in deren jedem ein besonderer Strahl des ideellen seelischen Daseins sich verwirklicht.
Bullet2. Das eigentlich rein seelische System, aus dessen Erfühlungen bei einer höhern Concentration das Bewußt¬ sein sich allein entwickeln kann, ist das Nervensystem.
Bullet3. In jedem andern organischen Systeme ist die Seele an und für sich nur eines besondern Kreises von bewußt¬ losen Erfühlungen fähig, welche nur dadurch dem Bewußtsein mitgetheilt werden können, daß Zweige des rein seelischen Systems sich mit in sie einflechten, ihre Erfühlungen aufnehmen und somit sie dem Nervencentrum zueignen.
Bullet4. In der Erkenntniß der ursprünglichen Mannich¬ faltigkeit dieser Systeme und ihrer besonderen Erfühlungen ist sonach der erste Anhalt gegeben, um von der ursprüng¬ lich einem jeden höhern Seelenleben einwohnenden innern Mannichfaltigkeit der verschiedenen Seelenkreise eine sachgemäße Anschauung zu erhalten. Lange ehe wir einer Mehrheit von Vorstellungen und Gefühlen uns bewußt sind, lebt die Seele bewußtlos als ein Mannich¬ faltiges sich dar, und nur die deutliche Einsicht in die Verschiedenheit dieser ihrer Lebenskreise, welche erst spät in dem Gewahrwerden des eigenen Ich ihren Mittelpunkt finden, kann uns vom Seelenleben überhaupt eine ange¬ messene Vorstellung gewähren; kurz, wir müssen uns auch hier wieder von der Wahrheit jenes Satzes überzeugen, mit welchem wir alle diese Betrachtungen eröffneten: "der Schlüssel zur Erkenntniß des bewußten Seelenlebens liegt in der Region des Unbewußtseins."
c. Von dem wesentlich Unbewußten des Vorganges, durch welchen innerhalb der Gattung die Individuen vervielfältigt werden.
Im Vorhergehenden ist uns klar geworden wie in Folge der unbewußten Werdelust einer göttlichen Idee
in deren jedem ein beſonderer Strahl des ideellen ſeeliſchen Daſeins ſich verwirklicht.
∙2. Das eigentlich rein ſeeliſche Syſtem, aus deſſen Erfühlungen bei einer höhern Concentration das Bewußt¬ ſein ſich allein entwickeln kann, iſt das Nervenſyſtem.
∙3. In jedem andern organiſchen Syſteme iſt die Seele an und für ſich nur eines beſondern Kreiſes von bewußt¬ loſen Erfühlungen fähig, welche nur dadurch dem Bewußtſein mitgetheilt werden können, daß Zweige des rein ſeeliſchen Syſtems ſich mit in ſie einflechten, ihre Erfühlungen aufnehmen und ſomit ſie dem Nervencentrum zueignen.
∙4. In der Erkenntniß der urſprünglichen Mannich¬ faltigkeit dieſer Syſteme und ihrer beſonderen Erfühlungen iſt ſonach der erſte Anhalt gegeben, um von der urſprüng¬ lich einem jeden höhern Seelenleben einwohnenden innern Mannichfaltigkeit der verſchiedenen Seelenkreiſe eine ſachgemäße Anſchauung zu erhalten. Lange ehe wir einer Mehrheit von Vorſtellungen und Gefühlen uns bewußt ſind, lebt die Seele bewußtlos als ein Mannich¬ faltiges ſich dar, und nur die deutliche Einſicht in die Verſchiedenheit dieſer ihrer Lebenskreiſe, welche erſt ſpät in dem Gewahrwerden des eigenen Ich ihren Mittelpunkt finden, kann uns vom Seelenleben überhaupt eine ange¬ meſſene Vorſtellung gewähren; kurz, wir müſſen uns auch hier wieder von der Wahrheit jenes Satzes überzeugen, mit welchem wir alle dieſe Betrachtungen eröffneten: „der Schlüſſel zur Erkenntniß des bewußten Seelenlebens liegt in der Region des Unbewußtſeins.“
c. Von dem weſentlich Unbewußten des Vorganges, durch welchen innerhalb der Gattung die Individuen vervielfältigt werden.
Im Vorhergehenden iſt uns klar geworden wie in Folge der unbewußten Werdeluſt einer göttlichen Idee
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[52/0068]
in deren jedem ein beſonderer Strahl des ideellen ſeeliſchen
Daſeins ſich verwirklicht.
∙2. Das eigentlich rein ſeeliſche Syſtem, aus deſſen
Erfühlungen bei einer höhern Concentration das Bewußt¬
ſein ſich allein entwickeln kann, iſt das Nervenſyſtem.
∙3. In jedem andern organiſchen Syſteme iſt die Seele
an und für ſich nur eines beſondern Kreiſes von bewußt¬
loſen Erfühlungen fähig, welche nur dadurch dem
Bewußtſein mitgetheilt werden können, daß Zweige des
rein ſeeliſchen Syſtems ſich mit in ſie einflechten, ihre
Erfühlungen aufnehmen und ſomit ſie dem Nervencentrum
zueignen.
∙4. In der Erkenntniß der urſprünglichen Mannich¬
faltigkeit dieſer Syſteme und ihrer beſonderen Erfühlungen
iſt ſonach der erſte Anhalt gegeben, um von der urſprüng¬
lich einem jeden höhern Seelenleben einwohnenden innern
Mannichfaltigkeit der verſchiedenen Seelenkreiſe eine
ſachgemäße Anſchauung zu erhalten. Lange ehe wir einer
Mehrheit von Vorſtellungen und Gefühlen uns bewußt
ſind, lebt die Seele bewußtlos als ein Mannich¬
faltiges ſich dar, und nur die deutliche Einſicht in die
Verſchiedenheit dieſer ihrer Lebenskreiſe, welche erſt ſpät in
dem Gewahrwerden des eigenen Ich ihren Mittelpunkt
finden, kann uns vom Seelenleben überhaupt eine ange¬
meſſene Vorſtellung gewähren; kurz, wir müſſen uns auch
hier wieder von der Wahrheit jenes Satzes überzeugen,
mit welchem wir alle dieſe Betrachtungen eröffneten: „der
Schlüſſel zur Erkenntniß des bewußten Seelenlebens liegt
in der Region des Unbewußtſeins.“
c. Von dem weſentlich Unbewußten des Vorganges, durch welchen
innerhalb der Gattung die Individuen vervielfältigt werden.
Im Vorhergehenden iſt uns klar geworden wie in
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/68>, abgerufen am 21.11.2024.
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