welcher Weise sie den nothwendig eintretenden Zuwachs zum Ausbau allgemeiner Ansichten benutzten. Ja, es ist bis jetzt nicht einmal mög- lich, eine vollständige Uebersicht über das litterarische Material zu er- langen, welches die abendländischen Schriftsteller des dreizehnten Jahr- hunderts benutzen konnten.
Originalarbeiten der Araber.
Es wurde bereits angeführt, daß die Araber die Anregung zu wis- senschaftlichen Arbeiten, so weit sich dieselben nicht auf den Koran be- schränkten, von außen erhielten. Schon vor dem Auftreten Muham- meds bestanden in Syrien und Aegypten griechische christliche und jü- dische Schulen. Antiochien, Damaskus, Berytus u. a. waren oft genannte Orte. Eine der ältesten christlichen Schulen war zu Risibis, wo allerdings mit Ausschluß der Profanwissenschaften nur Theologie gelehrt wurde. Von hier soll Ephraim der Syrer die Schule nach Edessa verlegt haben, wo sie sich nicht mehr auf Theologie beschränkte. Als Zeno der Isaurier im J. 489 diese Schule aufhob, giengen viele ihrer Lehrer nach dem zwei Jahrhunderte vorher gegründeten Gondischapur; und dies ist eine der ältesten Schulen, in welcher Perser mit Griechen und Christen als Lehrer direct in Berührung kamen81). Fünfzig Jahre später flüchteten die von Justinian vertriebenen Philosophen an den Hof des Kosru Ruschirwan. Uebersetzungen aus dem Syrischen und aus dem Griechischen direct wurden nun veranlaßt. Als dann in der Mitte des siebenten Jahrhunderts das persische Reich vor dem siegreich sich ausbreitenden Islam zerfiel, fanden die Araber ein bereits reges geistiges Leben dort vor. Doch ist nach der Natur der religiös fanatischen Kämpfe nicht zu erwarten, daß ein directes Anknüpfen hier eingetreten wäre; vielmehr gieng auch hier der spätern Wiederbelebung wissenschaft-
81) In Bezug auf die weitere Entwickelung der Schulen und Akademien, deren Schilderung hier zu weit führen würde, vergl. Wüstenfeld, die Akademien der Araber und ihre Lehrer. Göttingen, 1837. Haneberg, Ueber das Schul- und Lehrwesen der Muhammedaner im Mittelalter. München, 1850. E. Meyer, Ge- schichte der Botanik. 3. Bd. S. 19 flgde, 102 flgde.
Die Zoologie des Mittelalters.
welcher Weiſe ſie den nothwendig eintretenden Zuwachs zum Ausbau allgemeiner Anſichten benutzten. Ja, es iſt bis jetzt nicht einmal mög- lich, eine vollſtändige Ueberſicht über das litterariſche Material zu er- langen, welches die abendländiſchen Schriftſteller des dreizehnten Jahr- hunderts benutzen konnten.
Originalarbeiten der Araber.
