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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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von der Gewißheit der Geschichte etc.
dieses Stück gerichtet seyn lassen, und zeigen, wie,
der angeführten bedencklichen Eigenschafften der
menschlichen Aussagen ohngeachtet, (§. 19.) dennoch
hier und da gewisse Nachrichten heraus zu bringen
sind.

§. 22.
Die Gewißheit beruhet auf dem Ansehen des
Autors.

Nehmlich nunmehro ist es zur Gewißheit einer
menschlichen Aussage nicht genug, daß ich weiß,
daß ich mit einem vernünfftigen Menschen zu thun
habe, (§. 19.) sondern es wird auch noch ein An-
sehen
desselben erfordert, oder eine Autorität.
Dieser Begriff, so bekannt er ist, ist dennoch zur
Zeit nicht bis auf den Grund erkläret worden. Es
wäre nehmlich das Ansehen gar nicht nöthig, wo-
ferne die Menschen nicht überhaupt in einem Ver-
dachte der Unwahrheit steckten. Nachdem aber dieser
Verdacht einmahl vorhanden ist, so müssen beson-
dere Eigenschafften eines Menschen, dem wir glau-
ben sollen, den Verdacht in uns wieder unterdrü-
cken; und diese machen das Ansehen aus; denn
also weiß ich von jemanden, daß er z. E. die Haupt-
person, oder wenigstens ein Hauptinteressente bey
einer Sache sey: durch diesen seinen Zustand werde
ich auch schon wider den Verdacht, daß er etwa die
Sache, wovon er redet, nicht recht wissen möchte,
völlig versichert, oder ich habe mit meinem eigenen
Vater, der über dieses ein ernstlicher Mann ist,
zu thun; wie sollte mir nun einfallen, daß derselbe
mit mir schertzen werde. Oder ich habe mit einem
Freunde zu thun, dessen Abneigung von Betrüge-

gerey

von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
dieſes Stuͤck gerichtet ſeyn laſſen, und zeigen, wie,
der angefuͤhrten bedencklichen Eigenſchafften der
menſchlichen Ausſagen ohngeachtet, (§. 19.) dennoch
hier und da gewiſſe Nachrichten heraus zu bringen
ſind.

§. 22.
Die Gewißheit beruhet auf dem Anſehen des
Autors.

Nehmlich nunmehro iſt es zur Gewißheit einer
menſchlichen Ausſage nicht genug, daß ich weiß,
daß ich mit einem vernuͤnfftigen Menſchen zu thun
habe, (§. 19.) ſondern es wird auch noch ein An-
ſehen
deſſelben erfordert, oder eine Autoritaͤt.
Dieſer Begriff, ſo bekannt er iſt, iſt dennoch zur
Zeit nicht bis auf den Grund erklaͤret worden. Es
waͤre nehmlich das Anſehen gar nicht noͤthig, wo-
ferne die Menſchen nicht uͤberhaupt in einem Ver-
dachte der Unwahrheit ſteckten. Nachdem aber dieſer
Verdacht einmahl vorhanden iſt, ſo muͤſſen beſon-
dere Eigenſchafften eines Menſchen, dem wir glau-
ben ſollen, den Verdacht in uns wieder unterdruͤ-
cken; und dieſe machen das Anſehen aus; denn
alſo weiß ich von jemanden, daß er z. E. die Haupt-
perſon, oder wenigſtens ein Hauptintereſſente bey
einer Sache ſey: durch dieſen ſeinen Zuſtand werde
ich auch ſchon wider den Verdacht, daß er etwa die
Sache, wovon er redet, nicht recht wiſſen moͤchte,
voͤllig verſichert, oder ich habe mit meinem eigenen
Vater, der uͤber dieſes ein ernſtlicher Mann iſt,
zu thun; wie ſollte mir nun einfallen, daß derſelbe
mit mir ſchertzen werde. Oder ich habe mit einem
Freunde zu thun, deſſen Abneigung von Betruͤge-

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[301/0337] von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc. dieſes Stuͤck gerichtet ſeyn laſſen, und zeigen, wie, der angefuͤhrten bedencklichen Eigenſchafften der menſchlichen Ausſagen ohngeachtet, (§. 19.) dennoch hier und da gewiſſe Nachrichten heraus zu bringen ſind. §. 22. Die Gewißheit beruhet auf dem Anſehen des Autors. Nehmlich nunmehro iſt es zur Gewißheit einer menſchlichen Ausſage nicht genug, daß ich weiß, daß ich mit einem vernuͤnfftigen Menſchen zu thun habe, (§. 19.) ſondern es wird auch noch ein An- ſehen deſſelben erfordert, oder eine Autoritaͤt. Dieſer Begriff, ſo bekannt er iſt, iſt dennoch zur Zeit nicht bis auf den Grund erklaͤret worden. Es waͤre nehmlich das Anſehen gar nicht noͤthig, wo- ferne die Menſchen nicht uͤberhaupt in einem Ver- dachte der Unwahrheit ſteckten. Nachdem aber dieſer Verdacht einmahl vorhanden iſt, ſo muͤſſen beſon- dere Eigenſchafften eines Menſchen, dem wir glau- ben ſollen, den Verdacht in uns wieder unterdruͤ- cken; und dieſe machen das Anſehen aus; denn alſo weiß ich von jemanden, daß er z. E. die Haupt- perſon, oder wenigſtens ein Hauptintereſſente bey einer Sache ſey: durch dieſen ſeinen Zuſtand werde ich auch ſchon wider den Verdacht, daß er etwa die Sache, wovon er redet, nicht recht wiſſen moͤchte, voͤllig verſichert, oder ich habe mit meinem eigenen Vater, der uͤber dieſes ein ernſtlicher Mann iſt, zu thun; wie ſollte mir nun einfallen, daß derſelbe mit mir ſchertzen werde. Oder ich habe mit einem Freunde zu thun, deſſen Abneigung von Betruͤge- gerey

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/337>, abgerufen am 30.12.2024.