Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
XII.
Die Gastfreundschaft.

Der heutige Tag ist ein Festtag, an welchem die öffent¬
lichen Anstalten des Vaterlandes sich alle als Glieder eines
Ganzen fühlen und jede in ihrer Weise die Freude darüber
ausdrückt, daß auch sie unter der Obhut eines geliebten Königs
am Gedeihen des Staats ihren Antheil habe; ein Tag, an
welchem jede ein Zeugniß davon ablegen möchte, daß sie ihres
Berufs froh und ihrer Aufgabe sich wohl bewußt sei.

Der Beruf einer Universität ist es, das wissenschaftliche
Leben in seiner Gesammtheit darzustellen, aber nicht bloß das
der gegenwärtigen Generation; denn die Wissenschaft ist auch
das Gedächtniß des Menschengeschlechts; sie will nicht bloß
Neues und Neustes bringen, sondern auch dem früher Gedachten
nachdenken, damit von dem einmal gewonnenen Schatze der Er¬
kenntniß des Wahren und Guten kein Goldkörnchen verloren
gehe, und dabei, scheint mir, hat es immer einen besonderen
Reiz, dasjenige zur Anerkennung zu bringen, was sich als
echtes Gold seit Anfang der Menschengeschichte bewährt hat,
denn das ist das echt Menschliche, welches auch durch das
Licht der göttlichen Offenbarung nur noch mehr zu Ehren
gekommen ist; das sind die ewigen Wahrheiten, in deren dunk¬
lerer oder hellerer Erkenntniß die Erleuchteten aller Jahr¬
hunderte gewandelt haben, die Blüthen des sittlichen Lebens,

XII.
Die Gaſtfreundſchaft.

Der heutige Tag iſt ein Feſttag, an welchem die öffent¬
lichen Anſtalten des Vaterlandes ſich alle als Glieder eines
Ganzen fühlen und jede in ihrer Weiſe die Freude darüber
ausdrückt, daß auch ſie unter der Obhut eines geliebten Königs
am Gedeihen des Staats ihren Antheil habe; ein Tag, an
welchem jede ein Zeugniß davon ablegen möchte, daß ſie ihres
Berufs froh und ihrer Aufgabe ſich wohl bewußt ſei.

Der Beruf einer Univerſität iſt es, das wiſſenſchaftliche
Leben in ſeiner Geſammtheit darzuſtellen, aber nicht bloß das
der gegenwärtigen Generation; denn die Wiſſenſchaft iſt auch
das Gedächtniß des Menſchengeſchlechts; ſie will nicht bloß
Neues und Neuſtes bringen, ſondern auch dem früher Gedachten
nachdenken, damit von dem einmal gewonnenen Schatze der Er¬
kenntniß des Wahren und Guten kein Goldkörnchen verloren
gehe, und dabei, ſcheint mir, hat es immer einen beſonderen
Reiz, dasjenige zur Anerkennung zu bringen, was ſich als
echtes Gold ſeit Anfang der Menſchengeſchichte bewährt hat,
denn das iſt das echt Menſchliche, welches auch durch das
Licht der göttlichen Offenbarung nur noch mehr zu Ehren
gekommen iſt; das ſind die ewigen Wahrheiten, in deren dunk¬
lerer oder hellerer Erkenntniß die Erleuchteten aller Jahr¬
hunderte gewandelt haben, die Blüthen des ſittlichen Lebens,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0219"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#aq #b">XII.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Die Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Der heutige Tag i&#x017F;t ein Fe&#x017F;ttag, an welchem die öffent¬<lb/>
lichen An&#x017F;talten des Vaterlandes &#x017F;ich alle als Glieder eines<lb/>
Ganzen fühlen und jede in ihrer Wei&#x017F;e die Freude darüber<lb/>
ausdrückt, daß auch &#x017F;ie unter der Obhut eines geliebten Königs<lb/>
am Gedeihen des Staats ihren Antheil habe; ein Tag, an<lb/>
welchem jede ein Zeugniß davon ablegen möchte, daß &#x017F;ie ihres<lb/>
Berufs froh und ihrer Aufgabe &#x017F;ich wohl bewußt &#x017F;ei.</p><lb/>
        <p>Der Beruf einer Univer&#x017F;ität i&#x017F;t es, das wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Leben in &#x017F;einer Ge&#x017F;ammtheit darzu&#x017F;tellen, aber nicht bloß das<lb/>
der gegenwärtigen Generation; denn die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft i&#x017F;t auch<lb/>
das Gedächtniß des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts; &#x017F;ie will nicht bloß<lb/>
Neues und Neu&#x017F;tes bringen, &#x017F;ondern auch dem früher Gedachten<lb/>
nachdenken, damit von dem einmal gewonnenen Schatze der Er¬<lb/>
kenntniß des Wahren und Guten kein Goldkörnchen verloren<lb/>
gehe, und dabei, &#x017F;cheint mir, hat es immer einen be&#x017F;onderen<lb/>
Reiz, dasjenige zur Anerkennung zu bringen, was &#x017F;ich als<lb/>
echtes Gold &#x017F;eit Anfang der Men&#x017F;chenge&#x017F;chichte bewährt hat,<lb/>
denn das i&#x017F;t das echt Men&#x017F;chliche, welches auch durch das<lb/>
Licht der göttlichen Offenbarung nur noch mehr zu Ehren<lb/>
gekommen i&#x017F;t; das &#x017F;ind die ewigen Wahrheiten, in deren dunk¬<lb/>
lerer oder hellerer Erkenntniß die Erleuchteten aller Jahr¬<lb/>
hunderte gewandelt haben, die Blüthen des &#x017F;ittlichen Lebens,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0219] XII. Die Gaſtfreundſchaft. Der heutige Tag iſt ein Feſttag, an welchem die öffent¬ lichen Anſtalten des Vaterlandes ſich alle als Glieder eines Ganzen fühlen und jede in ihrer Weiſe die Freude darüber ausdrückt, daß auch ſie unter der Obhut eines geliebten Königs am Gedeihen des Staats ihren Antheil habe; ein Tag, an welchem jede ein Zeugniß davon ablegen möchte, daß ſie ihres Berufs froh und ihrer Aufgabe ſich wohl bewußt ſei. Der Beruf einer Univerſität iſt es, das wiſſenſchaftliche Leben in ſeiner Geſammtheit darzuſtellen, aber nicht bloß das der gegenwärtigen Generation; denn die Wiſſenſchaft iſt auch das Gedächtniß des Menſchengeſchlechts; ſie will nicht bloß Neues und Neuſtes bringen, ſondern auch dem früher Gedachten nachdenken, damit von dem einmal gewonnenen Schatze der Er¬ kenntniß des Wahren und Guten kein Goldkörnchen verloren gehe, und dabei, ſcheint mir, hat es immer einen beſonderen Reiz, dasjenige zur Anerkennung zu bringen, was ſich als echtes Gold ſeit Anfang der Menſchengeſchichte bewährt hat, denn das iſt das echt Menſchliche, welches auch durch das Licht der göttlichen Offenbarung nur noch mehr zu Ehren gekommen iſt; das ſind die ewigen Wahrheiten, in deren dunk¬ lerer oder hellerer Erkenntniß die Erleuchteten aller Jahr¬ hunderte gewandelt haben, die Blüthen des ſittlichen Lebens,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/219
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/219>, abgerufen am 21.11.2024.