"Ich träufle gern des Wein's goldgelbe Tropfen In rothe Rosen, die auf Gräbern blüh'n --"
Holla! Ja! den Wein wird später Frau Lydia nachliefern -- -- wo stecken nur die ominösen confessions d'un pauvre enfant .. enfant .. enfant ... d'un pauvre enfant de la "future" --?"
Endlich hatte Adam sie gefunden, diese "con- fessions" -- und er las --:
Selbsttod des Dichters.
"-- Diese Stunde, da ich ausathmen will; da ich Alles von mir werfen will, was mich an eine unzu- längliche Welt bindet, an eine Welt voller Gemein- heit und engster Bedingung -- diese große Stunde schwillt an und wächst und dehnt sich zu einer Ewig- keit. Noch einmal steigt Alles vor mir auf, was ich gethan und was ich nicht gethan. Was ich nicht gethan! das ist's! das ist's! Warum habe ich so Vieles, so unzählbar Vieles nicht gethan? Warum hatte ich es thun wollen? Es drängt mich, einen Punkt zu finden, von dem aus ich hell- stes, unverfälschtes Licht empfange -- der die ver- worrenen Zickzackwege, die ich im Suchen und Schaffen gegangen bin, überflammt und harmonisch in sich gliedert. Oh! könnte ich doch Alles in ein Wort zusammenfassen! Aber dieses eine Wort erinnerte mich, selbst wenn ich es gefunden hätte, nur an eine unendliche Anzahl anderer Worte -- und so würde es mir als bedingtes Glied in der Kette keinen einzigen, letzten, großen, absoluten Trost
„Ich träufle gern des Wein's goldgelbe Tropfen In rothe Roſen, die auf Gräbern blüh'n —“
Holla! Ja! den Wein wird ſpäter Frau Lydia nachliefern — — wo ſtecken nur die ominöſen confessions d'un pauvre enfant .. enfant .. enfant ... d'un pauvre enfant de la „future“ —?“
Endlich hatte Adam ſie gefunden, dieſe „con- fessions“ — und er las —:
Selbſttod des Dichters.
„— Dieſe Stunde, da ich ausathmen will; da ich Alles von mir werfen will, was mich an eine unzu- längliche Welt bindet, an eine Welt voller Gemein- heit und engſter Bedingung — dieſe große Stunde ſchwillt an und wächſt und dehnt ſich zu einer Ewig- keit. Noch einmal ſteigt Alles vor mir auf, was ich gethan und was ich nicht gethan. Was ich nicht gethan! das iſt's! das iſt's! Warum habe ich ſo Vieles, ſo unzählbar Vieles nicht gethan? Warum hatte ich es thun wollen? Es drängt mich, einen Punkt zu finden, von dem aus ich hell- ſtes, unverfälſchtes Licht empfange — der die ver- worrenen Zickzackwege, die ich im Suchen und Schaffen gegangen bin, überflammt und harmoniſch in ſich gliedert. Oh! könnte ich doch Alles in ein Wort zuſammenfaſſen! Aber dieſes eine Wort erinnerte mich, ſelbſt wenn ich es gefunden hätte, nur an eine unendliche Anzahl anderer Worte — und ſo würde es mir als bedingtes Glied in der Kette keinen einzigen, letzten, großen, abſoluten Troſt
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„Ich träufle gern des Wein's goldgelbe Tropfen
In rothe Roſen, die auf Gräbern blüh'n —“
Holla! Ja! den Wein wird ſpäter Frau Lydia
nachliefern — — wo ſtecken nur die ominöſen
confessions d'un pauvre enfant .. enfant .. enfant
... d'un pauvre enfant de la „future“ —?“
Endlich hatte Adam ſie gefunden, dieſe „con-
fessions“ — und er las —:
Selbſttod des Dichters.
„— Dieſe Stunde, da ich ausathmen will; da
ich Alles von mir werfen will, was mich an eine unzu-
längliche Welt bindet, an eine Welt voller Gemein-
heit und engſter Bedingung — dieſe große Stunde
ſchwillt an und wächſt und dehnt ſich zu einer Ewig-
keit. Noch einmal ſteigt Alles vor mir auf, was
ich gethan und was ich nicht gethan. Was ich
nicht gethan! das iſt's! das iſt's! Warum habe
ich ſo Vieles, ſo unzählbar Vieles nicht gethan?
Warum hatte ich es thun wollen? Es drängt
mich, einen Punkt zu finden, von dem aus ich hell-
ſtes, unverfälſchtes Licht empfange — der die ver-
worrenen Zickzackwege, die ich im Suchen und Schaffen
gegangen bin, überflammt und harmoniſch in ſich
gliedert. Oh! könnte ich doch Alles in ein
Wort zuſammenfaſſen! Aber dieſes eine Wort
erinnerte mich, ſelbſt wenn ich es gefunden hätte, nur
an eine unendliche Anzahl anderer Worte — und ſo
würde es mir als bedingtes Glied in der Kette keinen
einzigen, letzten, großen, abſoluten Troſt
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/360>, abgerufen am 21.11.2024.
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