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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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von alten u. ausländisch. Geschichten.
Geschichte, eben so gut daran sind, als wie bey
neuen Begeb[e]nheiten. Denn wenn wir in einer
solchen Schrifft und Buche lesen, so ist es nicht an-
ders, als wenn wir in jenes altes Seculum versetzt
würden, und die aufgezeichneten Nachrichten aus
des Verfassers eigenem Munde vernähmen. Denn
in Ansehung des Verstandes ist es ja einerley, ob
ich eine Erzehlung höre, oder ob ich sie lese: und
der Verlauff der Jahre kan den Sinn und Be-
deutung der Worte, die sie bey dem Versasser ge-
habt, nicht ändern, wenn wir anders nur die Spra-
che verstehen, darinnen das Buch abgefasset ist.
Der Grund unserer Erkentniß von alten Geschich-
ten aus Büchern, ist eben so feste, als der Grund
unserer Erkentniß von neuen Geschichten, in so fer-
ne wir diese auch aus Nachrichten erlernen müssen.

§. 7.
Schwierigkeiten bey den Quellen alter
Geschichte.

Doch in einigen Stücken äussert sich manchmahl
ein Unterscheid, daß uns nehmlich schwehrer und
mühsamer wird, die alten Geschichte aus ihren
Quellen zu erlernen, als die neuen. Nehmlich 1.
ist manchmahl wegen der Avthenticität einer alten
Schrifft ein Zweiffel: weil es nehmlich auch nach-
gemachte
und untergeschobene giebt. Die
so genannte Donatio Constantini M. ist ein bekann-
tes Exempel hiervon, welches mit dem Privilegio
Alexanders des Grossen den Slavacken gegeben,
be[ym] Goldasto de Regno Bohemiae T. II. p. 170.
Edit. Schminckii
in einem Paare gehet. 2. Wenn

auch
Z 3

von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten.
Geſchichte, eben ſo gut daran ſind, als wie bey
neuen Begeb[e]nheiten. Denn wenn wir in einer
ſolchen Schrifft und Buche leſen, ſo iſt es nicht an-
ders, als wenn wir in jenes altes Seculum verſetzt
wuͤrden, und die aufgezeichneten Nachrichten aus
des Verfaſſers eigenem Munde vernaͤhmen. Denn
in Anſehung des Verſtandes iſt es ja einerley, ob
ich eine Erzehlung hoͤre, oder ob ich ſie leſe: und
der Verlauff der Jahre kan den Sinn und Be-
deutung der Worte, die ſie bey dem Verſaſſer ge-
habt, nicht aͤndern, wenn wir anders nur die Spra-
che verſtehen, darinnen das Buch abgefaſſet iſt.
Der Grund unſerer Erkentniß von alten Geſchich-
ten aus Buͤchern, iſt eben ſo feſte, als der Grund
unſerer Erkentniß von neuen Geſchichten, in ſo fer-
ne wir dieſe auch aus Nachrichten erlernen muͤſſen.

§. 7.
Schwierigkeiten bey den Quellen alter
Geſchichte.

Doch in einigen Stuͤcken aͤuſſert ſich manchmahl
ein Unterſcheid, daß uns nehmlich ſchwehrer und
muͤhſamer wird, die alten Geſchichte aus ihren
Quellen zu erlernen, als die neuen. Nehmlich 1.
iſt manchmahl wegen der Avthenticitaͤt einer alten
Schrifft ein Zweiffel: weil es nehmlich auch nach-
gemachte
und untergeſchobene giebt. Die
ſo genannte Donatio Conſtantini M. iſt ein bekann-
tes Exempel hiervon, welches mit dem Privilegio
Alexanders des Groſſen den Slavacken gegeben,
be[ym] Goldaſto de Regno Bohemiæ T. II. p. 170.
Edit. Schminckii
in einem Paare gehet. 2. Wenn

auch
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[357/0393] von alten u. auslaͤndiſch. Geſchichten. Geſchichte, eben ſo gut daran ſind, als wie bey neuen Begebenheiten. Denn wenn wir in einer ſolchen Schrifft und Buche leſen, ſo iſt es nicht an- ders, als wenn wir in jenes altes Seculum verſetzt wuͤrden, und die aufgezeichneten Nachrichten aus des Verfaſſers eigenem Munde vernaͤhmen. Denn in Anſehung des Verſtandes iſt es ja einerley, ob ich eine Erzehlung hoͤre, oder ob ich ſie leſe: und der Verlauff der Jahre kan den Sinn und Be- deutung der Worte, die ſie bey dem Verſaſſer ge- habt, nicht aͤndern, wenn wir anders nur die Spra- che verſtehen, darinnen das Buch abgefaſſet iſt. Der Grund unſerer Erkentniß von alten Geſchich- ten aus Buͤchern, iſt eben ſo feſte, als der Grund unſerer Erkentniß von neuen Geſchichten, in ſo fer- ne wir dieſe auch aus Nachrichten erlernen muͤſſen. §. 7. Schwierigkeiten bey den Quellen alter Geſchichte. Doch in einigen Stuͤcken aͤuſſert ſich manchmahl ein Unterſcheid, daß uns nehmlich ſchwehrer und muͤhſamer wird, die alten Geſchichte aus ihren Quellen zu erlernen, als die neuen. Nehmlich 1. iſt manchmahl wegen der Avthenticitaͤt einer alten Schrifft ein Zweiffel: weil es nehmlich auch nach- gemachte und untergeſchobene giebt. Die ſo genannte Donatio Conſtantini M. iſt ein bekann- tes Exempel hiervon, welches mit dem Privilegio Alexanders des Groſſen den Slavacken gegeben, beym Goldaſto de Regno Bohemiæ T. II. p. 170. Edit. Schminckii in einem Paare gehet. 2. Wenn auch Z 3

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/393>, abgerufen am 13.11.2024.