Sie unterstützt den Arzt bey Untersuchung der verwik- keltsten Krankheitsfälle, hilft ihm die verborgensten Ursachen entdecken, ja sogar dem Kranken, welcher sie absichtlich verhehlen will, sie unvermerkt ablocken: mit einem Worte, durch sie allein wird man in den Stand gesetzt, sich ein vollständiges Bild vieler Krankheitsfälle zu entwerfen, wel- ches die erste Bedingung einer rationellen Heilung abgiebt.
§ 539.
Endlich giebt sie ihm auch die schicklichsten Mittel an die Hand, welche die Heilung unmittelbar unterstützen, sie lehrt ihn, die beste Art, den schicklichsten Zeitpunct, die Heilmittel bey jeden einzelnen Menschen anzuwenden, und ihre Würkung zu unterstützen; sie zeigt ihm, wie er den Kranken Zutrauen zu diesen Arzneymitteln nicht nur einflößen, sondern auch auf die Länge erhalten könne; wie er ihren Launen bald nachgeben, bald sich ihnen ernsthafter wider- setzen, ihre Vorurtheile bald mehr, bald weniger deutlich hekämpfen müsse etc.
§ 540.
So gewährt also die Klugheit dem Arzte sichere Mittel, zu Heilung der Kranken, welche ihm weder Scharfsinn, noch Gelehrsamkeit, noch auch Erfahrung mittheilen können, und man sieht daher ein, wie sehr der Arzt derauf bedacht seyn muß, sich Menschenkenntniß zu sammeln, und sich da- durch in den Besitz einer sogenannten Politik zu setzen.
§ 541.
Dann lehrt sie den Arzt auch, die wichtige ihn adelnde Kunst, in allen Verhältnissen der Gesellschaft, und in dem
Nach-
L 3
Bildung des Arztes.
§ 538.
Sie unterſtuͤtzt den Arzt bey Unterſuchung der verwik- keltſten Krankheitsfaͤlle, hilft ihm die verborgenſten Urſachen entdecken, ja ſogar dem Kranken, welcher ſie abſichtlich verhehlen will, ſie unvermerkt ablocken: mit einem Worte, durch ſie allein wird man in den Stand geſetzt, ſich ein vollſtaͤndiges Bild vieler Krankheitsfaͤlle zu entwerfen, wel- ches die erſte Bedingung einer rationellen Heilung abgiebt.
§ 539.
Endlich giebt ſie ihm auch die ſchicklichſten Mittel an die Hand, welche die Heilung unmittelbar unterſtuͤtzen, ſie lehrt ihn, die beſte Art, den ſchicklichſten Zeitpunct, die Heilmittel bey jeden einzelnen Menſchen anzuwenden, und ihre Wuͤrkung zu unterſtuͤtzen; ſie zeigt ihm, wie er den Kranken Zutrauen zu dieſen Arzneymitteln nicht nur einfloͤßen, ſondern auch auf die Laͤnge erhalten koͤnne; wie er ihren Launen bald nachgeben, bald ſich ihnen ernſthafter wider- ſetzen, ihre Vorurtheile bald mehr, bald weniger deutlich hekaͤmpfen muͤſſe ꝛc.
§ 540.
So gewaͤhrt alſo die Klugheit dem Arzte ſichere Mittel, zu Heilung der Kranken, welche ihm weder Scharfſinn, noch Gelehrſamkeit, noch auch Erfahrung mittheilen koͤnnen, und man ſieht daher ein, wie ſehr der Arzt derauf bedacht ſeyn muß, ſich Menſchenkenntniß zu ſammeln, und ſich da- durch in den Beſitz einer ſogenannten Politik zu ſetzen.
§ 541.
