kommen, die nach einander geschehen, oder auf einander gefolgt wären, so würde der Grund- riß ohne alle Schwierigkeit gemacht seyn: weil aber vieles zugleich geschiehet, welches doch nicht zugleich erzehlt werden kan (§. 2.); so muß eine Theilung vorgenommen, und eines dem andern, anders als würcklich geschehen, nachge- setzt werden; welches denn Ueberlegung erfordert. Wobey auf keine andere Art zu einer Entschlüs- sung zu kommen, als daß man erweget, welches zum Verstande und Einsicht in das andere das mehreste beytrage, und deswegen dem andern vorzusetzen sey.
§. 19. Gelehrte und politische Erzehlungen.
Wenn man bey seiner Erzehlung nichts in- tendirt, als den Unterricht der Leser, oder der Zu- hörer, und daß derselbe so vollständig sey als mög- lich, so würde eine Geschichte zu erzehlen weiter kein Bedencken und keine Schwierigkeit haben. Je umständlicher auch die Kleinigkeiten ange- führet würden, desto mehrere und mancherleye Le- ser würden dabey ihre Rechnung finden. Die Ordnung der Zeit würde jede Stelle, wo ein jedes anzubringen sey, gnugsam bestimmen. Aber solche Erzehlungen können selten gemacht werden. Diejenigen, welche von einer Geschichte Zuschauer sind, haben gemeiniglich auch mit der Sache selbst zu thun; und bleiben auch lange hernach in ei- ne[r] solchen Verbindung, daß sie nicht freye Hän- de haben, mit einer völligen Gleichgültigkeit alles
und
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v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc.
kommen, die nach einander geſchehen, oder auf einander gefolgt waͤren, ſo wuͤrde der Grund- riß ohne alle Schwierigkeit gemacht ſeyn: weil aber vieles zugleich geſchiehet, welches doch nicht zugleich erzehlt werden kan (§. 2.); ſo muß eine Theilung vorgenommen, und eines dem andern, anders als wuͤrcklich geſchehen, nachge- ſetzt werden; welches denn Ueberlegung erfordert. Wobey auf keine andere Art zu einer Entſchluͤſ- ſung zu kommen, als daß man erweget, welches zum Verſtande und Einſicht in das andere das mehreſte beytrage, und deswegen dem andern vorzuſetzen ſey.
§. 19. Gelehrte und politiſche Erzehlungen.
Wenn man bey ſeiner Erzehlung nichts in- tendirt, als den Unterricht der Leſer, oder der Zu- hoͤrer, und daß derſelbe ſo vollſtaͤndig ſey als moͤg- lich, ſo wuͤrde eine Geſchichte zu erzehlen weiter kein Bedencken und keine Schwierigkeit haben. Je umſtaͤndlicher auch die Kleinigkeiten ange- fuͤhret wuͤrden, deſto mehrere und mancherleye Le- ſer wuͤrden dabey ihre Rechnung finden. Die Ordnung der Zeit wuͤrde jede Stelle, wo ein jedes anzubringen ſey, gnugſam beſtimmen. Aber ſolche Erzehlungen koͤnnen ſelten gemacht werden. Diejenigen, welche von einer Geſchichte Zuſchauer ſind, haben gemeiniglich auch mit der Sache ſelbſt zu thun; und bleiben auch lange hernach in ei- ne[r] ſolchen Verbindung, daß ſie nicht freye Haͤn- de haben, mit einer voͤlligen Gleichguͤltigkeit alles
und
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v. d. Verwandelung der Geſchichte ꝛc.
kommen, die nach einander geſchehen, oder
auf einander gefolgt waͤren, ſo wuͤrde der Grund-
riß ohne alle Schwierigkeit gemacht ſeyn: weil
aber vieles zugleich geſchiehet, welches doch
nicht zugleich erzehlt werden kan (§. 2.); ſo
muß eine Theilung vorgenommen, und eines dem
andern, anders als wuͤrcklich geſchehen, nachge-
ſetzt werden; welches denn Ueberlegung erfordert.
Wobey auf keine andere Art zu einer Entſchluͤſ-
ſung zu kommen, als daß man erweget, welches
zum Verſtande und Einſicht in das andere das
mehreſte beytrage, und deswegen dem andern
vorzuſetzen ſey.
§. 19.
Gelehrte und politiſche Erzehlungen.
Wenn man bey ſeiner Erzehlung nichts in-
tendirt, als den Unterricht der Leſer, oder der Zu-
hoͤrer, und daß derſelbe ſo vollſtaͤndig ſey als moͤg-
lich, ſo wuͤrde eine Geſchichte zu erzehlen weiter
kein Bedencken und keine Schwierigkeit haben.
Je umſtaͤndlicher auch die Kleinigkeiten ange-
fuͤhret wuͤrden, deſto mehrere und mancherleye Le-
ſer wuͤrden dabey ihre Rechnung finden. Die
Ordnung der Zeit wuͤrde jede Stelle, wo ein
jedes anzubringen ſey, gnugſam beſtimmen. Aber
ſolche Erzehlungen koͤnnen ſelten gemacht werden.
Diejenigen, welche von einer Geſchichte Zuſchauer
ſind, haben gemeiniglich auch mit der Sache ſelbſt
zu thun; und bleiben auch lange hernach in ei-
ner ſolchen Verbindung, daß ſie nicht freye Haͤn-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/171>, abgerufen am 03.03.2025.
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