verpflichtet,
die Scheu, bei öffentlicher Gelegenheit Persönliches zu berühren,
heute zu überwinden und meine Rede an die eben vollendete
Reise nach Griechenland und Italien anzuknüpfen, indem ich
im Rückblicke auf die dort empfangenen Eindrücke mich darüber
ausspreche, wie solche Reisen in die wissenschaftlichen Bestre¬
bungen, denen wir obliegen, eingreifen.

Eine Erörterung dieser Art würde in Beziehung auf
einen Naturforscher sehr überflüssig sein. Denn ihm bietet
jede Wanderung Stoff zur Forschung und Belehrung, und
jede Reise, welche ihn in Gegenden führt, die bei größerem

II.
Das alte und neue Griechenland.


So oft ich am heutigen Tage vor Ihnen zu reden hatte,
habe ich, wie es jeder Feier dieſer Art angemeſſen iſt, einen
wiſſenſchaftlichen Gegenſtand von allgemeiner Bedeutung be¬
ſprochen und meine Perſon, wie billig, dabei gänzlich zurück¬
treten laſſen. Heute darf ich vielleicht eine Ausnahme machen.
Denn da ich erſt vor wenig Tagen von einer Reiſe heimge¬
kehrt bin, auf welcher mich die Freundſchaft meiner Amtsge¬
noſſen mit treuſter Theilnahme begleitet hat, ſo würde es
Ihnen ſelbſt, wie mir vorkommt, unnatürlich erſcheinen, wenn
ich auf dieſe Reiſe heute gar keine Rückſicht nähme, und je
deutlicher ich mir ſelbſt bewußt bin, daß ich mich aller Orten
als ein Glied Ihrer Genoſſenſchaft gefühlt habe, um ſo mehr
halte ich mich für berechtigt, und gewiſſermaßen für verpflichtet,
die Scheu, bei öffentlicher Gelegenheit Perſönliches zu berühren,
heute zu überwinden und meine Rede an die eben vollendete
Reiſe nach Griechenland und Italien anzuknüpfen, indem ich
im Rückblicke auf die dort empfangenen Eindrücke mich darüber
ausſpreche, wie ſolche Reiſen in die wiſſenſchaftlichen Beſtre¬
bungen, denen wir obliegen, eingreifen.

Eine Erörterung dieſer Art würde in Beziehung auf
einen Naturforſcher ſehr überflüſſig ſein. Denn ihm bietet
jede Wanderung Stoff zur Forſchung und Belehrung, und
jede Reiſe, welche ihn in Gegenden führt, die bei größerem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0038"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Das alte und neue Griechenland.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>So oft ich am heutigen Tage vor Ihnen zu reden hatte,<lb/>
habe ich, wie es jeder Feier die&#x017F;er Art angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, einen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Gegen&#x017F;tand von allgemeiner Bedeutung be¬<lb/>
&#x017F;prochen und meine Per&#x017F;on, wie billig, dabei gänzlich zurück¬<lb/>
treten la&#x017F;&#x017F;en. Heute darf ich vielleicht eine Ausnahme machen.<lb/>
Denn da ich er&#x017F;t vor wenig Tagen von einer Rei&#x017F;e heimge¬<lb/>
kehrt bin, auf welcher mich die Freund&#x017F;chaft meiner Amtsge¬<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en mit treu&#x017F;ter Theilnahme begleitet hat, &#x017F;o würde es<lb/>
Ihnen &#x017F;elb&#x017F;t, wie mir vorkommt, unnatürlich er&#x017F;cheinen, wenn<lb/>
ich auf die&#x017F;e Rei&#x017F;e heute gar keine Rück&#x017F;icht nähme, und je<lb/>
deutlicher ich mir &#x017F;elb&#x017F;t bewußt bin, daß ich mich aller Orten<lb/>
als ein Glied Ihrer Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft gefühlt habe, um &#x017F;o mehr<lb/>
halte ich mich für berechtigt, und gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen für verpflichtet,<lb/>
die Scheu, bei öffentlicher Gelegenheit Per&#x017F;önliches zu berühren,<lb/>
heute zu überwinden und meine Rede an die eben vollendete<lb/>
Rei&#x017F;e nach Griechenland und Italien anzuknüpfen, indem ich<lb/>
im Rückblicke auf die dort empfangenen Eindrücke mich darüber<lb/>
aus&#x017F;preche, wie &#x017F;olche Rei&#x017F;en in die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Be&#x017F;tre¬<lb/>
bungen, denen wir obliegen, eingreifen.</p><lb/>
        <p>Eine Erörterung die&#x017F;er Art würde in Beziehung auf<lb/>
einen Naturfor&#x017F;cher &#x017F;ehr überflü&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;ein. Denn ihm bietet<lb/>
jede Wanderung Stoff zur For&#x017F;chung und Belehrung, und<lb/>
jede Rei&#x017F;e, welche ihn in Gegenden führt, die bei größerem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] II. Das alte und neue Griechenland. So oft ich am heutigen Tage vor Ihnen zu reden hatte, habe ich, wie es jeder Feier dieſer Art angemeſſen iſt, einen wiſſenſchaftlichen Gegenſtand von allgemeiner Bedeutung be¬ ſprochen und meine Perſon, wie billig, dabei gänzlich zurück¬ treten laſſen. Heute darf ich vielleicht eine Ausnahme machen. Denn da ich erſt vor wenig Tagen von einer Reiſe heimge¬ kehrt bin, auf welcher mich die Freundſchaft meiner Amtsge¬ noſſen mit treuſter Theilnahme begleitet hat, ſo würde es Ihnen ſelbſt, wie mir vorkommt, unnatürlich erſcheinen, wenn ich auf dieſe Reiſe heute gar keine Rückſicht nähme, und je deutlicher ich mir ſelbſt bewußt bin, daß ich mich aller Orten als ein Glied Ihrer Genoſſenſchaft gefühlt habe, um ſo mehr halte ich mich für berechtigt, und gewiſſermaßen für verpflichtet, die Scheu, bei öffentlicher Gelegenheit Perſönliches zu berühren, heute zu überwinden und meine Rede an die eben vollendete Reiſe nach Griechenland und Italien anzuknüpfen, indem ich im Rückblicke auf die dort empfangenen Eindrücke mich darüber ausſpreche, wie ſolche Reiſen in die wiſſenſchaftlichen Beſtre¬ bungen, denen wir obliegen, eingreifen. Eine Erörterung dieſer Art würde in Beziehung auf einen Naturforſcher ſehr überflüſſig ſein. Denn ihm bietet jede Wanderung Stoff zur Forſchung und Belehrung, und jede Reiſe, welche ihn in Gegenden führt, die bei größerem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/38
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/38>, abgerufen am 21.12.2024.