Dann lehrt ſie den Arzt auch, die wichtige ihn adelnde Kunſt, in allen Verhaͤltniſſen der Geſellſchaft, und in dem
Nach-
L 3
<TEI><text><body><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0183"n="165"/><fwplace="top"type="header">Bildung des Arztes.</fw><lb/><divn="5"><head>§ 538.</head><lb/><p>Sie unterſtuͤtzt den Arzt bey Unterſuchung der verwik-<lb/>
keltſten Krankheitsfaͤlle, hilft ihm die verborgenſten Urſachen<lb/>
entdecken, ja ſogar dem Kranken, welcher ſie abſichtlich<lb/>
verhehlen will, ſie unvermerkt ablocken: mit einem Worte,<lb/>
durch ſie allein wird man in den Stand geſetzt, ſich ein<lb/>
vollſtaͤndiges Bild vieler Krankheitsfaͤlle zu entwerfen, wel-<lb/>
ches die erſte Bedingung einer rationellen Heilung abgiebt.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 539.</head><lb/><p>Endlich giebt ſie ihm auch die ſchicklichſten Mittel an<lb/>
die Hand, welche die Heilung unmittelbar unterſtuͤtzen, ſie<lb/>
lehrt ihn, die beſte Art, den ſchicklichſten Zeitpunct, die<lb/>
Heilmittel bey jeden einzelnen Menſchen anzuwenden, und<lb/>
ihre Wuͤrkung zu unterſtuͤtzen; ſie zeigt ihm, wie er den<lb/>
Kranken Zutrauen zu dieſen Arzneymitteln nicht nur einfloͤßen,<lb/>ſondern auch auf die Laͤnge erhalten koͤnne; wie er ihren<lb/>
Launen bald nachgeben, bald ſich ihnen ernſthafter wider-<lb/>ſetzen, ihre Vorurtheile bald mehr, bald weniger deutlich<lb/>
hekaͤmpfen muͤſſe ꝛc.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 540.</head><lb/><p>So gewaͤhrt alſo die Klugheit dem Arzte ſichere Mittel,<lb/>
zu Heilung der Kranken, welche ihm weder Scharfſinn,<lb/>
noch Gelehrſamkeit, noch auch Erfahrung mittheilen koͤnnen,<lb/>
und man ſieht daher ein, wie ſehr der Arzt derauf bedacht<lb/>ſeyn muß, ſich Menſchenkenntniß zu ſammeln, und ſich da-<lb/>
durch in den Beſitz einer ſogenannten Politik zu ſetzen.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 541.</head><lb/><p>Dann lehrt ſie den Arzt auch, die wichtige ihn adelnde<lb/>
Kunſt, in allen Verhaͤltniſſen der Geſellſchaft, und in dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nach-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[165/0183]
Bildung des Arztes.
§ 538.
Sie unterſtuͤtzt den Arzt bey Unterſuchung der verwik-
keltſten Krankheitsfaͤlle, hilft ihm die verborgenſten Urſachen
entdecken, ja ſogar dem Kranken, welcher ſie abſichtlich
verhehlen will, ſie unvermerkt ablocken: mit einem Worte,
durch ſie allein wird man in den Stand geſetzt, ſich ein
vollſtaͤndiges Bild vieler Krankheitsfaͤlle zu entwerfen, wel-
ches die erſte Bedingung einer rationellen Heilung abgiebt.
§ 539.
Endlich giebt ſie ihm auch die ſchicklichſten Mittel an
die Hand, welche die Heilung unmittelbar unterſtuͤtzen, ſie
lehrt ihn, die beſte Art, den ſchicklichſten Zeitpunct, die
Heilmittel bey jeden einzelnen Menſchen anzuwenden, und
ihre Wuͤrkung zu unterſtuͤtzen; ſie zeigt ihm, wie er den
Kranken Zutrauen zu dieſen Arzneymitteln nicht nur einfloͤßen,
ſondern auch auf die Laͤnge erhalten koͤnne; wie er ihren
Launen bald nachgeben, bald ſich ihnen ernſthafter wider-
ſetzen, ihre Vorurtheile bald mehr, bald weniger deutlich
hekaͤmpfen muͤſſe ꝛc.
§ 540.
So gewaͤhrt alſo die Klugheit dem Arzte ſichere Mittel,
zu Heilung der Kranken, welche ihm weder Scharfſinn,
noch Gelehrſamkeit, noch auch Erfahrung mittheilen koͤnnen,
und man ſieht daher ein, wie ſehr der Arzt derauf bedacht
ſeyn muß, ſich Menſchenkenntniß zu ſammeln, und ſich da-
durch in den Beſitz einer ſogenannten Politik zu ſetzen.
§ 541.
Dann lehrt ſie den Arzt auch, die wichtige ihn adelnde
Kunſt, in allen Verhaͤltniſſen der Geſellſchaft, und in dem
Nach-
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burdach, Karl Friedrich: Propädeutik zum Studium der gesammten Heilkunst. Leipzig, 1800, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burdach_propaedeutik_1800/183>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.