Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.v. d. historischen Wahrscheinlichkeit. an, welches von beyden meine Aufmercksamkeitmehr an sich ziehet (n. 1. §. 15.): Ob die An- zahl oder das Ansehen der Aussager? Und da kan ich sagen, daß mir der eine Satz wahrschein- licher sey, der andere aber noch wahrscheinli- cher; nehmlich die Sache auf verschiedene Wei- se betrachtet. Gleichwie man aber endlich doch von der gantzen Sache sein Urtheil fällen muß, ob man sie vor wahr hält, oder nicht? Wobey alle Gründe, die man hat, zusammen genommen werden müssen: Also wird am Ende doch nur vor einen von beyden Sätzen, eine Wahrschein- lichkeit übrig bleiben. §. 23. Critick über die gewöhnliche Definition der Wahrscheinlichkeit. Ueberhaupt aber kan man, die Definition der der
v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit. an, welches von beyden meine Aufmerckſamkeitmehr an ſich ziehet (n. 1. §. 15.): Ob die An- zahl oder das Anſehen der Ausſager? Und da kan ich ſagen, daß mir der eine Satz wahrſchein- licher ſey, der andere aber noch wahrſcheinli- cher; nehmlich die Sache auf verſchiedene Wei- ſe betrachtet. Gleichwie man aber endlich doch von der gantzen Sache ſein Urtheil faͤllen muß, ob man ſie vor wahr haͤlt, oder nicht? Wobey alle Gruͤnde, die man hat, zuſammen genommen werden muͤſſen: Alſo wird am Ende doch nur vor einen von beyden Saͤtzen, eine Wahrſchein- lichkeit uͤbrig bleiben. §. 23. Critick uͤber die gewoͤhnliche Definition der Wahrſcheinlichkeit. Ueberhaupt aber kan man, die Definition der der
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0383" n="347"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.</hi></fw><lb/> an, welches von beyden meine Aufmerckſamkeit<lb/> mehr an ſich ziehet (<hi rendition="#aq">n.</hi> 1. §. 15.): Ob die <hi rendition="#fr">An-<lb/> zahl</hi> oder das <hi rendition="#fr">Anſehen</hi> der Ausſager? Und da<lb/> kan ich ſagen, daß mir der eine Satz <hi rendition="#fr">wahrſchein-<lb/> licher</hi> ſey, der andere aber noch <hi rendition="#fr">wahrſcheinli-<lb/> cher</hi>; nehmlich die Sache auf verſchiedene Wei-<lb/> ſe betrachtet. Gleichwie man aber endlich doch<lb/> von der gantzen Sache ſein Urtheil faͤllen muß,<lb/> ob man ſie vor <hi rendition="#fr">wahr</hi> haͤlt, oder nicht? Wobey<lb/><hi rendition="#fr">alle</hi> Gruͤnde, die man hat, zuſammen genommen<lb/> werden muͤſſen: Alſo wird am Ende doch nur<lb/> vor <hi rendition="#fr">einen</hi> von beyden Saͤtzen, eine Wahrſchein-<lb/> lichkeit uͤbrig bleiben.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 23.<lb/> Critick uͤber die gewoͤhnliche Definition der<lb/> Wahrſcheinlichkeit.</head><lb/> <p>Ueberhaupt aber kan man, die Definition der<lb/><hi rendition="#fr">Wahrſcheinlichkeit, wo mehrere</hi> <hi rendition="#aq">Requiſita</hi><lb/><hi rendition="#fr">der Wahrheit vorhanden ſind</hi>, in der Hi-<lb/> ſtorie gar nicht brauchen. Denn die <hi rendition="#fr">Wahrheit</hi><lb/> der Geſchichte, welches nichts anders, als die <hi rendition="#fr">Ge-<lb/> ſchichte</hi> ſelbſt iſt, beruhet auf den <hi rendition="#fr">Urſachen</hi>,<lb/> wodurch die Begebenheit ſelbſt zur Exiſtentz ge-<lb/> bracht worden. Hingegen unſere <hi rendition="#fr">Erkentniß</hi><lb/> der Geſchichte, die wir nicht mit eigenen Augen<lb/> ſehen, beruhet auf den <hi rendition="#fr">Ausſagen</hi> derer Zu-<lb/> ſchauer, welche offenbar mit der innerlichen Be-<lb/> ſchaffenheit der Geſchichte keine nothwendige<lb/> Verbindung haben. Sondern eine <hi rendition="#fr">Hiſto-<lb/> rie</hi> beſtehet, wenn ſie auch von keinem Men-<lb/> ſchen ausgeſagt, oder nachgeſagt wird. Bey<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0383]
v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
an, welches von beyden meine Aufmerckſamkeit
mehr an ſich ziehet (n. 1. §. 15.): Ob die An-
zahl oder das Anſehen der Ausſager? Und da
kan ich ſagen, daß mir der eine Satz wahrſchein-
licher ſey, der andere aber noch wahrſcheinli-
cher; nehmlich die Sache auf verſchiedene Wei-
ſe betrachtet. Gleichwie man aber endlich doch
von der gantzen Sache ſein Urtheil faͤllen muß,
ob man ſie vor wahr haͤlt, oder nicht? Wobey
alle Gruͤnde, die man hat, zuſammen genommen
werden muͤſſen: Alſo wird am Ende doch nur
vor einen von beyden Saͤtzen, eine Wahrſchein-
lichkeit uͤbrig bleiben.
§. 23.
Critick uͤber die gewoͤhnliche Definition der
Wahrſcheinlichkeit.
Ueberhaupt aber kan man, die Definition der
Wahrſcheinlichkeit, wo mehrere Requiſita
der Wahrheit vorhanden ſind, in der Hi-
ſtorie gar nicht brauchen. Denn die Wahrheit
der Geſchichte, welches nichts anders, als die Ge-
ſchichte ſelbſt iſt, beruhet auf den Urſachen,
wodurch die Begebenheit ſelbſt zur Exiſtentz ge-
bracht worden. Hingegen unſere Erkentniß
der Geſchichte, die wir nicht mit eigenen Augen
ſehen, beruhet auf den Ausſagen derer Zu-
ſchauer, welche offenbar mit der innerlichen Be-
ſchaffenheit der Geſchichte keine nothwendige
Verbindung haben. Sondern eine Hiſto-
rie beſtehet, wenn ſie auch von keinem Men-
ſchen ausgeſagt, oder nachgeſagt wird. Bey
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |