Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 1204.

Kann jedoch durch diese Manipulation der Zweck der
Entwickelung des Kopfs nicht bald genug erreicht werden, und
befindet sich der Kopf bereits in der Höhle des Beckens, so
wird die schleunige Anlegung der Zange unumgänglich noth-
wendig, da oft ein nur 5 bis 10 Minuten langes Verweilen
des Kopfs in der Beckenhöhle hinreichend ist, den Tod des
Kindes zu verursachen. Steht dagegen der Kopf für die Zange
noch zu hoch, so muß er nöthigenfalls durch die eingeführte
Hand des Geburtshelfers erst in eine schickliche Stellung für
diesen Entzweck gebracht werden, oder endlich, dafern das
Kind etwa unbezweifelt abgestorben wäre, läßt sich das Her-
abführen des Kopfs auch durch Einbringen eines Zeigefingers,
oder selbst des kleinern Endes vom Smellie'schen stumpfen
Haken in den Mund des Kindes, bewerkstelligen (bei einem
lebenden Kinde darf natürlich dieses letztere Verfahren durch-
aus nicht angewendet werden).

§. 1205.

Was endlich die Fälle betrifft, wo bei früher versäum-
ter oder zu spät gerufener zweckmäßiger Hülfe, der Kopf
mit dem Kinne über dem Schambogen, mit dem Hin-
terhaupt gegen den Vorberg angestemmt getroffen wird, so
geben diese immer zu einer höchst schwierigen Entwickelung des
Kopfs Veranlassung und es ist dabei wegen des Druckes gegen
den hinter dem Schambogen liegenden Nabelstrang der Tod
des Kindes meistens unvermeidlich. -- Man muß hierbei vor
allen Dingen die Lage des Kopfs verbessern, da bei einem
ausgetragenen Kinde der längste Kopfdurchmesser von 5 Zoll
sich über dem geraden Durchmesser des Beckeneinganges von
4 Zoll befindet, und folglich die gewaltsame Durchführung
des Kopfs in dieser Lage völlig unmöglich ist, und sicher
roh fortgesetzte Versuche dieser Art hierbei öfters zum Abreissen
des Halses geführt haben mögen. -- Ich habe nun unter
diesen Umständen, wenn ich zu Fällen wo unvorsichtiges frü-
heres Verfahren den Kopf in diese schlechte Stellung gebracht

§. 1204.

Kann jedoch durch dieſe Manipulation der Zweck der
Entwickelung des Kopfs nicht bald genug erreicht werden, und
befindet ſich der Kopf bereits in der Hoͤhle des Beckens, ſo
wird die ſchleunige Anlegung der Zange unumgaͤnglich noth-
wendig, da oft ein nur 5 bis 10 Minuten langes Verweilen
des Kopfs in der Beckenhoͤhle hinreichend iſt, den Tod des
Kindes zu verurſachen. Steht dagegen der Kopf fuͤr die Zange
noch zu hoch, ſo muß er noͤthigenfalls durch die eingefuͤhrte
Hand des Geburtshelfers erſt in eine ſchickliche Stellung fuͤr
dieſen Entzweck gebracht werden, oder endlich, dafern das
Kind etwa unbezweifelt abgeſtorben waͤre, laͤßt ſich das Her-
abfuͤhren des Kopfs auch durch Einbringen eines Zeigefingers,
oder ſelbſt des kleinern Endes vom Smellie’ſchen ſtumpfen
Haken in den Mund des Kindes, bewerkſtelligen (bei einem
lebenden Kinde darf natuͤrlich dieſes letztere Verfahren durch-
aus nicht angewendet werden).

§. 1205.

