Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung etc. ausführlich in Versen fortpflantzen. Ja es schei-net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten nicht sowohl der Unvollkommenheit und Beschwer- lichkeit der mündlichen Fortpflantzung, als dem Unfleisse, solche beybehaltene Nachrichten aufzu- schreiben, und in den etwa aufgeschriebenen zu lesen und zu lernen, zuzuschreiben haben. §. 21. Veränderungen der Urkunde verändern die Geschichte. Wenn aber die Nachsager sich nicht an die Fama, malum, quo non velocius ullum: Diese Veränderungen einer Erzehlung durchs die M
v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc. ausfuͤhrlich in Verſen fortpflantzen. Ja es ſchei-net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten nicht ſowohl der Unvollkommenheit und Beſchwer- lichkeit der muͤndlichen Fortpflantzung, als dem Unfleiſſe, ſolche beybehaltene Nachrichten aufzu- ſchreiben, und in den etwa aufgeſchriebenen zu leſen und zu lernen, zuzuſchreiben haben. §. 21. Veraͤnderungen der Urkunde veraͤndern die Geſchichte. Wenn aber die Nachſager ſich nicht an die Fama, malum, quo non velocius ullum: Dieſe Veraͤnderungen einer Erzehlung durchs die M
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v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
ausfuͤhrlich in Verſen fortpflantzen. Ja es ſchei-
net, daß wir den Mangel der alten Nachrichten
nicht ſowohl der Unvollkommenheit und Beſchwer-
lichkeit der muͤndlichen Fortpflantzung, als dem
Unfleiſſe, ſolche beybehaltene Nachrichten aufzu-
ſchreiben, und in den etwa aufgeſchriebenen zu
leſen und zu lernen, zuzuſchreiben haben.
§. 21.
Veraͤnderungen der Urkunde veraͤndern
die Geſchichte.
Wenn aber die Nachſager ſich nicht an die
Formel der Urkunde halten, ſo iſt unvermeidlich,
daß nicht die Nachricht nach und nach, ja ſelbſt
in kurtzen, gar ſehr geaͤndert, und mithin die
Geſchichte ſelbſt verunſtaltet, und mit Fabeln
vermenget werde. Eine neue Geſchichte, die meiſt
muͤndlich fortgepflantzet oder ausgebreitet wird,
heiſſet der Ruf: und davon weiß man, was vor
Unwahrheiten ſich daran zu haͤngen pflegen, nach
Virgils Beſchreibung: Aeneid. IV. 174.
Fama, malum, quo non velocius ullum:
Mobilitate viget, viresque acquirit eundo:
Parua metu primo, mox ſeſe attollit in auras,
Ingrediturque ſolo, & caput inter nubila
condit.
Dieſe Veraͤnderungen einer Erzehlung durchs
Nachſagen, muͤſſen allerdings hier in Betrachtung
gezogen werden. Allein bey muͤndlicher Aus-
breitung, wo ſogar das Hoͤren, oder vielmehr
das nicht recht Hoͤren, und das Anſehen und
Minen des Erzehlenden einen groſſen Einfluß in
die
M
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