stimmt, und die Freyheit des Phantasiespiels, das reine Auf- lösen in einen größern Naturkreis beeinträchtigt wird. Hier- her gehören nun schon die ängstlichen, erhitzenden oder er- mattenden Träume, welche von schwerer, ungesunder oder mit stark riechenden Dingen geschwängerter Zimmerlust, nach schweren Speisen u. s. w. erregt werden; vorzüglich aber ge- hört hierher das sogenannte Alpdrücken, welches bey voll- blütigen, in der Entwicklungsperiode begriffenen weiblichen Subjekten nicht selten vorkömmt, und mir im Wesentlichen darin zu bestehen scheint, daß durch Anhäufung eines nicht hinlänglich oxydirten Blutes in den Gefäßen der großen Cen- tralnervenmassen die Wirksamkeit des Nervensystems mehr noch, als sie es im Schlafe seyn soll, gehemmt wird, zuletzt selbst die Respirationsbewegung zu unterhalten versagt *), und das Gefühl einer schweren, auf die Brust gelegten Last er- zeugt, wobey selbst, wenn durch diesen Schmerz das Erwa- chen endlich herbeygeführt wird, die allgemeine Lähmung, der gleichsam asphyktische Zustand, nicht eher nachläßt, bis es der angestrengten Willensrichtung des Kranken gelungen ist, laut aufzuschreyen, d. i. die Lähmung der zur Athmungsbe- wegung nöthigen Muskeln zu überwältigen. Es erklärt sich nun sehr wohl, warum die einzelnen Anfälle vorzüglich nach Ueberladungen des Magens, nach hitzigen Getränken, bey schwerer Gewitterluft u. s. w. erfolgen **).
§. 241.
Ferner die Abspannung des Selbstgefühls ist, wo sie in der Entwicklungsperiode, und zwar nicht etwa be- dingt durch andere Krankheiten, vorkommt, gewöhnlich die Folge vorausgegangener Ueberspannung, und zwar entweder durch eine auf zu zeitige Entwicklung psychischer Kräfte ge- richtete Erziehung, oder in Folge physischer Reitzungen, so wie heftiger Gemüthserschütterungen herbeygeführt. Sie äu- ßert sich am gewöhnlichsten in der Form der Apathie, die
*) Wie sehr die Athmungsbewegung vom Hirn abhängt, haben die Experimente von Brodie, le Gallois und Andern hinlänglicher wiesen.
**) S. vom Alp Reil's Fieberlehre. IV. Bd. §. 94 u. f.
ſtimmt, und die Freyheit des Phantaſieſpiels, das reine Auf- loͤſen in einen groͤßern Naturkreis beeintraͤchtigt wird. Hier- her gehoͤren nun ſchon die aͤngſtlichen, erhitzenden oder er- mattenden Traͤume, welche von ſchwerer, ungeſunder oder mit ſtark riechenden Dingen geſchwaͤngerter Zimmerluſt, nach ſchweren Speiſen u. ſ. w. erregt werden; vorzuͤglich aber ge- hoͤrt hierher das ſogenannte Alpdruͤcken, welches bey voll- bluͤtigen, in der Entwicklungsperiode begriffenen weiblichen Subjekten nicht ſelten vorkoͤmmt, und mir im Weſentlichen darin zu beſtehen ſcheint, daß durch Anhaͤufung eines nicht hinlaͤnglich oxydirten Blutes in den Gefaͤßen der großen Cen- tralnervenmaſſen die Wirkſamkeit des Nervenſyſtems mehr noch, als ſie es im Schlafe ſeyn ſoll, gehemmt wird, zuletzt ſelbſt die Reſpirationsbewegung zu unterhalten verſagt *), und das Gefuͤhl einer ſchweren, auf die Bruſt gelegten Laſt er- zeugt, wobey ſelbſt, wenn durch dieſen Schmerz das Erwa- chen endlich herbeygefuͤhrt wird, die allgemeine Laͤhmung, der gleichſam aſphyktiſche Zuſtand, nicht eher nachlaͤßt, bis es der angeſtrengten Willensrichtung des Kranken gelungen iſt, laut aufzuſchreyen, d. i. die Laͤhmung der zur Athmungsbe- wegung noͤthigen Muskeln zu uͤberwaͤltigen. Es erklaͤrt ſich nun ſehr wohl, warum die einzelnen Anfaͤlle vorzuͤglich nach Ueberladungen des Magens, nach hitzigen Getraͤnken, bey ſchwerer Gewitterluft u. ſ. w. erfolgen **).
