Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung etc. ist denn entweder der Autor, oder der Nach-sager. Nun ist diese Benennung zwar daher genommen, daß man die Geschichte, die man selbst gehört, und nicht gesehen, bey andern nach- saget, und scheinet also nicht bequem zu seyn, die- jenige Person auszudrücken, welche eine Erzeh- lung anhöret, weil man dieselbe ja auch bey sich behalten kan, und eben nicht nachsagen muß: dennoch da ein solcher Hörer der Geschichte, der solche bey sich behält, in Ansehung der Ausbreitung der Geschichte vor niemand, vor einen todten Mann zu rechnen ist; so kommt bey uns, unter den Anhörern einer Geschichte, nur derjenige in Anschlag, der sol- che weiter erzehlt. Anhörer der Geschichte, und Nachsager sind also zwar nicht in abstracto, aber doch in concreto betrachtet, und zwar in Absicht auf die Ausbreitung einer Geschichte, einerley Personen. Wer eine Geschichte vielen erzehlet, der breitet eine Geschichte aus: denn es ist nicht zu vermeiden, daß diese viele es nicht noch meh- reren Zuhörern und Nachsagern verkündigen sollten. §. 5. Man erfährt die Begebenheiten durch ei- nen Canal. Wie nun der Zuhörer einer Geschichte diesel- terschie-
v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc. iſt denn entweder der Autor, oder der Nach-ſager. Nun iſt dieſe Benennung zwar daher genommen, daß man die Geſchichte, die man ſelbſt gehoͤrt, und nicht geſehen, bey andern nach- ſaget, und ſcheinet alſo nicht bequem zu ſeyn, die- jenige Perſon auszudruͤcken, welche eine Erzeh- lung anhoͤret, weil man dieſelbe ja auch bey ſich behalten kan, und eben nicht nachſagen muß: dennoch da ein ſolcher Hoͤrer der Geſchichte, der ſolche bey ſich behaͤlt, in Anſehung der Ausbreitung der Geſchichte vor niemand, vor einen todten Mann zu rechnen iſt; ſo kommt bey uns, unter den Anhoͤrern einer Geſchichte, nur derjenige in Anſchlag, der ſol- che weiter erzehlt. Anhoͤrer der Geſchichte, und Nachſager ſind alſo zwar nicht in abſtracto, aber doch in concreto betrachtet, und zwar in Abſicht auf die Ausbreitung einer Geſchichte, einerley Perſonen. Wer eine Geſchichte vielen erzehlet, der breitet eine Geſchichte aus: denn es iſt nicht zu vermeiden, daß dieſe viele es nicht noch meh- reren Zuhoͤrern und Nachſagern verkuͤndigen ſollten. §. 5. Man erfaͤhrt die Begebenheiten durch ei- nen Canal. Wie nun der Zuhoͤrer einer Geſchichte dieſel- terſchie-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0195" n="159"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.</hi></fw><lb/> iſt denn entweder der <hi rendition="#fr">Autor,</hi> oder der <hi rendition="#fr">Nach-<lb/> ſager.</hi> Nun iſt dieſe <hi rendition="#fr">Benennung</hi> zwar daher<lb/> genommen, daß man die Geſchichte, die man<lb/> ſelbſt gehoͤrt, und nicht geſehen, bey andern nach-<lb/> ſaget, und ſcheinet alſo nicht bequem zu ſeyn, die-<lb/> jenige Perſon auszudruͤcken, welche <hi rendition="#fr">eine Erzeh-<lb/> lung anhoͤret,</hi> weil man dieſelbe ja auch bey<lb/> ſich behalten kan, und eben nicht nachſagen muß:<lb/> dennoch da ein ſolcher Hoͤrer der Geſchichte, der ſolche<lb/> bey ſich behaͤlt, in Anſehung der Ausbreitung der<lb/> Geſchichte vor <hi rendition="#fr">niemand,</hi> vor einen todten Mann<lb/> zu rechnen iſt; ſo kommt bey uns, unter den Anhoͤrern<lb/> einer Geſchichte, nur derjenige in Anſchlag, der ſol-<lb/> che weiter erzehlt. <hi rendition="#fr">Anhoͤrer</hi> der Geſchichte, und<lb/><hi rendition="#fr">Nachſager</hi> ſind alſo zwar nicht <hi rendition="#aq">in abſtracto,</hi> aber<lb/> doch <hi rendition="#aq">in concreto</hi> betrachtet, und zwar in Abſicht<lb/> auf die Ausbreitung einer Geſchichte, einerley<lb/> Perſonen. Wer eine Geſchichte vielen erzehlet,<lb/> der <hi rendition="#fr">breitet</hi> eine Geſchichte <hi rendition="#fr">aus:</hi> denn es iſt nicht<lb/> zu vermeiden, daß dieſe viele es nicht noch <hi rendition="#fr">meh-<lb/> reren</hi> Zuhoͤrern und Nachſagern verkuͤndigen<lb/> ſollten.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 5.<lb/> Man erfaͤhrt die Begebenheiten durch ei-<lb/> nen Canal.</head><lb/> <p>Wie nun der Zuhoͤrer einer Geſchichte dieſel-<lb/> be nachſagen kan, wovon er <hi rendition="#fr">Nachſager</hi> genen-<lb/> net wird; ſo iſt natuͤrlich, daß es auch von die-<lb/> ſem wiederum geſchehen koͤnne. Und ſo entſtehet<lb/> eine gantze <hi rendition="#fr">Reyhe</hi> von Perſonen, deren eine es<lb/> immer von der andern hat. Dieſe ſollten nun<lb/> ebenfals mit geſchickten Worten von einander un-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">terſchie-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0195]
v. d. Ausbreitung u. Fortpflantzung ꝛc.
iſt denn entweder der Autor, oder der Nach-
ſager. Nun iſt dieſe Benennung zwar daher
genommen, daß man die Geſchichte, die man
ſelbſt gehoͤrt, und nicht geſehen, bey andern nach-
ſaget, und ſcheinet alſo nicht bequem zu ſeyn, die-
jenige Perſon auszudruͤcken, welche eine Erzeh-
lung anhoͤret, weil man dieſelbe ja auch bey
ſich behalten kan, und eben nicht nachſagen muß:
dennoch da ein ſolcher Hoͤrer der Geſchichte, der ſolche
bey ſich behaͤlt, in Anſehung der Ausbreitung der
Geſchichte vor niemand, vor einen todten Mann
zu rechnen iſt; ſo kommt bey uns, unter den Anhoͤrern
einer Geſchichte, nur derjenige in Anſchlag, der ſol-
che weiter erzehlt. Anhoͤrer der Geſchichte, und
Nachſager ſind alſo zwar nicht in abſtracto, aber
doch in concreto betrachtet, und zwar in Abſicht
auf die Ausbreitung einer Geſchichte, einerley
Perſonen. Wer eine Geſchichte vielen erzehlet,
der breitet eine Geſchichte aus: denn es iſt nicht
zu vermeiden, daß dieſe viele es nicht noch meh-
reren Zuhoͤrern und Nachſagern verkuͤndigen
ſollten.
§. 5.
Man erfaͤhrt die Begebenheiten durch ei-
nen Canal.
Wie nun der Zuhoͤrer einer Geſchichte dieſel-
be nachſagen kan, wovon er Nachſager genen-
net wird; ſo iſt natuͤrlich, daß es auch von die-
ſem wiederum geſchehen koͤnne. Und ſo entſtehet
eine gantze Reyhe von Perſonen, deren eine es
immer von der andern hat. Dieſe ſollten nun
ebenfals mit geſchickten Worten von einander un-
terſchie-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |