4. Ansichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
noch die Hinweise auf geographische Verbreitung einzelner Formen wie ganzer Gruppen. Die Aufzählung erfolgt mehr zufällig, um das Ge- sammtbild zu vervollständigen.
Die Kenntniß fossiler Formen war im Alterthum schon aus der einen Ursache, daß man nicht auf die Verschiedenheit derselben von lebenden Arten aufmerksam wurde, für eine Geschichte der Thierwelt völlig unfruchtbar. Denn die Geschichte des Auftretens der organischen Wesen, wie sie Empedokles erzählt, ist auf metaphysische Voraus- setzungen begründet, nicht aus directen Beobachtungen einer früher an- dersartigen Thierwelt erschlossen. Die schon von Xenophanes ausge- sprochene Ansicht, daß die Erde ursprünglich von Wasser bedeckt gewesen sei, blieb durch das ganze Alterthum bestehen; später trat dann wohl auch noch die Annahme hinzu, daß auch Land wieder untersinken könne107). Hieraus wurde das Vorkommen von Muscheln, Fischresten u. s. w. auf Bergen erklärt, wie es schon Herodot aus Aegypten be- richtet hatte, wie es dann Eratosthenes, Ovid, Tertullian anführen und wie es Origenes dem Xenophanes noch nacherzählt108). Wie man später durch Verallgemeinerung der noachischen Fluth den Untergang vieler Thiergeschlechter erklären zu können meinte, so wurde früher die deukalionische Fluth wenigstens dafür als Ursache angesehen, daß man Reste von Meerthieren auf Bergen und in Steinbrüchen finde.
Ausgang des Alterthums.
Wie die Entwickelung eines organischen Wesens eine nothwendige ist, durch die Beschaffenheit seines Keimes und die Art äußerer Ein-
107)Ovidii Metamorph. XV. v. 262-264: vidi ego, quod fuerat quondam solidissima tellus esse fretum.
108)Herodot, 2. Buch, 12. Kap.; Eratosthenes, Geograph. fragm. ed. Seidel, p. 28-33; G. Bernhardy, Eratosthenica, p. 46-48. Appu- lejus, Opera, ed. Hildebrand. T. II. p. 534 (Apologie, cap. 41). Tertul- liani[ ]lib. de pallio, ed. Claud. Salmasius. Lugd. Bat. 1656. cap. II. p. 6: Mutavit et totus orbis aliquando, aquis omnibus obsitus: adhuc maris con- chae et buccinae peregrinantur in montibus. Origenes, Philosophumena. ed. Miller. p. 19. (peri Ksenophanous)
4. Anſichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
noch die Hinweiſe auf geographiſche Verbreitung einzelner Formen wie ganzer Gruppen. Die Aufzählung erfolgt mehr zufällig, um das Ge- ſammtbild zu vervollſtändigen.
Die Kenntniß foſſiler Formen war im Alterthum ſchon aus der einen Urſache, daß man nicht auf die Verſchiedenheit derſelben von lebenden Arten aufmerkſam wurde, für eine Geſchichte der Thierwelt völlig unfruchtbar. Denn die Geſchichte des Auftretens der organiſchen Weſen, wie ſie Empedokles erzählt, iſt auf metaphyſiſche Voraus- ſetzungen begründet, nicht aus directen Beobachtungen einer früher an- dersartigen Thierwelt erſchloſſen. Die ſchon von Xenophanes ausge- ſprochene Anſicht, daß die Erde urſprünglich von Waſſer bedeckt geweſen ſei, blieb durch das ganze Alterthum beſtehen; ſpäter trat dann wohl auch noch die Annahme hinzu, daß auch Land wieder unterſinken könne107). Hieraus wurde das Vorkommen von Muſcheln, Fiſchreſten u. ſ. w. auf Bergen erklärt, wie es ſchon Herodot aus Aegypten be- richtet hatte, wie es dann Eratoſthenes, Ovid, Tertullian anführen und wie es Origenes dem Xenophanes noch nacherzählt108). Wie man ſpäter durch Verallgemeinerung der noachiſchen Fluth den Untergang vieler Thiergeſchlechter erklären zu können meinte, ſo wurde früher die deukalioniſche Fluth wenigſtens dafür als Urſache angeſehen, daß man Reſte von Meerthieren auf Bergen und in Steinbrüchen finde.