Es wurde bereits angeführt, daß die Araber die Anregung zu wiſ- ſenſchaftlichen Arbeiten, ſo weit ſich dieſelben nicht auf den Koran be- ſchränkten, von außen erhielten. Schon vor dem Auftreten Muham- meds beſtanden in Syrien und Aegypten griechiſche chriſtliche und jü- diſche Schulen. Antiochien, Damaskus, Berytus u. a. waren oft genannte Orte. Eine der älteſten chriſtlichen Schulen war zu Riſibis, wo allerdings mit Ausſchluß der Profanwiſſenſchaften nur Theologie gelehrt wurde. Von hier ſoll Ephraim der Syrer die Schule nach Edeſſa verlegt haben, wo ſie ſich nicht mehr auf Theologie beſchränkte. Als Zeno der Iſaurier im J. 489 dieſe Schule aufhob, giengen viele ihrer Lehrer nach dem zwei Jahrhunderte vorher gegründeten Gondiſchapur; und dies iſt eine der älteſten Schulen, in welcher Perſer mit Griechen und Chriſten als Lehrer direct in Berührung kamen81). Fünfzig Jahre ſpäter flüchteten die von Juſtinian vertriebenen Philoſophen an den Hof des Kosru Ruſchirwan. Ueberſetzungen aus dem Syriſchen und aus dem Griechiſchen direct wurden nun veranlaßt. Als dann in der Mitte des ſiebenten Jahrhunderts das perſiſche Reich vor dem ſiegreich ſich ausbreitenden Islam zerfiel, fanden die Araber ein bereits reges geiſtiges Leben dort vor. Doch iſt nach der Natur der religiös fanatiſchen Kämpfe nicht zu erwarten, daß ein directes Anknüpfen hier eingetreten wäre; vielmehr gieng auch hier der ſpätern Wiederbelebung wiſſenſchaft-
81) In Bezug auf die weitere Entwickelung der Schulen und Akademien, deren Schilderung hier zu weit führen würde, vergl. Wüſtenfeld, die Akademien der Araber und ihre Lehrer. Göttingen, 1837. Haneberg, Ueber das Schul- und Lehrweſen der Muhammedaner im Mittelalter. München, 1850. E. Meyer, Ge- ſchichte der Botanik. 3. Bd. S. 19 flgde, 102 flgde.
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Die Zoologie des Mittelalters.
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allgemeiner Anſichten benutzten. Ja, es iſt bis jetzt nicht einmal mög-
lich, eine vollſtändige Ueberſicht über das litterariſche Material zu er-
langen, welches die abendländiſchen Schriftſteller des dreizehnten Jahr-
hunderts benutzen konnten.
Originalarbeiten der Araber.
Es wurde bereits angeführt, daß die Araber die Anregung zu wiſ-
ſenſchaftlichen Arbeiten, ſo weit ſich dieſelben nicht auf den Koran be-
ſchränkten, von außen erhielten. Schon vor dem Auftreten Muham-
meds beſtanden in Syrien und Aegypten griechiſche chriſtliche und jü-
diſche Schulen. Antiochien, Damaskus, Berytus u. a. waren oft
genannte Orte. Eine der älteſten chriſtlichen Schulen war zu Riſibis,
wo allerdings mit Ausſchluß der Profanwiſſenſchaften nur Theologie
gelehrt wurde. Von hier ſoll Ephraim der Syrer die Schule nach Edeſſa
verlegt haben, wo ſie ſich nicht mehr auf Theologie beſchränkte. Als
Zeno der Iſaurier im J. 489 dieſe Schule aufhob, giengen viele ihrer
Lehrer nach dem zwei Jahrhunderte vorher gegründeten Gondiſchapur;
und dies iſt eine der älteſten Schulen, in welcher Perſer mit Griechen
und Chriſten als Lehrer direct in Berührung kamen 81). Fünfzig Jahre
ſpäter flüchteten die von Juſtinian vertriebenen Philoſophen an den
Hof des Kosru Ruſchirwan. Ueberſetzungen aus dem Syriſchen und
aus dem Griechiſchen direct wurden nun veranlaßt. Als dann in der
Mitte des ſiebenten Jahrhunderts das perſiſche Reich vor dem ſiegreich
ſich ausbreitenden Islam zerfiel, fanden die Araber ein bereits reges
geiſtiges Leben dort vor. Doch iſt nach der Natur der religiös fanatiſchen
Kämpfe nicht zu erwarten, daß ein directes Anknüpfen hier eingetreten
wäre; vielmehr gieng auch hier der ſpätern Wiederbelebung wiſſenſchaft-
81) In Bezug auf die
weitere Entwickelung der Schulen und Akademien, deren
Schilderung hier zu weit führen würde, vergl. Wüſtenfeld, die Akademien der
Araber und ihre Lehrer. Göttingen, 1837. Haneberg, Ueber das Schul- und
Lehrweſen der Muhammedaner im Mittelalter. München, 1850. E. Meyer, Ge-
ſchichte der Botanik. 3. Bd. S. 19 flgde, 102 flgde.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/169>, abgerufen am 21.11.2024.
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