Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

von der histor. Erkentniß überhaupt.
genaueste und auf das allerrichtigste bestimmet
werden müssen.

§. 15.
Geschichte können ohne Erzehlungen, diese
aber nicht ohne jenen seyn.

Begebenheiten sind Veränderungen wirckli-
cher Dinge (§. 4.); und Geschichte sind nicht
minder wirckliche Veränderungen derer wirckli-
chen Dinge (§. 13.). Wie nun die wircklichen
Dinge nicht nöthig haben, daß sie durch Men-
schen erkant, und von ihnen durch Worte aus-
gedruckt werden; also können Begebenheiten und
Geschichte vorgehen, ohne daß eben deswegen hi-
storische Sätze, Erzehlungen und Nachrichten
daraus entstehen. Hingegen da die Erkentniß
wircklicher Dinge nicht seyn kan, wenn nicht die
Wircklichkeit der Dinge selbst schon vorausgesetzt
wird: so können historische Sätze, Erzehlungen
und Nachrichten nicht statt finden, wo nicht Be-
gebenheiten und Geschichte vorausgesetzt werden.

§. 16.
Geschichte und Erzehlungen gehören
zusammen.

Weil historische Sätze, Erzehlungen und
Nachrichten nicht statt finden, wo nicht die da-
durch ausgedruckten Begebenheiten und Geschich-
te vorausgesetzt werden (§. 15.): hingegen Be-
gebenheiten und Geschichte, die uns nicht vorge-
stellt werden, auch kein Vorwurff unserer Betrach-
tung seyn können; so gehören zum Begebenheiten
auch Erzehlungen und Nachrichten; und wieder-

um
A 5

von der hiſtor. Erkentniß uͤberhaupt.
genaueſte und auf das allerrichtigſte beſtimmet
werden muͤſſen.

§. 15.
Geſchichte koͤnnen ohne Erzehlungen, dieſe
aber nicht ohne jenen ſeyn.

Begebenheiten ſind Veraͤnderungen wirckli-
cher Dinge (§. 4.); und Geſchichte ſind nicht
minder wirckliche Veraͤnderungen derer wirckli-
chen Dinge (§. 13.). Wie nun die wircklichen
Dinge nicht noͤthig haben, daß ſie durch Men-
ſchen erkant, und von ihnen durch Worte aus-
gedruckt werden; alſo koͤnnen Begebenheiten und
Geſchichte vorgehen, ohne daß eben deswegen hi-
ſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen und Nachrichten
daraus entſtehen. Hingegen da die Erkentniß
wircklicher Dinge nicht ſeyn kan, wenn nicht die
Wircklichkeit der Dinge ſelbſt ſchon vorausgeſetzt
wird: ſo koͤnnen hiſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen
und Nachrichten nicht ſtatt finden, wo nicht Be-
gebenheiten und Geſchichte vorausgeſetzt werden.

§. 16.
Geſchichte und Erzehlungen gehoͤren
zuſammen.

Weil hiſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen und
Nachrichten nicht ſtatt finden, wo nicht die da-
durch ausgedruckten Begebenheiten und Geſchich-
te vorausgeſetzt werden (§. 15.): hingegen Be-
gebenheiten und Geſchichte, die uns nicht vorge-
ſtellt werden, auch kein Vorwurff unſerer Betrach-
tung ſeyn koͤnnen; ſo gehoͤren zum Begebenheiten
auch Erzehlungen und Nachrichten; und wieder-

