Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855.zur Gewohnheit gewordene zweite Grad der Trunkenheit. Auf diesem Puncte angelangt, wird der verthierte Mensch nach und nach der Rechte und Privilegien, welche sich an die Menschheit knüpfen, mehr und mehr verlustig. Dieses Antlitz, von Gott mit einem eigenthümlichen Stempel bezeichnet, um es von denen der andern Thierarten zu unterscheiden; dieses Antlitz, auf dem sich der Flammenstrahl des Genie's wiederspiegelt, das sogar etwas Göttliches an sich tragen soll, indem man sich nicht gescheut hat, zu behaupten, daß Gott es nach seinem eigenen Bilde geformt habe; nun, dieses Antlitz stellt in dem fraglichen Falle nur noch einen plumpen Spiegel dar, aus welchem alle Züge der Bestialität auf's Unverkennbarste hervorleuchten. Die Physiognomie dieses Säufers, wenn ihm überhaupt noch etwas erhalten blieb von dem, was man eine Physiognomie nennt, alles Edeln baar und dumm dareinschauend, wird nur noch von wirren, schielenden und nur halb geöffneten Augen belebt; das schmutzige Gesicht, bald voller Finnen und Auswüchse, bald von einer leichenhaften Blässe, ist abstoßend und flößt Widerwillen ein; die schwerfällig einherschreitenden oder vielmehr schwankenden Beine tragen kaum noch den Körper, ja man möchte, wenn man ihn gehen sieht, meinen, er bewege sich auf einem ungleichen Boden. Seine Hände zittern; seine dicken, hängenden Lippen stammeln schlecht articulirte Worte, deren rauher Ton nichts Menschliches mehr hat; sein pestilenzialisch riechender Athem, sein geschwollener Bauch, seine schwere Respiration, seine schlaffe, erdfarbige Haut, seine kraftlosen Glieder, mit einem Worte Alles bezeichnet einen Menschen, der bis zu der niedrigsten Stufe der Entwürdigung herabgesunken ist. zur Gewohnheit gewordene zweite Grad der Trunkenheit. Auf diesem Puncte angelangt, wird der verthierte Mensch nach und nach der Rechte und Privilegien, welche sich an die Menschheit knüpfen, mehr und mehr verlustig. Dieses Antlitz, von Gott mit einem eigenthümlichen Stempel bezeichnet, um es von denen der andern Thierarten zu unterscheiden; dieses Antlitz, auf dem sich der Flammenstrahl des Genie’s wiederspiegelt, das sogar etwas Göttliches an sich tragen soll, indem man sich nicht gescheut hat, zu behaupten, daß Gott es nach seinem eigenen Bilde geformt habe; nun, dieses Antlitz stellt in dem fraglichen Falle nur noch einen plumpen Spiegel dar, aus welchem alle Züge der Bestialität auf’s Unverkennbarste hervorleuchten. Die Physiognomie dieses Säufers, wenn ihm überhaupt noch etwas erhalten blieb von dem, was man eine Physiognomie nennt, alles Edeln baar und dumm dareinschauend, wird nur noch von wirren, schielenden und nur halb geöffneten Augen belebt; das schmutzige Gesicht, bald voller Finnen und Auswüchse, bald von einer leichenhaften Blässe, ist abstoßend und flößt Widerwillen ein; die schwerfällig einherschreitenden oder vielmehr schwankenden Beine tragen kaum noch den Körper, ja man möchte, wenn man ihn gehen sieht, meinen, er bewege sich auf einem ungleichen Boden. Seine Hände zittern; seine dicken, hängenden Lippen stammeln schlecht articulirte Worte, deren rauher Ton nichts Menschliches mehr hat; sein pestilenzialisch riechender Athem, sein geschwollener Bauch, seine schwere Respiration, seine schlaffe, erdfarbige Haut, seine kraftlosen Glieder, mit einem Worte Alles bezeichnet einen Menschen, der bis zu der niedrigsten Stufe der Entwürdigung herabgesunken ist. