Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
XVII.
Philosophie und Geschichte.

Wir feiern in den beiden Männern, welchen die jähr¬
lichen Gedenktage gewidmet sind, dem Philosophen unter den
Königen und dem Könige unter den Philosophen, den Stifter
und den Erneuerer unserer Akademie. Die Erneuerung sollte nur
eine würdigere Herstellung der ursprünglichen Stiftung sein.
Indessen wurde in wesentlichen Punkten von dem Früheren
abgewichen, und merkwürdiger Weise gerade in dem Punkte,
daß die Philosophie, welche durch den Philosophen von Fach
ausgeschlossen worden war, weil die Spekulation mehr eine
Sache des einsamen Forschers als eine durch gemeinsame
Arbeit zu lösende Aufgabe sei, durch König Friedrich in den
Kreis der akademischen Fächer hereingezogen wurde. Diese
Neuerung wurde in dem Statut von 1746 als eine besonders
wichtige hervorgehoben, und während sonst der universale
Charakter der Wissenschaft so sehr betont wurde, daß die da¬
malige Weltsprache als solche das allein angemessene Organ
der Akademie zu sein schien, wurde in dieser Angelegenheit
der nationale Gesichtspunkt hervorgehoben. Denn, sagte man,
wenn die junge Anstalt es auch in der Mathematik und Physik
einstweilen noch nicht mit der Academie des sciences und in
der Philologie noch nicht mit der Academie des inscriptions
et belles lettres
aufnehmen könne, so werde sie, die würdige
Tochter Leibnizens, als Vertreterin des nationalen Gedankens

XVII.
Philoſophie und Geſchichte.

Wir feiern in den beiden Männern, welchen die jähr¬
lichen Gedenktage gewidmet ſind, dem Philoſophen unter den
Königen und dem Könige unter den Philoſophen, den Stifter
und den Erneuerer unſerer Akademie. Die Erneuerung ſollte nur
eine würdigere Herſtellung der urſprünglichen Stiftung ſein.
Indeſſen wurde in weſentlichen Punkten von dem Früheren
abgewichen, und merkwürdiger Weiſe gerade in dem Punkte,
daß die Philoſophie, welche durch den Philoſophen von Fach
ausgeſchloſſen worden war, weil die Spekulation mehr eine
Sache des einſamen Forſchers als eine durch gemeinſame
Arbeit zu löſende Aufgabe ſei, durch König Friedrich in den
Kreis der akademiſchen Fächer hereingezogen wurde. Dieſe
Neuerung wurde in dem Statut von 1746 als eine beſonders
wichtige hervorgehoben, und während ſonſt der univerſale
Charakter der Wiſſenſchaft ſo ſehr betont wurde, daß die da¬
malige Weltſprache als ſolche das allein angemeſſene Organ
der Akademie zu ſein ſchien, wurde in dieſer Angelegenheit
der nationale Geſichtspunkt hervorgehoben. Denn, ſagte man,
wenn die junge Anſtalt es auch in der Mathematik und Phyſik
einſtweilen noch nicht mit der Académie des sciences und in
der Philologie noch nicht mit der Académie des inscriptions
et belles lettres
aufnehmen könne, ſo werde ſie, die würdige
Tochter Leibnizens, als Vertreterin des nationalen Gedankens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0303"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq">XVII.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Philo&#x017F;ophie und Ge&#x017F;chichte.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Wir feiern in den beiden Männern, welchen die jähr¬<lb/>
lichen Gedenktage gewidmet &#x017F;ind, dem Philo&#x017F;ophen unter den<lb/>
Königen und dem Könige unter den Philo&#x017F;ophen, den Stifter<lb/>
und den Erneuerer un&#x017F;erer Akademie. Die Erneuerung &#x017F;ollte nur<lb/>
eine würdigere Her&#x017F;tellung der ur&#x017F;prünglichen Stiftung &#x017F;ein.<lb/>
Inde&#x017F;&#x017F;en wurde in we&#x017F;entlichen Punkten von dem Früheren<lb/>
abgewichen, und merkwürdiger Wei&#x017F;e gerade in dem Punkte,<lb/>
daß die Philo&#x017F;ophie, welche durch den Philo&#x017F;ophen von Fach<lb/>
ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden war, weil die Spekulation mehr eine<lb/>
Sache des ein&#x017F;amen For&#x017F;chers als eine durch gemein&#x017F;ame<lb/>
Arbeit zu lö&#x017F;ende Aufgabe &#x017F;ei, durch König Friedrich in den<lb/>
Kreis der akademi&#x017F;chen Fächer hereingezogen wurde. Die&#x017F;e<lb/>
Neuerung wurde in dem Statut von 1746 als eine be&#x017F;onders<lb/>
wichtige hervorgehoben, und während &#x017F;on&#x017F;t der univer&#x017F;ale<lb/>
Charakter der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;o &#x017F;ehr betont wurde, daß die da¬<lb/>
malige Welt&#x017F;prache als &#x017F;olche das allein angeme&#x017F;&#x017F;ene Organ<lb/>
der Akademie zu &#x017F;ein &#x017F;chien, wurde in die&#x017F;er Angelegenheit<lb/>
der nationale Ge&#x017F;ichtspunkt hervorgehoben. Denn, &#x017F;agte man,<lb/>
wenn die junge An&#x017F;talt es auch in der Mathematik und Phy&#x017F;ik<lb/>
ein&#x017F;tweilen noch nicht mit der <hi rendition="#aq">Académie des sciences</hi> und in<lb/>
der Philologie noch nicht mit der <hi rendition="#aq">Académie des inscriptions<lb/>
et belles lettres</hi> aufnehmen könne, &#x017F;o werde &#x017F;ie, die würdige<lb/>
Tochter Leibnizens, als Vertreterin des nationalen Gedankens<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0303] XVII. Philoſophie und Geſchichte. Wir feiern in den beiden Männern, welchen die jähr¬ lichen Gedenktage gewidmet ſind, dem Philoſophen unter den Königen und dem Könige unter den Philoſophen, den Stifter und den Erneuerer unſerer Akademie. Die Erneuerung ſollte nur eine würdigere Herſtellung der urſprünglichen Stiftung ſein. Indeſſen wurde in weſentlichen Punkten von dem Früheren abgewichen, und merkwürdiger Weiſe gerade in dem Punkte, daß die Philoſophie, welche durch den Philoſophen von Fach ausgeſchloſſen worden war, weil die Spekulation mehr eine Sache des einſamen Forſchers als eine durch gemeinſame Arbeit zu löſende Aufgabe ſei, durch König Friedrich in den Kreis der akademiſchen Fächer hereingezogen wurde. Dieſe Neuerung wurde in dem Statut von 1746 als eine beſonders wichtige hervorgehoben, und während ſonſt der univerſale Charakter der Wiſſenſchaft ſo ſehr betont wurde, daß die da¬ malige Weltſprache als ſolche das allein angemeſſene Organ der Akademie zu ſein ſchien, wurde in dieſer Angelegenheit der nationale Geſichtspunkt hervorgehoben. Denn, ſagte man, wenn die junge Anſtalt es auch in der Mathematik und Phyſik einſtweilen noch nicht mit der Académie des sciences und in der Philologie noch nicht mit der Académie des inscriptions et belles lettres aufnehmen könne, ſo werde ſie, die würdige Tochter Leibnizens, als Vertreterin des nationalen Gedankens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/303
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/303>, abgerufen am 21.11.2024.