um
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0045" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von der hi&#x017F;tor. Erkentniß u&#x0364;berhaupt.</hi></fw><lb/>
genaue&#x017F;te und auf das allerrichtig&#x017F;te be&#x017F;timmet<lb/>
werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 15.<lb/>
Ge&#x017F;chichte ko&#x0364;nnen ohne Erzehlungen, die&#x017F;e<lb/>
aber nicht ohne jenen &#x017F;eyn.</head><lb/>
          <p>Begebenheiten &#x017F;ind Vera&#x0364;nderungen wirckli-<lb/>
cher Dinge (§. 4.); und Ge&#x017F;chichte &#x017F;ind nicht<lb/>
minder wirckliche Vera&#x0364;nderungen derer wirckli-<lb/>
chen Dinge (§. 13.). Wie nun die wircklichen<lb/>
Dinge nicht no&#x0364;thig haben, daß &#x017F;ie durch Men-<lb/>
&#x017F;chen erkant, und von ihnen durch Worte aus-<lb/>
gedruckt werden; al&#x017F;o ko&#x0364;nnen Begebenheiten und<lb/>
Ge&#x017F;chichte vorgehen, ohne daß eben deswegen hi-<lb/>
&#x017F;tori&#x017F;che Sa&#x0364;tze, Erzehlungen und Nachrichten<lb/>
daraus ent&#x017F;tehen. Hingegen da die Erkentniß<lb/>
wircklicher Dinge nicht &#x017F;eyn kan, wenn nicht die<lb/>
Wircklichkeit der Dinge &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon vorausge&#x017F;etzt<lb/>
wird: &#x017F;o ko&#x0364;nnen hi&#x017F;tori&#x017F;che Sa&#x0364;tze, Erzehlungen<lb/>
und Nachrichten nicht &#x017F;tatt finden, wo nicht Be-<lb/>
gebenheiten und Ge&#x017F;chichte vorausge&#x017F;etzt werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 16.<lb/>
Ge&#x017F;chichte und Erzehlungen geho&#x0364;ren<lb/>
zu&#x017F;ammen.</head><lb/>
          <p>Weil hi&#x017F;tori&#x017F;che Sa&#x0364;tze, Erzehlungen und<lb/>
Nachrichten nicht &#x017F;tatt finden, wo nicht die da-<lb/>
durch ausgedruckten Begebenheiten und Ge&#x017F;chich-<lb/>
te vorausge&#x017F;etzt werden (§. 15.): hingegen Be-<lb/>
gebenheiten und Ge&#x017F;chichte, die uns nicht vorge-<lb/>
&#x017F;tellt werden, auch kein Vorwurff un&#x017F;erer Betrach-<lb/>
tung &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen; &#x017F;o geho&#x0364;ren zum Begebenheiten<lb/>
auch Erzehlungen und Nachrichten; und wieder-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">um</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0045] von der hiſtor. Erkentniß uͤberhaupt. genaueſte und auf das allerrichtigſte beſtimmet werden muͤſſen. §. 15. Geſchichte koͤnnen ohne Erzehlungen, dieſe aber nicht ohne jenen ſeyn. Begebenheiten ſind Veraͤnderungen wirckli- cher Dinge (§. 4.); und Geſchichte ſind nicht minder wirckliche Veraͤnderungen derer wirckli- chen Dinge (§. 13.). Wie nun die wircklichen Dinge nicht noͤthig haben, daß ſie durch Men- ſchen erkant, und von ihnen durch Worte aus- gedruckt werden; alſo koͤnnen Begebenheiten und Geſchichte vorgehen, ohne daß eben deswegen hi- ſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen und Nachrichten daraus entſtehen. Hingegen da die Erkentniß wircklicher Dinge nicht ſeyn kan, wenn nicht die Wircklichkeit der Dinge ſelbſt ſchon vorausgeſetzt wird: ſo koͤnnen hiſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen und Nachrichten nicht ſtatt finden, wo nicht Be- gebenheiten und Geſchichte vorausgeſetzt werden. §. 16. Geſchichte und Erzehlungen gehoͤren zuſammen. Weil hiſtoriſche Saͤtze, Erzehlungen und Nachrichten nicht ſtatt finden, wo nicht die da- durch ausgedruckten Begebenheiten und Geſchich- te vorausgeſetzt werden (§. 15.): hingegen Be- gebenheiten und Geſchichte, die uns nicht vorge- ſtellt werden, auch kein Vorwurff unſerer Betrach- tung ſeyn koͤnnen; ſo gehoͤren zum Begebenheiten auch Erzehlungen und Nachrichten; und wieder- um A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/45
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/45>, abgerufen am 30.12.2024.