§. 241.
Ferner die Abſpannung des Selbſtgefuͤhls iſt, wo ſie in der Entwicklungsperiode, und zwar nicht etwa be- dingt durch andere Krankheiten, vorkommt, gewoͤhnlich die Folge vorausgegangener Ueberſpannung, und zwar entweder durch eine auf zu zeitige Entwicklung pſychiſcher Kraͤfte ge- richtete Erziehung, oder in Folge phyſiſcher Reitzungen, ſo wie heftiger Gemuͤthserſchuͤtterungen herbeygefuͤhrt. Sie aͤu- ßert ſich am gewoͤhnlichſten in der Form der Apathie, die
*) Wie ſehr die Athmungsbewegung vom Hirn abhaͤngt, haben die Experimente von Brodie, le Gallois und Andern hinlaͤnglicher wieſen.
**) S. vom Alp Reil’s Fieberlehre. IV. Bd. §. 94 u. f.
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loͤſen in einen groͤßern Naturkreis beeintraͤchtigt wird. Hier-
her gehoͤren nun ſchon die aͤngſtlichen, erhitzenden oder er-
mattenden Traͤume, welche von ſchwerer, ungeſunder oder
mit ſtark riechenden Dingen geſchwaͤngerter Zimmerluſt, nach
ſchweren Speiſen u. ſ. w. erregt werden; vorzuͤglich aber ge-
hoͤrt hierher das ſogenannte Alpdruͤcken, welches bey voll-
bluͤtigen, in der Entwicklungsperiode begriffenen weiblichen
Subjekten nicht ſelten vorkoͤmmt, und mir im Weſentlichen
darin zu beſtehen ſcheint, daß durch Anhaͤufung eines nicht
hinlaͤnglich oxydirten Blutes in den Gefaͤßen der großen Cen-
tralnervenmaſſen die Wirkſamkeit des Nervenſyſtems mehr
noch, als ſie es im Schlafe ſeyn ſoll, gehemmt wird, zuletzt
ſelbſt die Reſpirationsbewegung zu unterhalten verſagt *), und
das Gefuͤhl einer ſchweren, auf die Bruſt gelegten Laſt er-
zeugt, wobey ſelbſt, wenn durch dieſen Schmerz das Erwa-
chen endlich herbeygefuͤhrt wird, die allgemeine Laͤhmung, der
gleichſam aſphyktiſche Zuſtand, nicht eher nachlaͤßt, bis es
der angeſtrengten Willensrichtung des Kranken gelungen iſt,
laut aufzuſchreyen, d. i. die Laͤhmung der zur Athmungsbe-
wegung noͤthigen Muskeln zu uͤberwaͤltigen. Es erklaͤrt ſich
nun ſehr wohl, warum die einzelnen Anfaͤlle vorzuͤglich nach
Ueberladungen des Magens, nach hitzigen Getraͤnken, bey
ſchwerer Gewitterluft u. ſ. w. erfolgen **).
§. 241.
Ferner die Abſpannung des Selbſtgefuͤhls iſt,
wo ſie in der Entwicklungsperiode, und zwar nicht etwa be-
dingt durch andere Krankheiten, vorkommt, gewoͤhnlich die
Folge vorausgegangener Ueberſpannung, und zwar entweder
durch eine auf zu zeitige Entwicklung pſychiſcher Kraͤfte ge-
richtete Erziehung, oder in Folge phyſiſcher Reitzungen, ſo
wie heftiger Gemuͤthserſchuͤtterungen herbeygefuͤhrt. Sie aͤu-
ßert ſich am gewoͤhnlichſten in der Form der Apathie, die
*) Wie ſehr die Athmungsbewegung vom Hirn abhaͤngt, haben die
Experimente von Brodie, le Gallois und Andern hinlaͤnglicher wieſen.
**) S. vom Alp Reil’s Fieberlehre. IV. Bd. §. 94 u. f.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/202>, abgerufen am 21.12.2024.
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