Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.von der Gewißheit der Geschichte etc. nicht bey ihrem Ende zugegen gewesen, sondernbloß davon durch andere ist benachrichtiget wor- den. 4. Fremde Erfahrungen nehmen wir auch vor gewiß an, wenn uns nur die eintzeln Fälle, worauf der Fremde seine Erfahrung gründet, nicht ungewiß sind. Wir zweifeln nicht, daß Neu- hof, der Abt Choisy, und andere ostindische See- fahrer fliegende Fische gesehen haben: Und ma- chen also mit ihnen den ungezweifelten locum com- munem: Daß es fliegende Fische in der Welt gebe. §. 3. Man urtheilt ietzo von der Gewißheit gantz an- ders als vor Zeiten. Aus diesen beyden Anmerckungen nun, daß tet
von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc. nicht bey ihrem Ende zugegen geweſen, ſondernbloß davon durch andere iſt benachrichtiget wor- den. 4. Fremde Erfahrungen nehmen wir auch vor gewiß an, wenn uns nur die eintzeln Faͤlle, worauf der Fremde ſeine Erfahrung gruͤndet, nicht ungewiß ſind. Wir zweifeln nicht, daß Neu- hof, der Abt Choiſy, und andere oſtindiſche See- fahrer fliegende Fiſche geſehen haben: Und ma- chen alſo mit ihnen den ungezweifelten locum com- munem: Daß es fliegende Fiſche in der Welt gebe. §. 3. Man urtheilt ietzo von der Gewißheit gantz an- ders als vor Zeiten. Aus dieſen beyden Anmerckungen nun, daß tet
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von der Gewißheit der Geſchichte ꝛc.
nicht bey ihrem Ende zugegen geweſen, ſondern
bloß davon durch andere iſt benachrichtiget wor-
den. 4. Fremde Erfahrungen nehmen wir auch
vor gewiß an, wenn uns nur die eintzeln Faͤlle,
worauf der Fremde ſeine Erfahrung gruͤndet, nicht
ungewiß ſind. Wir zweifeln nicht, daß Neu-
hof, der Abt Choiſy, und andere oſtindiſche See-
fahrer fliegende Fiſche geſehen haben: Und ma-
chen alſo mit ihnen den ungezweifelten locum com-
munem: Daß es fliegende Fiſche in der Welt
gebe.
§. 3.
Man urtheilt ietzo von der Gewißheit gantz an-
ders als vor Zeiten.
Aus dieſen beyden Anmerckungen nun, daß
man im gemeinen Leben ſich um allgemeine Wahr-
heiten wenig bekuͤmmert (§. 1.), denen Empfin-
dungen aber durchgaͤngig, und denen Ausſagen nebſt
den Erfahrungen groſſen theils Gewißheit bey-
legt (§. 2.), erhellet ſo viel, daß man nach der ge-
meinen Gedenckart die Gewißheit, hauptſaͤchlich
als eine Eigenſchafft der hiſtoriſchen Wahrhei-
ten anſiehet. Und ſo haben ſonſten auch ſelbſt
die Philoſophen gedacht. Die Zweiffler, unter
denen die Platonicker den groͤſten Hauffen ausge-
macht haben, haben ſich lediglich mit den Schwie-
rigkeiten beſchaͤfftiget, womit die Erkentniß der
allgemeinen Wahrheiten umgeben iſt: Selbſt
der Pyrrhoniſmus hat ſich nur auf die phyſicali-
ſche Erkentniß, in wie weit ſie mit den
Sachen auſſer uns, an und vor ſich ſelbſt betrach-
tet
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