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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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XVI.

Den Nachmittag über hielt sich Adam zu Hause. Es
war ihm zu Sinn, als müßte er einmal wieder
recht tüchtig bei sich einkehren, auf sich zurückgehen,
in sich hineingehen, Vieles lichten und sichten, was
in der Hochfluth der letzten Tage sich verdunkelt,
verschoben und verwirrt hatte. Er klopfte nach Diesem
und Jenem bei sich an. Schmerzlich ergriff es ihn
und erfüllte ihn zugleich mit einem stillen Zorn,
der sich gleichsam lautlos nach innen verblutete,
als er so oft keine Antwort erhielt. Da war er
wieder, der ästhetisch-metaphysische Schmerz seines
Lebens. Und doch geschah ihm eigentlich nur, was
er verdiente. Alle einfachen, großen, stillen Trost-
und Beruhigungsnadeln waren ihm abhanden ge-
kommen. Es war ihm unverständlich, wie es noch
Kräfte geben sollte, welche über die Alltagsmisere
mit ihren kleinen, aber raffinirten Stacheln hinweg-
trösten konnten. Und er war ihr mit Haut und
Haaren, mit Leib und Seele verfallen, dieser dummen,
tristen Alltagsmisere. Kleinlich und eng war sein
Denken und Thun geworden, von der Stunde be-
stimmt, für die Stunde gemünzt. Er beschäftigte

XVI.

Den Nachmittag über hielt ſich Adam zu Hauſe. Es
war ihm zu Sinn, als müßte er einmal wieder
recht tüchtig bei ſich einkehren, auf ſich zurückgehen,
in ſich hineingehen, Vieles lichten und ſichten, was
in der Hochfluth der letzten Tage ſich verdunkelt,
verſchoben und verwirrt hatte. Er klopfte nach Dieſem
und Jenem bei ſich an. Schmerzlich ergriff es ihn
und erfüllte ihn zugleich mit einem ſtillen Zorn,
der ſich gleichſam lautlos nach innen verblutete,
als er ſo oft keine Antwort erhielt. Da war er
wieder, der äſthetiſch-metaphyſiſche Schmerz ſeines
Lebens. Und doch geſchah ihm eigentlich nur, was
er verdiente. Alle einfachen, großen, ſtillen Troſt-
und Beruhigungsnadeln waren ihm abhanden ge-
kommen. Es war ihm unverſtändlich, wie es noch
Kräfte geben ſollte, welche über die Alltagsmiſère
mit ihren kleinen, aber raffinirten Stacheln hinweg-
tröſten konnten. Und er war ihr mit Haut und
Haaren, mit Leib und Seele verfallen, dieſer dummen,
triſten Alltagsmiſère. Kleinlich und eng war ſein
Denken und Thun geworden, von der Stunde be-
ſtimmt, für die Stunde gemünzt. Er beſchäftigte

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[[342]/0350] XVI. Den Nachmittag über hielt ſich Adam zu Hauſe. Es war ihm zu Sinn, als müßte er einmal wieder recht tüchtig bei ſich einkehren, auf ſich zurückgehen, in ſich hineingehen, Vieles lichten und ſichten, was in der Hochfluth der letzten Tage ſich verdunkelt, verſchoben und verwirrt hatte. Er klopfte nach Dieſem und Jenem bei ſich an. Schmerzlich ergriff es ihn und erfüllte ihn zugleich mit einem ſtillen Zorn, der ſich gleichſam lautlos nach innen verblutete, als er ſo oft keine Antwort erhielt. Da war er wieder, der äſthetiſch-metaphyſiſche Schmerz ſeines Lebens. Und doch geſchah ihm eigentlich nur, was er verdiente. Alle einfachen, großen, ſtillen Troſt- und Beruhigungsnadeln waren ihm abhanden ge- kommen. Es war ihm unverſtändlich, wie es noch Kräfte geben ſollte, welche über die Alltagsmiſère mit ihren kleinen, aber raffinirten Stacheln hinweg- tröſten konnten. Und er war ihr mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele verfallen, dieſer dummen, triſten Alltagsmiſère. Kleinlich und eng war ſein Denken und Thun geworden, von der Stunde be- ſtimmt, für die Stunde gemünzt. Er beſchäftigte

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [342]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/350>, abgerufen am 23.11.2024.