Ausgang des Alterthums.
Wie die Entwickelung eines organiſchen Weſens eine nothwendige iſt, durch die Beſchaffenheit ſeines Keimes und die Art äußerer Ein-
107)Ovidii Metamorph. XV. v. 262-264: vidi ego, quod fuerat quondam solidissima tellus esse fretum.
108)Herodot, 2. Buch, 12. Kap.; Eratosthenes, Geograph. fragm. ed. Seidel, p. 28-33; G. Bernhardy, Eratosthenica, p. 46-48. Appu- lejus, Opera, ed. Hildebrand. T. II. p. 534 (Apologie, cap. 41). Tertul- liani[ ]lib. de pallio, ed. Claud. Salmasius. Lugd. Bat. 1656. cap. II. p. 6: Mutavit et totus orbis aliquando, aquis omnibus obsitus: adhuc maris con- chae et buccinae peregrinantur in montibus. Origenes, Philosophumena. ed. Miller. p. 19. (περὶ Ξενοφάνους)
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4. Anſichten über das Verhältniß der Thiere zur Erdoberfläche.
noch die Hinweiſe auf geographiſche Verbreitung einzelner Formen wie
ganzer Gruppen. Die Aufzählung erfolgt mehr zufällig, um das Ge-
ſammtbild zu vervollſtändigen.
Die Kenntniß foſſiler Formen war im Alterthum ſchon aus der
einen Urſache, daß man nicht auf die Verſchiedenheit derſelben von
lebenden Arten aufmerkſam wurde, für eine Geſchichte der Thierwelt
völlig unfruchtbar. Denn die Geſchichte des Auftretens der organiſchen
Weſen, wie ſie Empedokles erzählt, iſt auf metaphyſiſche Voraus-
ſetzungen begründet, nicht aus directen Beobachtungen einer früher an-
dersartigen Thierwelt erſchloſſen. Die ſchon von Xenophanes ausge-
ſprochene Anſicht, daß die Erde urſprünglich von Waſſer bedeckt geweſen
ſei, blieb durch das ganze Alterthum beſtehen; ſpäter trat dann wohl
auch noch die Annahme hinzu, daß auch Land wieder unterſinken
könne 107). Hieraus wurde das Vorkommen von Muſcheln, Fiſchreſten
u. ſ. w. auf Bergen erklärt, wie es ſchon Herodot aus Aegypten be-
richtet hatte, wie es dann Eratoſthenes, Ovid, Tertullian anführen
und wie es Origenes dem Xenophanes noch nacherzählt 108). Wie man
ſpäter durch Verallgemeinerung der noachiſchen Fluth den Untergang
vieler Thiergeſchlechter erklären zu können meinte, ſo wurde früher die
deukalioniſche Fluth wenigſtens dafür als Urſache angeſehen, daß man
Reſte von Meerthieren auf Bergen und in Steinbrüchen finde.
Ausgang des Alterthums.
Wie die Entwickelung eines organiſchen Weſens eine nothwendige
iſt, durch die Beſchaffenheit ſeines Keimes und die Art äußerer Ein-
107) Ovidii Metamorph. XV. v. 262-264: vidi ego, quod fuerat
quondam solidissima tellus esse fretum.
108) Herodot, 2. Buch, 12. Kap.; Eratosthenes, Geograph. fragm.
ed. Seidel, p. 28-33; G. Bernhardy, Eratosthenica, p. 46-48. Appu-
lejus, Opera, ed. Hildebrand. T. II. p. 534 (Apologie, cap. 41). Tertul-
liani lib. de pallio, ed. Claud. Salmasius. Lugd. Bat. 1656. cap. II. p. 6:
Mutavit et totus orbis aliquando, aquis omnibus obsitus: adhuc maris con-
chae et buccinae peregrinantur in montibus. Origenes, Philosophumena.
ed. Miller. p. 19. (περὶ Ξενοφάνους)
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/100>, abgerufen am 22.07.2024.
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