Einst war ich in großer Gefahr im mittelländischen Meere umzukommen. Ich badete mich nähmlich an einem Sommernachmittage, ohnweit Marseille, in der angenehmen See, als ich einen großen Fisch, mit weit aufgesperrtem Rachen, in der größten Geschwindig- keit auf mich daherschießen sah. Zeit war hier schlechterdings nicht zu verlie- ren, auch war es durchaus unmöglich, ihm zu entkommen. Unverzüglich drückte ich mich so klein zusammen, als mög- lich, indem ich meine Füße heraufzog und die Arme dicht an den Leib schloß. In dieser Stellung schlüpfte ich denn gerade zwischen seinen Kiefern hindurch, bis in den Magen hinab. Hier brachte ich, wie man leicht denken kann, einige Zeit in gänzlicher Finsterniß, aber doch in einer nicht unbehaglichen Wärme zu. Da ich ihm aber nach und nach Ma- gendrücken verursachen mochte, so wäre
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Zweytes See-Abentheuer.
Einſt war ich in großer Gefahr im mittellaͤndiſchen Meere umzukommen. Ich badete mich naͤhmlich an einem Sommernachmittage, ohnweit Marſeille, in der angenehmen See, als ich einen großen Fiſch, mit weit aufgeſperrtem Rachen, in der groͤßten Geſchwindig- keit auf mich daherſchießen ſah. Zeit war hier ſchlechterdings nicht zu verlie- ren, auch war es durchaus unmoͤglich, ihm zu entkommen. Unverzuͤglich druͤckte ich mich ſo klein zuſammen, als moͤg- lich, indem ich meine Fuͤße heraufzog und die Arme dicht an den Leib ſchloß. In dieſer Stellung ſchluͤpfte ich denn gerade zwiſchen ſeinen Kiefern hindurch, bis in den Magen hinab. Hier brachte ich, wie man leicht denken kann, einige Zeit in gaͤnzlicher Finſterniß, aber doch in einer nicht unbehaglichen Waͤrme zu. Da ich ihm aber nach und nach Ma- gendruͤcken verurſachen mochte, ſo waͤre
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Zweytes See-Abentheuer.
Einſt war ich in großer Gefahr
im mittellaͤndiſchen Meere umzukommen.
Ich badete mich naͤhmlich an einem
Sommernachmittage, ohnweit Marſeille,
in der angenehmen See, als ich einen
großen Fiſch, mit weit aufgeſperrtem
Rachen, in der groͤßten Geſchwindig-
keit auf mich daherſchießen ſah. Zeit
war hier ſchlechterdings nicht zu verlie-
ren, auch war es durchaus unmoͤglich,
ihm zu entkommen. Unverzuͤglich druͤckte
ich mich ſo klein zuſammen, als moͤg-
lich, indem ich meine Fuͤße heraufzog
und die Arme dicht an den Leib ſchloß.
In dieſer Stellung ſchluͤpfte ich denn
gerade zwiſchen ſeinen Kiefern hindurch,
bis in den Magen hinab. Hier brachte
ich, wie man leicht denken kann, einige
Zeit in gaͤnzlicher Finſterniß, aber doch
in einer nicht unbehaglichen Waͤrme zu.
Da ich ihm aber nach und nach Ma-
gendruͤcken verurſachen mochte, ſo waͤre
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[Raspe, Rudolf Erich]: Wunderbare Reisen [...] des Freyherrn von Münchhausen [...]. London [i. e. Göttingen], 1786, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_muenchhausen_1786/90>, abgerufen am 23.02.2025.
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