Was endlich die Faͤlle betrifft, wo bei fruͤher verſaͤum-
ter oder zu ſpaͤt gerufener zweckmaͤßiger Huͤlfe, der Kopf
mit dem Kinne uͤber dem Schambogen, mit dem Hin-
terhaupt gegen den Vorberg angeſtemmt getroffen wird, ſo
geben dieſe immer zu einer hoͤchſt ſchwierigen Entwickelung des
Kopfs Veranlaſſung und es iſt dabei wegen des Druckes gegen
den hinter dem Schambogen liegenden Nabelſtrang der Tod
des Kindes meiſtens unvermeidlich. — Man muß hierbei vor
allen Dingen die Lage des Kopfs verbeſſern, da bei einem
ausgetragenen Kinde der laͤngſte Kopfdurchmeſſer von 5 Zoll
ſich uͤber dem geraden Durchmeſſer des Beckeneinganges von
4 Zoll befindet, und folglich die gewaltſame Durchfuͤhrung
des Kopfs in dieſer Lage voͤllig unmoͤglich iſt, und ſicher
roh fortgeſetzte Verſuche dieſer Art hierbei oͤfters zum Abreiſſen
des Halſes gefuͤhrt haben moͤgen. — Ich habe nun unter
dieſen Umſtaͤnden, wenn ich zu Faͤllen wo unvorſichtiges fruͤ-
heres Verfahren den Kopf in dieſe ſchlechte Stellung gebracht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <pb facs="#f0358" n="334"/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 1204.</head><lb/>
                          <p>Kann jedoch durch die&#x017F;e Manipulation der Zweck der<lb/>
Entwickelung des Kopfs nicht bald genug erreicht werden, und<lb/>
befindet &#x017F;ich der Kopf bereits in der Ho&#x0364;hle des Beckens, &#x017F;o<lb/>
wird die &#x017F;chleunige Anlegung der Zange unumga&#x0364;nglich noth-<lb/>
wendig, da oft ein nur 5 bis 10 Minuten langes Verweilen<lb/>
des Kopfs in der Beckenho&#x0364;hle hinreichend i&#x017F;t, den Tod des<lb/>
Kindes zu verur&#x017F;achen. Steht dagegen der Kopf fu&#x0364;r die Zange<lb/>
noch zu hoch, &#x017F;o muß er no&#x0364;thigenfalls durch die eingefu&#x0364;hrte<lb/>
Hand des Geburtshelfers er&#x017F;t in eine &#x017F;chickliche Stellung fu&#x0364;r<lb/>
die&#x017F;en Entzweck gebracht werden, oder endlich, dafern das<lb/>
Kind etwa unbezweifelt abge&#x017F;torben wa&#x0364;re, la&#x0364;ßt &#x017F;ich das Her-<lb/>
abfu&#x0364;hren des Kopfs auch durch Einbringen eines Zeigefingers,<lb/>
oder &#x017F;elb&#x017F;t des kleinern Endes vom <hi rendition="#g">Smellie&#x2019;&#x017F;</hi>chen &#x017F;tumpfen<lb/>
Haken in den Mund des Kindes, bewerk&#x017F;telligen (bei einem<lb/>
lebenden Kinde darf natu&#x0364;rlich die&#x017F;es letztere Verfahren durch-<lb/>
aus nicht angewendet werden).</p>
                        </div><lb/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 1205.</head><lb/>
                          <p>Was endlich die Fa&#x0364;lle betrifft, wo bei fru&#x0364;her ver&#x017F;a&#x0364;um-<lb/>
ter oder zu &#x017F;pa&#x0364;t gerufener zweckma&#x0364;ßiger Hu&#x0364;lfe, der Kopf<lb/>
mit dem Kinne u&#x0364;ber dem Schambogen, mit dem Hin-<lb/>
terhaupt gegen den Vorberg ange&#x017F;temmt getroffen wird, &#x017F;o<lb/>
geben die&#x017F;e immer zu einer ho&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;chwierigen Entwickelung des<lb/>
Kopfs Veranla&#x017F;&#x017F;ung und es i&#x017F;t dabei wegen des Druckes gegen<lb/>
den hinter dem Schambogen liegenden Nabel&#x017F;trang der Tod<lb/>
