ausführlich in Versen fortpflantzen. Ja es schei- net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten nicht sowohl der Unvollkommenheit und Beschwer- lichkeit der mündlichen Fortpflantzung, als dem Unfleisse, solche beybehaltene Nachrichten aufzu- schreiben, und in den etwa aufgeschriebenen zu lesen und zu lernen, zuzuschreiben haben.
§. 21. Veränderungen der Urkunde verändern die Geschichte.
Wenn aber die Nachsager sich nicht an die Formel der Urkunde halten, so ist unvermeidlich, daß nicht die Nachricht nach und nach, ja selbst in kurtzen, gar sehr geändert, und mithin die Geschichte selbst verunstaltet, und mit Fabeln vermenget werde. Eine neue Geschichte, die meist mündlich fortgepflantzet oder ausgebreitet wird, heisset der Ruf: und davon weiß man, was vor Unwahrheiten sich daran zu hängen pflegen, nach Virgils Beschreibung: Aeneid. IV. 174.
Fama, malum, quo non velocius ullum: Mobilitate viget, viresque acquirit eundo: Parua metu primo, mox sese attollit in auras, Ingrediturque solo, & caput inter nubila condit.
Diese Veränderungen einer Erzehlung durchs Nachsagen, müssen allerdings hier in Betrachtung gezogen werden. Allein bey mündlicher Aus- breitung, wo sogar das Hören, oder vielmehr das nicht recht Hören, und das Ansehen und Minen des Erzehlenden einen grossen Einfluß in
die
M
v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
ausfuͤhrlich in Verſen fortpflantzen. Ja es ſchei- net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten nicht ſowohl der Unvollkommenheit und Beſchwer- lichkeit der muͤndlichen Fortpflantzung, als dem Unfleiſſe, ſolche beybehaltene Nachrichten aufzu- ſchreiben, und in den etwa aufgeſchriebenen zu leſen und zu lernen, zuzuſchreiben haben.
§. 21. Veraͤnderungen der Urkunde veraͤndern die Geſchichte.
Wenn aber die Nachſager ſich nicht an die Formel der Urkunde halten, ſo iſt unvermeidlich, daß nicht die Nachricht nach und nach, ja ſelbſt in kurtzen, gar ſehr geaͤndert, und mithin die Geſchichte ſelbſt verunſtaltet, und mit Fabeln vermenget werde. Eine neue Geſchichte, die meiſt muͤndlich fortgepflantzet oder ausgebreitet wird, heiſſet der Ruf: und davon weiß man, was vor Unwahrheiten ſich daran zu haͤngen pflegen, nach Virgils Beſchreibung: Aeneid. IV. 174.
Fama, malum, quo non velocius ullum: Mobilitate viget, viresque acquirit eundo: Parua metu primo, mox ſeſe attollit in auras, Ingrediturque ſolo, & caput inter nubila condit.
Dieſe Veraͤnderungen einer Erzehlung durchs Nachſagen, muͤſſen allerdings hier in Betrachtung gezogen werden. Allein bey muͤndlicher Aus- breitung, wo ſogar das Hoͤren, oder vielmehr das nicht recht Hoͤren, und das Anſehen und Minen des Erzehlenden einen groſſen Einfluß in
die
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
ausfuͤhrlich in Verſen fortpflantzen. Ja es ſchei-
net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten
nicht ſowohl der Unvollkommenheit und Beſchwer-
lichkeit der muͤndlichen Fortpflantzung, als dem
Unfleiſſe, ſolche beybehaltene Nachrichten aufzu-
ſchreiben, und in den etwa aufgeſchriebenen zu
leſen und zu lernen, zuzuſchreiben haben.
§. 21.
Veraͤnderungen der Urkunde veraͤndern
die Geſchichte.
Wenn aber die Nachſager ſich nicht an die
Formel der Urkunde halten, ſo iſt unvermeidlich,
daß nicht die Nachricht nach und nach, ja ſelbſt
in kurtzen, gar ſehr geaͤndert, und mithin die
Geſchichte ſelbſt verunſtaltet, und mit Fabeln
vermenget werde. Eine neue Geſchichte, die meiſt
muͤndlich fortgepflantzet oder ausgebreitet wird,
heiſſet der Ruf: und davon weiß man, was vor
Unwahrheiten ſich daran zu haͤngen pflegen, nach
Virgils Beſchreibung: Aeneid. IV. 174.
Fama, malum, quo non velocius ullum:
Mobilitate viget, viresque acquirit eundo:
Parua metu primo, mox ſeſe attollit in auras,
Ingrediturque ſolo, & caput inter nubila
condit.
Dieſe Veraͤnderungen einer Erzehlung durchs
Nachſagen, muͤſſen allerdings hier in Betrachtung
gezogen werden. Allein bey muͤndlicher Aus-
breitung, wo ſogar das Hoͤren, oder vielmehr
das nicht recht Hoͤren, und das Anſehen und
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/213>, abgerufen am 03.03.2025.
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