Hält man nun dieses alles zusammen so ist wohl dem Fruchtwasser der meiste Antheil an Ernährung der Frucht zuzusprechen, und wenn die Nabelgefäße überhaupt Antheil daran haben, dieser für geringer zu achten, immer aber als Hauptsache zu bemerken, daß die Frucht ihre Nahrung durch die ganze Oberfläche des Eies wie ungefähr die Pflanze durch die Wurzel, einsaugt.
§. 682.
Eben so wie nun aber die Funktion des Nabelbläschens im Menschen bald erlischt und die Ernährung dem Chorion und vielleicht zum Theil der Placenta übertragen wird, so ist auch die Allantois ein Organ, dessen Spur im Menschen so zeitig verschwindet, daß man nur durch das Daseyn des Verbindungskanals zwischen Harnblase und Allantois (Ura- chus) so wie durch das Vorhandenseyn des falschen Was- sers (Liquor Allantoidis) zwischen Amnion und Chorion berechtigt werden kann, auch das Daseyn dieser letztern an- zunehmen. Demungeachtet verlieren sich die arteriellen Ge- fäße, welche an der Harnblase und zu beiden Seiten des Urachus gegen die Allantois verlaufen (Arteriae umbilica- les), so wie die ihr entgegenstehende Vena umbilicalis kei- nesweges, sondern verlassen den obliterirenden Urachus um sich an der Oberfläche des Eies zu verzweigen (Taf. II. fig. IV.).
§. 683.
Im menschlichen Ei nun verzweigen sich diese Gefäße namentlich gegen den obern im Grunde des Uterus liegenden Theil desselben, und bilden ein immer dichteres Geflecht, aus welchem der Mutterkuchen entsteht, der sofort eine Funktion ausübt, welche für den Fetalzustand des Kindes gleich zu setzen ist derjenigen, welche bei dem geborenen Kinde die Lungen ausüben *) -- In dem Fetus mehrerer Säugethiere hingegen bildet sich Statt einer Placenta eine größere Anzahl derselben (in den Wiederkäuern oft gegen
*) Wir kommen auf diesen Gegenstand weiter unten zurück.
§. 681.
Haͤlt man nun dieſes alles zuſammen ſo iſt wohl dem Fruchtwaſſer der meiſte Antheil an Ernaͤhrung der Frucht zuzuſprechen, und wenn die Nabelgefaͤße uͤberhaupt Antheil daran haben, dieſer fuͤr geringer zu achten, immer aber als Hauptſache zu bemerken, daß die Frucht ihre Nahrung durch die ganze Oberflaͤche des Eies wie ungefaͤhr die Pflanze durch die Wurzel, einſaugt.
§. 682.
Eben ſo wie nun aber die Funktion des Nabelblaͤschens im Menſchen bald erliſcht und die Ernaͤhrung dem Chorion und vielleicht zum Theil der Placenta uͤbertragen wird, ſo iſt auch die Allantois ein Organ, deſſen Spur im Menſchen ſo zeitig verſchwindet, daß man nur durch das Daſeyn des Verbindungskanals zwiſchen Harnblaſe und Allantois (Ura- chus) ſo wie durch das Vorhandenſeyn des falſchen Waſ- ſers (Liquor Allantoidis) zwiſchen Amnion und Chorion berechtigt werden kann, auch das Daſeyn dieſer letztern an- zunehmen. Demungeachtet verlieren ſich die arteriellen Ge- faͤße, welche an der Harnblaſe und zu beiden Seiten des Urachus gegen die Allantois verlaufen (Arteriae umbilica- les), ſo wie die ihr entgegenſtehende Vena umbilicalis kei- nesweges, ſondern verlaſſen den obliterirenden Urachus um ſich an der Oberflaͤche des Eies zu verzweigen (Taf. II. fig. IV.).
§. 683.
Im menſchlichen Ei nun verzweigen ſich dieſe Gefaͤße namentlich gegen den obern im Grunde des Uterus liegenden Theil deſſelben, und bilden ein immer dichteres Geflecht, aus welchem der Mutterkuchen entſteht, der ſofort eine Funktion ausuͤbt, welche fuͤr den Fetalzuſtand des Kindes gleich zu ſetzen iſt derjenigen, welche bei dem geborenen Kinde die Lungen ausuͤben *) — In dem Fetus mehrerer Saͤugethiere hingegen bildet ſich Statt einer Placenta eine groͤßere Anzahl derſelben (in den Wiederkaͤuern oft gegen
*) Wir kommen auf dieſen Gegenſtand weiter unten zuruͤck.
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§. 681.
Haͤlt man nun dieſes alles zuſammen ſo iſt wohl dem
Fruchtwaſſer der meiſte Antheil an Ernaͤhrung der Frucht
zuzuſprechen, und wenn die Nabelgefaͤße uͤberhaupt Antheil
daran haben, dieſer fuͤr geringer zu achten, immer aber als
Hauptſache zu bemerken, daß die Frucht ihre Nahrung
durch die ganze Oberflaͤche des Eies wie ungefaͤhr
die Pflanze durch die Wurzel, einſaugt.
§. 682.
Eben ſo wie nun aber die Funktion des Nabelblaͤschens
im Menſchen bald erliſcht und die Ernaͤhrung dem Chorion
und vielleicht zum Theil der Placenta uͤbertragen wird, ſo
iſt auch die Allantois ein Organ, deſſen Spur im Menſchen
ſo zeitig verſchwindet, daß man nur durch das Daſeyn des
Verbindungskanals zwiſchen Harnblaſe und Allantois (Ura-
chus) ſo wie durch das Vorhandenſeyn des falſchen Waſ-
ſers (Liquor Allantoidis) zwiſchen Amnion und Chorion
berechtigt werden kann, auch das Daſeyn dieſer letztern an-
zunehmen. Demungeachtet verlieren ſich die arteriellen Ge-
faͤße, welche an der Harnblaſe und zu beiden Seiten des
Urachus gegen die Allantois verlaufen (Arteriae umbilica-
les), ſo wie die ihr entgegenſtehende Vena umbilicalis kei-
nesweges, ſondern verlaſſen den obliterirenden Urachus um ſich
an der Oberflaͤche des Eies zu verzweigen (Taf. II. fig. IV.).
§. 683.
Im menſchlichen Ei nun verzweigen ſich dieſe Gefaͤße
namentlich gegen den obern im Grunde des Uterus liegenden
Theil deſſelben, und bilden ein immer dichteres Geflecht,
aus welchem der Mutterkuchen entſteht, der ſofort eine
Funktion ausuͤbt, welche fuͤr den Fetalzuſtand des Kindes
gleich zu ſetzen iſt derjenigen, welche bei dem geborenen
Kinde die Lungen ausuͤben *) — In dem Fetus mehrerer
Saͤugethiere hingegen bildet ſich Statt einer Placenta eine
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*) Wir kommen auf dieſen Gegenſtand weiter unten zuruͤck.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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