des Kindes mei&#x017F;tens unvermeidlich. &#x2014; Man muß hierbei vor<lb/>
allen Dingen die Lage des Kopfs verbe&#x017F;&#x017F;ern, da bei einem<lb/>
ausgetragenen Kinde der la&#x0364;ng&#x017F;te Kopfdurchme&#x017F;&#x017F;er von 5 Zoll<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;ber dem geraden Durchme&#x017F;&#x017F;er des Beckeneinganges von<lb/>
4 Zoll befindet, und folglich die gewalt&#x017F;ame Durchfu&#x0364;hrung<lb/>
des Kopfs in <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Lage vo&#x0364;llig unmo&#x0364;glich i&#x017F;t, und &#x017F;icher<lb/>
roh fortge&#x017F;etzte Ver&#x017F;uche die&#x017F;er Art hierbei o&#x0364;fters zum Abrei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
des Hal&#x017F;es gefu&#x0364;hrt haben mo&#x0364;gen. &#x2014; Ich habe nun unter<lb/>
die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden, wenn ich zu Fa&#x0364;llen wo unvor&#x017F;ichtiges fru&#x0364;-<lb/>
heres Verfahren den Kopf in die&#x017F;e &#x017F;chlechte Stellung gebracht<lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0358] §. 1204. Kann jedoch durch dieſe Manipulation der Zweck der Entwickelung des Kopfs nicht bald genug erreicht werden, und befindet ſich der Kopf bereits in der Hoͤhle des Beckens, ſo wird die ſchleunige Anlegung der Zange unumgaͤnglich noth- wendig, da oft ein nur 5 bis 10 Minuten langes Verweilen des Kopfs in der Beckenhoͤhle hinreichend iſt, den Tod des Kindes zu verurſachen. Steht dagegen der Kopf fuͤr die Zange noch zu hoch, ſo muß er noͤthigenfalls durch die eingefuͤhrte Hand des Geburtshelfers erſt in eine ſchickliche Stellung fuͤr dieſen Entzweck gebracht werden, oder endlich, dafern das Kind etwa unbezweifelt abgeſtorben waͤre, laͤßt ſich das Her- abfuͤhren des Kopfs auch durch Einbringen eines Zeigefingers, oder ſelbſt des kleinern Endes vom Smellie’ſchen ſtumpfen Haken in den Mund des Kindes, bewerkſtelligen (bei einem lebenden Kinde darf natuͤrlich dieſes letztere Verfahren durch- aus nicht angewendet werden). §. 1205. Was endlich die Faͤlle betrifft, wo bei fruͤher verſaͤum- ter oder zu ſpaͤt gerufener zweckmaͤßiger Huͤlfe, der Kopf mit dem Kinne uͤber dem Schambogen, mit dem Hin- terhaupt gegen den Vorberg angeſtemmt getroffen wird, ſo geben dieſe immer zu einer hoͤchſt ſchwierigen Entwickelung des Kopfs Veranlaſſung und es iſt dabei wegen des Druckes gegen den hinter dem Schambogen liegenden Nabelſtrang der Tod des Kindes meiſtens unvermeidlich. — Man muß hierbei vor allen Dingen die Lage des Kopfs verbeſſern, da bei einem ausgetragenen Kinde der laͤngſte Kopfdurchmeſſer von 5 Zoll ſich uͤber dem geraden Durchmeſſer des Beckeneinganges von 4 Zoll befindet, und folglich die gewaltſame Durchfuͤhrung des Kopfs in dieſer Lage voͤllig unmoͤglich iſt, und ſicher roh fortgeſetzte Verſuche dieſer Art hierbei oͤfters zum Abreiſſen des Halſes gefuͤhrt haben moͤgen. — Ich habe nun unter dieſen Umſtaͤnden, wenn ich zu Faͤllen wo unvorſichtiges fruͤ- heres Verfahren den Kopf in dieſe ſchlechte Stellung gebracht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/358
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/358>, abgerufen am 21.11.2024.