seyn sollten: Also ist auch klar, daß aus unzwei- felhafften Documenten und Jnstrumenten eine gantz gewisse Erkentniß der Geschichte erhalten werde.
§. 36. Untersuchung Notorischer Wahrheiten.
Die sogenannten Notorischen Begebenhei- ten, nehmen unter denen historischen Wahrheiten eine der ersten Stellen ein, welchen man am wenig- sten die Gewißheit absprechen wird. Nun ist die Frage, was sind Notorische Sachen? Hal- ten wir die verschiedenen Exempel zusammen, wo- von man die Notorietät rühmet, so scheinen fol- gende Eigenschafften nöthig zu seyn. 1. Daß es entweder an sich eine öffentliche Begebenheit, als inuasiones, Schlachten, Wasserfluthen sind, oder wenigstens öffentlich bekannt gemachte Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fürstli- cher Kinder ist. Nun weiß man, was öffentliche Begebenheiten schon vor einen Anspruch an die Ge- wißheit haben (§. 33.). Es ist aber 2. nöthig, daß dergleichen Begebenheiten auch noch so neu seynd, daß erforderlichen Falls, die Zuschauer, auf denen doch allemahl der Grund der histori- schen Wahrheit beruhet, zu Zeugen könten aufgefor- dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man eher zu sagen, daß sie gewiß, unstreitig u. s. w. als daß sie Notorisch genennet würden. Aber 3. schei- net auch dieses erfordert zu werden, daß man in Ansehung der Entfernung, denen Zuschauern leicht sich nähern und ihr Zeugniß imploviren kön-
ne:
Neuntes Capitel,
ſeyn ſollten: Alſo iſt auch klar, daß aus unzwei- felhafften Documenten und Jnſtrumenten eine gantz gewiſſe Erkentniß der Geſchichte erhalten werde.
§. 36. Unterſuchung Notoriſcher Wahrheiten.
Die ſogenannten Notoriſchen Begebenhei- ten, nehmen unter denen hiſtoriſchen Wahrheiten eine der erſten Stellen ein, welchen man am wenig- ſten die Gewißheit abſprechen wird. Nun iſt die Frage, was ſind Notoriſche Sachen? Hal- ten wir die verſchiedenen Exempel zuſammen, wo- von man die Notorietaͤt ruͤhmet, ſo ſcheinen fol- gende Eigenſchafften noͤthig zu ſeyn. 1. Daß es entweder an ſich eine oͤffentliche Begebenheit, als inuaſiones, Schlachten, Waſſerfluthen ſind, oder wenigſtens oͤffentlich bekannt gemachte Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fuͤrſtli- cher Kinder iſt. Nun weiß man, was oͤffentliche Begebenheiten ſchon vor einen Anſpruch an die Ge- wißheit haben (§. 33.). Es iſt aber 2. noͤthig, daß dergleichen Begebenheiten auch noch ſo neu ſeynd, daß erforderlichen Falls, die Zuſchauer, auf denen doch allemahl der Grund der hiſtori- ſchen Wahrheit beruhet, zu Zeugen koͤnten aufgefor- dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man eher zu ſagen, daß ſie gewiß, unſtreitig u. ſ. w. als daß ſie Notoriſch genennet wuͤrden. Aber 3. ſchei- net auch dieſes erfordert zu werden, daß man in Anſehung der Entfernung, denen Zuſchauern leicht ſich naͤhern und ihr Zeugniß imploviren koͤn-
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Neuntes Capitel,
ſeyn ſollten: Alſo iſt auch klar, daß aus unzwei-
felhafften Documenten und Jnſtrumenten eine
gantz gewiſſe Erkentniß der Geſchichte erhalten
werde.
§. 36.
Unterſuchung Notoriſcher Wahrheiten.
Die ſogenannten Notoriſchen Begebenhei-
ten, nehmen unter denen hiſtoriſchen Wahrheiten
eine der erſten Stellen ein, welchen man am wenig-
ſten die Gewißheit abſprechen wird. Nun iſt
die Frage, was ſind Notoriſche Sachen? Hal-
ten wir die verſchiedenen Exempel zuſammen, wo-
von man die Notorietaͤt ruͤhmet, ſo ſcheinen fol-
gende Eigenſchafften noͤthig zu ſeyn. 1. Daß es
entweder an ſich eine oͤffentliche Begebenheit,
als inuaſiones, Schlachten, Waſſerfluthen ſind,
oder wenigſtens oͤffentlich bekannt gemachte
Begebenheiten. Dergleichen die Geburt fuͤrſtli-
cher Kinder iſt. Nun weiß man, was oͤffentliche
Begebenheiten ſchon vor einen Anſpruch an die Ge-
wißheit haben (§. 33.). Es iſt aber 2. noͤthig,
daß dergleichen Begebenheiten auch noch ſo neu
ſeynd, daß erforderlichen Falls, die Zuſchauer,
auf denen doch allemahl der Grund der hiſtori-
ſchen Wahrheit beruhet, zu Zeugen koͤnten aufgefor-
dert werden. Von alten Begebenheiten pflegt man
eher zu ſagen, daß ſie gewiß, unſtreitig u. ſ. w. als
daß ſie Notoriſch genennet wuͤrden. Aber 3. ſchei-
net auch dieſes erfordert zu werden, daß man in
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/350>, abgerufen am 13.11.2024.
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