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0024" n="14"/> zur Gewohnheit gewordene zweite Grad der Trunkenheit. Auf diesem Puncte angelangt, wird der verthierte Mensch nach und nach der Rechte und Privilegien, welche sich an die Menschheit knüpfen, mehr und mehr verlustig. Dieses Antlitz, von Gott mit einem eigenthümlichen Stempel bezeichnet, um es von denen der andern Thierarten zu unterscheiden; dieses Antlitz, auf dem sich der Flammenstrahl des Genie’s wiederspiegelt, das sogar etwas Göttliches an sich tragen soll, indem man sich nicht gescheut hat, zu behaupten, daß Gott es nach seinem eigenen Bilde geformt habe; nun, dieses Antlitz stellt in dem fraglichen Falle nur noch einen plumpen Spiegel dar, aus welchem alle Züge der Bestialität auf’s Unverkennbarste hervorleuchten.</p> <p>Die Physiognomie dieses Säufers, wenn ihm überhaupt noch etwas erhalten blieb von dem, was man eine Physiognomie nennt, alles Edeln baar und dumm dareinschauend, wird nur noch von wirren, schielenden und nur halb geöffneten Augen belebt; das schmutzige Gesicht, bald voller Finnen und Auswüchse, bald von einer leichenhaften Blässe, ist abstoßend und flößt Widerwillen ein; die schwerfällig einherschreitenden oder vielmehr schwankenden Beine tragen kaum noch den Körper, ja man möchte, wenn man ihn gehen sieht, meinen, er bewege sich auf einem ungleichen Boden. Seine Hände zittern; seine dicken, hängenden Lippen stammeln schlecht articulirte Worte, deren rauher Ton nichts Menschliches mehr hat; sein pestilenzialisch riechender Athem, sein geschwollener Bauch, seine schwere Respiration, seine schlaffe, erdfarbige Haut, seine kraftlosen Glieder, mit einem Worte Alles bezeichnet einen Menschen, der bis zu der niedrigsten Stufe der Entwürdigung herabgesunken ist.</p> </div><lb/> <div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0024]
zur Gewohnheit gewordene zweite Grad der Trunkenheit. Auf diesem Puncte angelangt, wird der verthierte Mensch nach und nach der Rechte und Privilegien, welche sich an die Menschheit knüpfen, mehr und mehr verlustig. Dieses Antlitz, von Gott mit einem eigenthümlichen Stempel bezeichnet, um es von denen der andern Thierarten zu unterscheiden; dieses Antlitz, auf dem sich der Flammenstrahl des Genie’s wiederspiegelt, das sogar etwas Göttliches an sich tragen soll, indem man sich nicht gescheut hat, zu behaupten, daß Gott es nach seinem eigenen Bilde geformt habe; nun, dieses Antlitz stellt in dem fraglichen Falle nur noch einen plumpen Spiegel dar, aus welchem alle Züge der Bestialität auf’s Unverkennbarste hervorleuchten.
Die Physiognomie dieses Säufers, wenn ihm überhaupt noch etwas erhalten blieb von dem, was man eine Physiognomie nennt, alles Edeln baar und dumm dareinschauend, wird nur noch von wirren, schielenden und nur halb geöffneten Augen belebt; das schmutzige Gesicht, bald voller Finnen und Auswüchse, bald von einer leichenhaften Blässe, ist abstoßend und flößt Widerwillen ein; die schwerfällig einherschreitenden oder vielmehr schwankenden Beine tragen kaum noch den Körper, ja man möchte, wenn man ihn gehen sieht, meinen, er bewege sich auf einem ungleichen Boden. Seine Hände zittern; seine dicken, hängenden Lippen stammeln schlecht articulirte Worte, deren rauher Ton nichts Menschliches mehr hat; sein pestilenzialisch riechender Athem, sein geschwollener Bauch, seine schwere Respiration, seine schlaffe, erdfarbige Haut, seine kraftlosen Glieder, mit einem Worte Alles bezeichnet einen Menschen, der bis zu der niedrigsten Stufe der Entwürdigung herabgesunken ist.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/24 |
Zitationshilfe: | Burdel, Édouard: Die Trunksucht. (Übers. Heinrich Gauss). Weimar, 1855, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdel_trunksucht_1855/24>, abgerufen am 22.02.2025. |