Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite
X.

In tadellosem, schwarzem Gesellschaftanzuge; mit
einem Gesicht, das halb müde Gleichgültigkeit, halb
obligate, gegenstandslose Neugier und Gespanntheit
ausdrückte, trat Adam Mensch einige Stunden später
in das Cabinet Lydias.

"Sie haben mich gerufen, gnädige Frau -- ich
bin gekommen ..."

"Ich danke Ihnen, Herr Doctor!"

Lydia hatte bei dem Eintreten Adams vor ihrem
zartgliedrigen Luxusschreibtische, der so gar nicht
für ehrliche, schwere Arbeit auf der Welt zu sein
schien, gesessen und war nun aufgestanden. Ein
leiser Moschusduft lag im Gemach. Auf dem
Schreibtische brannte inmitten einer Fülle eleganter
Nippes, inmitten einer zwanglos und doch ge-
schmackvoll arrangirten Kleinwelt von Statuetten,
Photogrammen, Portraits, Goldschnittbändchen, lose
durcheinandergezetteltem Pergamentpapier, Muscheln
und Steinen, eine grünverhangene Broncelampe.
Das mittelgroße Zimmer war von den Schatten
anheimelnder Dämmerung durchdunkelt. Die Umrisse
der Möbel verschwammen, die Farben und Muster

X.

In tadelloſem, ſchwarzem Geſellſchaftanzuge; mit
einem Geſicht, das halb müde Gleichgültigkeit, halb
obligate, gegenſtandsloſe Neugier und Geſpanntheit
ausdrückte, trat Adam Menſch einige Stunden ſpäter
in das Cabinet Lydias.

„Sie haben mich gerufen, gnädige Frau — ich
bin gekommen ...“

„Ich danke Ihnen, Herr Doctor!“

Lydia hatte bei dem Eintreten Adams vor ihrem
zartgliedrigen Luxusſchreibtiſche, der ſo gar nicht
für ehrliche, ſchwere Arbeit auf der Welt zu ſein
ſchien, geſeſſen und war nun aufgeſtanden. Ein
leiſer Moſchusduft lag im Gemach. Auf dem
Schreibtiſche brannte inmitten einer Fülle eleganter
Nippes, inmitten einer zwanglos und doch ge-
ſchmackvoll arrangirten Kleinwelt von Statuetten,
Photogrammen, Portraits, Goldſchnittbändchen, loſe
durcheinandergezetteltem Pergamentpapier, Muſcheln
und Steinen, eine grünverhangene Broncelampe.
Das mittelgroße Zimmer war von den Schatten
anheimelnder Dämmerung durchdunkelt. Die Umriſſe
der Möbel verſchwammen, die Farben und Muſter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0138" n="[130]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">X.</hi> </hi> </head><lb/>
        <p>In tadello&#x017F;em, &#x017F;chwarzem Ge&#x017F;ell&#x017F;chaftanzuge; mit<lb/>
einem Ge&#x017F;icht, das halb müde Gleichgültigkeit, halb<lb/>
obligate, gegen&#x017F;tandslo&#x017F;e Neugier und Ge&#x017F;panntheit<lb/>
ausdrückte, trat Adam Men&#x017F;ch einige Stunden &#x017F;päter<lb/>
in das Cabinet Lydias.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie haben mich gerufen, gnädige Frau &#x2014; ich<lb/>
bin gekommen ...&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich danke Ihnen, Herr Doctor!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Lydia hatte bei dem Eintreten Adams vor ihrem<lb/>
zartgliedrigen Luxus&#x017F;chreibti&#x017F;che, der &#x017F;o gar nicht<lb/>
für ehrliche, &#x017F;chwere Arbeit auf der Welt zu &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;chien, ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en und war nun aufge&#x017F;tanden. Ein<lb/>
lei&#x017F;er Mo&#x017F;chusduft lag im Gemach. Auf dem<lb/>
Schreibti&#x017F;che brannte inmitten einer Fülle eleganter<lb/>
Nippes, inmitten einer zwanglos und doch ge-<lb/>
&#x017F;chmackvoll arrangirten Kleinwelt von Statuetten,<lb/>
Photogrammen, Portraits, Gold&#x017F;chnittbändchen, lo&#x017F;e<lb/>
durcheinandergezetteltem Pergamentpapier, Mu&#x017F;cheln<lb/>
und Steinen, eine grünverhangene Broncelampe.<lb/>
Das mittelgroße Zimmer war von den Schatten<lb/>
anheimelnder Dämmerung durchdunkelt. Die Umri&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Möbel ver&#x017F;chwammen, die Farben und Mu&#x017F;ter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[130]/0138] X. In tadelloſem, ſchwarzem Geſellſchaftanzuge; mit einem Geſicht, das halb müde Gleichgültigkeit, halb obligate, gegenſtandsloſe Neugier und Geſpanntheit ausdrückte, trat Adam Menſch einige Stunden ſpäter in das Cabinet Lydias. „Sie haben mich gerufen, gnädige Frau — ich bin gekommen ...“ „Ich danke Ihnen, Herr Doctor!“ Lydia hatte bei dem Eintreten Adams vor ihrem zartgliedrigen Luxusſchreibtiſche, der ſo gar nicht für ehrliche, ſchwere Arbeit auf der Welt zu ſein ſchien, geſeſſen und war nun aufgeſtanden. Ein leiſer Moſchusduft lag im Gemach. Auf dem Schreibtiſche brannte inmitten einer Fülle eleganter Nippes, inmitten einer zwanglos und doch ge- ſchmackvoll arrangirten Kleinwelt von Statuetten, Photogrammen, Portraits, Goldſchnittbändchen, loſe durcheinandergezetteltem Pergamentpapier, Muſcheln und Steinen, eine grünverhangene Broncelampe. Das mittelgroße Zimmer war von den Schatten anheimelnder Dämmerung durchdunkelt. Die Umriſſe der Möbel verſchwammen, die Farben und Muſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/138
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. [130]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/138>, abgerufen am 21.11.2024.