Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

thun ist, dir Freunde zu machen, so hast du die
Eigenliebe der Leute ins Spiel gezogen, und an
ihr hast du eine mächtige Fürsprecherin. Dazu ge-
hört aber, wie fast zu jedem andern Dinge, Auf-
merksamkeit, oder eigentlicher zu reden, das, was
die Franzosen les attentions genant haben. Ich
empfehle dir also die sorgfältigste, genaueste Auf-
merksamkeit auf die Umstände der Zeit, des Orts,
und der Person, denn ohne diese läufst du Gefahr,
zu beleidigen, wo deine Absicht war, zu gefallen:
denn die Menschen verzeihen in Dingen, welche
unmittelbar ihre eigne Person betreffen, keinen
Verstoß und keine Unachtsamkeit.

(Die beständige Ausübung dieser sogenanten
attentions ist ein nothwendiger Theil der Kunst
zu gefallen. Sie nimt mehr ein, und rührt stär-
ker, als Dinge von weit größrer Wichtigkeit. Zur
Volbringung der Pflichten des geselligen Lebens
ist jeder gehalten; dergleichen Aufmerksamkeiten
aber sind freiwillige Handlungen, willige Opfer
der Wohlanständigkeit und Gutherzigkeit, und
werden als solche aufgenommen, behalten, und
erwiedert. Besonders haben Frauenzimmer ein

Recht

thun iſt, dir Freunde zu machen, ſo haſt du die
Eigenliebe der Leute ins Spiel gezogen, und an
ihr haſt du eine maͤchtige Fuͤrſprecherin. Dazu ge-
hoͤrt aber, wie faſt zu jedem andern Dinge, Auf-
merkſamkeit, oder eigentlicher zu reden, das, was
die Franzoſen les attentions genant haben. Ich
empfehle dir alſo die ſorgfaͤltigſte, genaueſte Auf-
merkſamkeit auf die Umſtaͤnde der Zeit, des Orts,
und der Perſon, denn ohne dieſe laͤufſt du Gefahr,
zu beleidigen, wo deine Abſicht war, zu gefallen:
denn die Menſchen verzeihen in Dingen, welche
unmittelbar ihre eigne Perſon betreffen, keinen
Verſtoß und keine Unachtſamkeit.

(Die beſtaͤndige Ausuͤbung dieſer ſogenanten
attentions iſt ein nothwendiger Theil der Kunſt
zu gefallen. Sie nimt mehr ein, und ruͤhrt ſtaͤr-
ker, als Dinge von weit groͤßrer Wichtigkeit. Zur
Volbringung der Pflichten des geſelligen Lebens
iſt jeder gehalten; dergleichen Aufmerkſamkeiten
aber ſind freiwillige Handlungen, willige Opfer
der Wohlanſtaͤndigkeit und Gutherzigkeit, und
werden als ſolche aufgenommen, behalten, und
erwiedert. Beſonders haben Frauenzimmer ein

Recht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="11"/>
thun i&#x017F;t, dir Freunde zu machen, &#x017F;o ha&#x017F;t du die<lb/>
Eigenliebe der Leute ins Spiel gezogen, und an<lb/>
ihr ha&#x017F;t du eine ma&#x0364;chtige Fu&#x0364;r&#x017F;precherin. Dazu ge-<lb/>
ho&#x0364;rt aber, wie fa&#x017F;t zu jedem andern Dinge, Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit, oder eigentlicher zu reden, das, was<lb/>
die Franzo&#x017F;en <hi rendition="#aq">les attentions</hi> genant haben. Ich<lb/>
empfehle dir al&#x017F;o die &#x017F;orgfa&#x0364;ltig&#x017F;te, genaue&#x017F;te Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit auf die Um&#x017F;ta&#x0364;nde der Zeit, des Orts,<lb/>
und der Per&#x017F;on, denn ohne die&#x017F;e la&#x0364;uf&#x017F;t du Gefahr,<lb/>
zu beleidigen, wo deine Ab&#x017F;icht war, zu gefallen:<lb/>
denn die Men&#x017F;chen verzeihen in Dingen, welche<lb/>
unmittelbar ihre eigne Per&#x017F;on betreffen, keinen<lb/>
Ver&#x017F;toß und keine Unacht&#x017F;amkeit.</p><lb/>
        <p>(Die be&#x017F;ta&#x0364;ndige Ausu&#x0364;bung die&#x017F;er &#x017F;ogenanten<lb/><hi rendition="#aq">attentions</hi> i&#x017F;t ein nothwendiger Theil der Kun&#x017F;t<lb/>
zu gefallen. Sie nimt mehr ein, und ru&#x0364;hrt &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ker, als Dinge von weit gro&#x0364;ßrer Wichtigkeit. Zur<lb/>
Volbringung der Pflichten des ge&#x017F;elligen Lebens<lb/>
i&#x017F;t jeder gehalten; dergleichen Aufmerk&#x017F;amkeiten<lb/>
aber &#x017F;ind freiwillige Handlungen, willige Opfer<lb/>
der Wohlan&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit und Gutherzigkeit, und<lb/>
werden als &#x017F;olche aufgenommen, behalten, und<lb/>
erwiedert. Be&#x017F;onders haben Frauenzimmer ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Recht</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] thun iſt, dir Freunde zu machen, ſo haſt du die Eigenliebe der Leute ins Spiel gezogen, und an ihr haſt du eine maͤchtige Fuͤrſprecherin. Dazu ge- hoͤrt aber, wie faſt zu jedem andern Dinge, Auf- merkſamkeit, oder eigentlicher zu reden, das, was die Franzoſen les attentions genant haben. Ich empfehle dir alſo die ſorgfaͤltigſte, genaueſte Auf- merkſamkeit auf die Umſtaͤnde der Zeit, des Orts, und der Perſon, denn ohne dieſe laͤufſt du Gefahr, zu beleidigen, wo deine Abſicht war, zu gefallen: denn die Menſchen verzeihen in Dingen, welche unmittelbar ihre eigne Perſon betreffen, keinen Verſtoß und keine Unachtſamkeit. (Die beſtaͤndige Ausuͤbung dieſer ſogenanten attentions iſt ein nothwendiger Theil der Kunſt zu gefallen. Sie nimt mehr ein, und ruͤhrt ſtaͤr- ker, als Dinge von weit groͤßrer Wichtigkeit. Zur Volbringung der Pflichten des geſelligen Lebens iſt jeder gehalten; dergleichen Aufmerkſamkeiten aber ſind freiwillige Handlungen, willige Opfer der Wohlanſtaͤndigkeit und Gutherzigkeit, und werden als ſolche aufgenommen, behalten, und erwiedert. Beſonders haben Frauenzimmer ein Recht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/17
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/17>, abgerufen am 27.04.2024.