in dem Programmate: de fatis Bibliothecae Au- gustini in excidio Hipponensi.
§. 16. Gründliche Erzehlungen setzen noch andere Verwandelungen voraus.
Alle diese Veränderungen pflegen nun sowohl eintzeln, als in Menge, bey solchen Fällen vor- zukommen, wo man nur gelegentlich die Ge- schichte, wovon man ein Zuschauer gewesen, vor- trägt. Wenn man aber die Geschichte, die man als ein Zuschauer weiß, gründlich, nehm- lich zur Belehrung der Entfernten, und der Nach- welt, erzehlen und aufzeichnen will, so daß man einen Geschichtschreiber ex instituto abgiebt, so gehen noch mehr Verwandelungen vor, ehe es mit der Beschreibung und Erzehlung zur Würck- lichkeit kommt. Zuförderst da jeder aus seinem eigenen Sehepunckte keine vollständige Geschichte erlangen kan, und aus den Umständen, die ihm bey- wohnend sind, wohl absehen kan, daß ihm mancher beträchtlicher Umstand verborgen seyn müsse (§. 26. C. 5.); so muß seine erste Sorge seyn, daß er die ihm ermangelnden Nachrichten von den übrigen Zu- schauern der Geschichte herbeyschaffe, und diese dadurch ergäntze. Denn Muthmassungen wol- len da nicht zureichen (§. 15.). Wer nur das Leben eines Mannes beschreiben will, den er noch so wohl gekennet, wird dennoch der Nachrichten von andern Leuten nicht entbehren können. Die Geschichte einer eroberten Stadt wird nicht voll- ständig werden, wenn man nicht sowohl die Nach- richten aus der eroberten Stadt, als auch dem
Feld-
Sechſtes Capitel,
in dem Programmate: de fatis Bibliothecæ Au- guſtini in excidio Hipponenſi.
§. 16. Gruͤndliche Erzehlungen ſetzen noch andere Verwandelungen voraus.
Alle dieſe Veraͤnderungen pflegen nun ſowohl eintzeln, als in Menge, bey ſolchen Faͤllen vor- zukommen, wo man nur gelegentlich die Ge- ſchichte, wovon man ein Zuſchauer geweſen, vor- traͤgt. Wenn man aber die Geſchichte, die man als ein Zuſchauer weiß, gruͤndlich, nehm- lich zur Belehrung der Entfernten, und der Nach- welt, erzehlen und aufzeichnen will, ſo daß man einen Geſchichtſchreiber ex inſtituto abgiebt, ſo gehen noch mehr Verwandelungen vor, ehe es mit der Beſchreibung und Erzehlung zur Wuͤrck- lichkeit kommt. Zufoͤrderſt da jeder aus ſeinem eigenen Sehepunckte keine vollſtaͤndige Geſchichte erlangen kan, und aus den Umſtaͤnden, die ihm bey- wohnend ſind, wohl abſehen kan, daß ihm mancher betraͤchtlicher Umſtand verborgen ſeyn muͤſſe (§. 26. C. 5.); ſo muß ſeine erſte Sorge ſeyn, daß er die ihm ermangelnden Nachrichten von den uͤbrigen Zu- ſchauern der Geſchichte herbeyſchaffe, und dieſe dadurch ergaͤntze. Denn Muthmaſſungen wol- len da nicht zureichen (§. 15.). Wer nur das Leben eines Mannes beſchreiben will, den er noch ſo wohl gekennet, wird dennoch der Nachrichten von andern Leuten nicht entbehren koͤnnen. Die Geſchichte einer eroberten Stadt wird nicht voll- ſtaͤndig werden, wenn man nicht ſowohl die Nach- richten aus der eroberten Stadt, als auch dem
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Sechſtes Capitel,
in dem Programmate: de fatis Bibliothecæ Au-
guſtini in excidio Hipponenſi.
§. 16.
Gruͤndliche Erzehlungen ſetzen noch andere
Verwandelungen voraus.
Alle dieſe Veraͤnderungen pflegen nun ſowohl
eintzeln, als in Menge, bey ſolchen Faͤllen vor-
zukommen, wo man nur gelegentlich die Ge-
ſchichte, wovon man ein Zuſchauer geweſen, vor-
traͤgt. Wenn man aber die Geſchichte, die
man als ein Zuſchauer weiß, gruͤndlich, nehm-
lich zur Belehrung der Entfernten, und der Nach-
welt, erzehlen und aufzeichnen will, ſo daß man
einen Geſchichtſchreiber ex inſtituto abgiebt, ſo
gehen noch mehr Verwandelungen vor, ehe es
mit der Beſchreibung und Erzehlung zur Wuͤrck-
lichkeit kommt. Zufoͤrderſt da jeder aus ſeinem
eigenen Sehepunckte keine vollſtaͤndige Geſchichte
erlangen kan, und aus den Umſtaͤnden, die ihm bey-
wohnend ſind, wohl abſehen kan, daß ihm mancher
betraͤchtlicher Umſtand verborgen ſeyn muͤſſe (§. 26.
C. 5.); ſo muß ſeine erſte Sorge ſeyn, daß er die ihm
ermangelnden Nachrichten von den uͤbrigen Zu-
ſchauern der Geſchichte herbeyſchaffe, und dieſe
dadurch ergaͤntze. Denn Muthmaſſungen wol-
len da nicht zureichen (§. 15.). Wer nur das
Leben eines Mannes beſchreiben will, den er noch
ſo wohl gekennet, wird dennoch der Nachrichten
von andern Leuten nicht entbehren koͤnnen. Die
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ſtaͤndig werden, wenn man nicht ſowohl die Nach-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/168>, abgerufen am 21.11.2024.
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