nicht allein die Fehler der gegenseitigen Aussage und Zeugnisse, genau bemerckt, sondern auch, was seinem eigenen Beweise, möchte vorgerückt wer- den, voraus absehen, und demselben vorbauen kan. So wie man bey Disputationen über allge- meine Wahrheiten den gantzen Apparatum der Logicalischen Regeln und Begriffe im Gedächtniß, ja am Griffe haben muß: Also muß man bey hi- storischen Streitigkeiten, auch alle Begriffe und Regeln der historischen Erkentniß bey der Hand, ja am Griffe haben. Folglich ist auch, in un- serer gantzen Abhandlung Anleitung gegeben worden: Wie man im historischen Disputiren sich betragen solle, es mag damit auf Gewißheit, oder nur auf Wahrscheinlichkeit abgesehen seyn.
§. 21. Fünffte wichtige Art der wahrscheinlichen Stücke in der Historie.
Aber es ist noch zu mercken, daß die Wahr- scheinlichkeit im Disputiren öffters eine gantz an- dere Gestalt bekommt. Denn man pflegt sogar demjenigen einzuräumen, daß er seine Sache wahr- scheinlich gemacht habe; der zwar sein Vorgeben mit schlechten Gründen, z. E. nur mit einer Spur aus einem Autore beweiset, aber doch dabey wider die gegenseitigen Gründe, die man bisher vor sol- che angesehen hat, an denen nicht das geringste aus- zusetzen wäre, etwas aufzubringen weiß. So hat man neuerlich wider Vermuthung aller unserer Vorfahren wahrscheinlich gemacht, daß die letzteren Merovingischen Könige, nicht wie man
sonst
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v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
nicht allein die Fehler der gegenſeitigen Ausſage und Zeugniſſe, genau bemerckt, ſondern auch, was ſeinem eigenen Beweiſe, moͤchte vorgeruͤckt wer- den, voraus abſehen, und demſelben vorbauen kan. So wie man bey Diſputationen uͤber allge- meine Wahrheiten den gantzen Apparatum der Logicaliſchen Regeln und Begriffe im Gedaͤchtniß, ja am Griffe haben muß: Alſo muß man bey hi- ſtoriſchen Streitigkeiten, auch alle Begriffe und Regeln der hiſtoriſchen Erkentniß bey der Hand, ja am Griffe haben. Folglich iſt auch, in un- ſerer gantzen Abhandlung Anleitung gegeben worden: Wie man im hiſtoriſchen Diſputiren ſich betragen ſolle, es mag damit auf Gewißheit, oder nur auf Wahrſcheinlichkeit abgeſehen ſeyn.
§. 21. Fuͤnffte wichtige Art der wahrſcheinlichen Stuͤcke in der Hiſtorie.
Aber es iſt noch zu mercken, daß die Wahr- ſcheinlichkeit im Diſputiren oͤffters eine gantz an- dere Geſtalt bekommt. Denn man pflegt ſogar demjenigen einzuraͤumen, daß er ſeine Sache wahr- ſcheinlich gemacht habe; der zwar ſein Vorgeben mit ſchlechten Gruͤnden, z. E. nur mit einer Spur aus einem Autore beweiſet, aber doch dabey wider die gegenſeitigen Gruͤnde, die man bisher vor ſol- che angeſehen hat, an denen nicht das geringſte aus- zuſetzen waͤre, etwas aufzubringen weiß. So hat man neuerlich wider Vermuthung aller unſerer Vorfahren wahrſcheinlich gemacht, daß die letzteren Merovingiſchen Koͤnige, nicht wie man
ſonſt
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v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
nicht allein die Fehler der gegenſeitigen Ausſage
und Zeugniſſe, genau bemerckt, ſondern auch, was
ſeinem eigenen Beweiſe, moͤchte vorgeruͤckt wer-
den, voraus abſehen, und demſelben vorbauen kan.
So wie man bey Diſputationen uͤber allge-
meine Wahrheiten den gantzen Apparatum der
Logicaliſchen Regeln und Begriffe im Gedaͤchtniß,
ja am Griffe haben muß: Alſo muß man bey hi-
ſtoriſchen Streitigkeiten, auch alle Begriffe und
Regeln der hiſtoriſchen Erkentniß bey der Hand,
ja am Griffe haben. Folglich iſt auch, in un-
ſerer gantzen Abhandlung Anleitung gegeben
worden: Wie man im hiſtoriſchen Diſputiren ſich
betragen ſolle, es mag damit auf Gewißheit, oder
nur auf Wahrſcheinlichkeit abgeſehen ſeyn.
§. 21.
Fuͤnffte wichtige Art der wahrſcheinlichen
Stuͤcke in der Hiſtorie.
Aber es iſt noch zu mercken, daß die Wahr-
ſcheinlichkeit im Diſputiren oͤffters eine gantz an-
dere Geſtalt bekommt. Denn man pflegt ſogar
demjenigen einzuraͤumen, daß er ſeine Sache wahr-
ſcheinlich gemacht habe; der zwar ſein Vorgeben
mit ſchlechten Gruͤnden, z. E. nur mit einer Spur
aus einem Autore beweiſet, aber doch dabey wider
die gegenſeitigen Gruͤnde, die man bisher vor ſol-
che angeſehen hat, an denen nicht das geringſte aus-
zuſetzen waͤre, etwas aufzubringen weiß. So hat
man neuerlich wider Vermuthung aller unſerer
Vorfahren wahrſcheinlich gemacht, daß die
letzteren Merovingiſchen Koͤnige, nicht wie man
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/379>, abgerufen am 03.03.2025.
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