Gewifiheit; nichts destoweniger verdient derselbe dieser Geheim- nißkrämerei wegen, wohl schwerlich als eigentlicher Erfinder der Geburtszange betrachtet zu werden. Auch ob die unter den Namen Roonhuysen's und Ruysch's (welche 1693 das Chamberlainsche Geheimniß erkauft haben sollen) später bekannt gewordenen Instrumente wirklich von diesen Niederländern her- rühren, ist nicht mit Gewißheit zu bestimmen.
§. 1210.
Mit größerem Rechte betrachten wir demnach den Nie- derländer Joh. Palfyn, (Wundarzt und Anatom zu Gent, gestorben 1730) als Erfinder der Geburtszange, indem er seine, freilich noch sehr unvollkommene und eigentlich nur aus zwei zusammengebundenen, ungefensterten, nicht nach dem Bek- ken gekrümmten Hebeln bestehende Zange, im Jahre 1723 *) der Pariser Akademie vorlegte. (T. III. F. V.) -- Nachdem somit einmal die erste Idee gegeben war, schritten die Ver- vollkommnungen rasch vorwärts, von Dusee wurden um das Jahr 1733 die Zangenarme gekreuzt, mit Oeffnungen (Fen- stern) wurden die Zangenlöffel versehen von Giffard und Chapmann gegen das Jahr 1736, und diesen Verbesserungen sind die meisten spätern Geburtshelfer beigetreten. Allein noch fehlte der Zange ein wesentlicher Vorzug, nämlich außer der Krümmung der Zangenlöffel nach der Rundung des Kopfs, auch die Krümmung nach der Führungslinie des Beckens, und diese Vervollkommnung wurde von Levret im Jahre 1751, so wie 1752 von Smellie eine zweckmäßige Vereinfachung des Zangenschlosses bekannt gemacht.
§. 1211.
Hiermit waren nun fast alle Momente, welche zur Con- struktion einer guten Geburtszange wesentlich gehören, gege-
*) H. Osiander in seiner lit. Geschichte d. Entbindungsk. rechnet von diesem Jahre die neueste Periode der Ausbildung der Ge- burtshülfe.
Gewifiheit; nichts deſtoweniger verdient derſelbe dieſer Geheim- nißkraͤmerei wegen, wohl ſchwerlich als eigentlicher Erfinder der Geburtszange betrachtet zu werden. Auch ob die unter den Namen Roonhuysen’s und Ruysch’s (welche 1693 das Chamberlainſche Geheimniß erkauft haben ſollen) ſpaͤter bekannt gewordenen Inſtrumente wirklich von dieſen Niederlaͤndern her- ruͤhren, iſt nicht mit Gewißheit zu beſtimmen.
§. 1210.
Mit groͤßerem Rechte betrachten wir demnach den Nie- derlaͤnder Joh. Palfyn, (Wundarzt und Anatom zu Gent, geſtorben 1730) als Erfinder der Geburtszange, indem er ſeine, freilich noch ſehr unvollkommene und eigentlich nur aus zwei zuſammengebundenen, ungefenſterten, nicht nach dem Bek- ken gekruͤmmten Hebeln beſtehende Zange, im Jahre 1723 *) der Pariſer Akademie vorlegte. (T. III. F. V.) — Nachdem ſomit einmal die erſte Idee gegeben war, ſchritten die Ver- vollkommnungen raſch vorwaͤrts, von Dusée wurden um das Jahr 1733 die Zangenarme gekreuzt, mit Oeffnungen (Fen- ſtern) wurden die Zangenloͤffel verſehen von Giffard und Chapmann gegen das Jahr 1736, und dieſen Verbeſſerungen ſind die meiſten ſpaͤtern Geburtshelfer beigetreten. Allein noch fehlte der Zange ein weſentlicher Vorzug, naͤmlich außer der Kruͤmmung der Zangenloͤffel nach der Rundung des Kopfs, auch die Kruͤmmung nach der Fuͤhrungslinie des Beckens, und dieſe Vervollkommnung wurde von Levret im Jahre 1751, ſo wie 1752 von Smellie eine zweckmaͤßige Vereinfachung des Zangenſchloſſes bekannt gemacht.
§. 1211.
Hiermit waren nun faſt alle Momente, welche zur Con- ſtruktion einer guten Geburtszange weſentlich gehoͤren, gege-
*) H. Oſiander in ſeiner lit. Geſchichte d. Entbindungsk. rechnet von dieſem Jahre die neueſte Periode der Ausbildung der Ge- burtshuͤlfe.
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Gewifiheit; nichts deſtoweniger verdient derſelbe dieſer Geheim-
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der Geburtszange betrachtet zu werden. Auch ob die unter
den Namen Roonhuysen’s und Ruysch’s (welche 1693 das
Chamberlainſche Geheimniß erkauft haben ſollen) ſpaͤter bekannt
gewordenen Inſtrumente wirklich von dieſen Niederlaͤndern her-
ruͤhren, iſt nicht mit Gewißheit zu beſtimmen.
§. 1210.
Mit groͤßerem Rechte betrachten wir demnach den Nie-
derlaͤnder Joh. Palfyn, (Wundarzt und Anatom zu Gent,
geſtorben 1730) als Erfinder der Geburtszange, indem er
ſeine, freilich noch ſehr unvollkommene und eigentlich nur aus
zwei zuſammengebundenen, ungefenſterten, nicht nach dem Bek-
ken gekruͤmmten Hebeln beſtehende Zange, im Jahre 1723 *)
der Pariſer Akademie vorlegte. (T. III. F. V.) — Nachdem
ſomit einmal die erſte Idee gegeben war, ſchritten die Ver-
vollkommnungen raſch vorwaͤrts, von Dusée wurden um das
Jahr 1733 die Zangenarme gekreuzt, mit Oeffnungen (Fen-
ſtern) wurden die Zangenloͤffel verſehen von Giffard und
Chapmann gegen das Jahr 1736, und dieſen Verbeſſerungen
ſind die meiſten ſpaͤtern Geburtshelfer beigetreten. Allein noch
fehlte der Zange ein weſentlicher Vorzug, naͤmlich außer der
Kruͤmmung der Zangenloͤffel nach der Rundung des Kopfs,
auch die Kruͤmmung nach der Fuͤhrungslinie des Beckens, und
dieſe Vervollkommnung wurde von Levret im Jahre 1751,
ſo wie 1752 von Smellie eine zweckmaͤßige Vereinfachung
des Zangenſchloſſes bekannt gemacht.
§. 1211.
Hiermit waren nun faſt alle Momente, welche zur Con-
ſtruktion einer guten Geburtszange weſentlich gehoͤren, gege-
*) H. Oſiander in ſeiner lit. Geſchichte d. Entbindungsk. rechnet
von dieſem Jahre die neueſte Periode der Ausbildung der Ge-
burtshuͤlfe.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/362>, abgerufen am 21.11.2024.
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